Mit ihren einzigartigen Kostümen, Masken und Accessoires sind Conny und Werner Kraft aus Nürnberg eine Attraktion beim Karneval von Venedig. Conny spricht über ihre kunstvollen Gewandungen und die Atmosphäre in der mystischen Lagunenstadt.

Liebe Conny, wie und wann habt Ihr beiden zusammengefunden, und wie entstand Euer Interesse für den Carnevale di Venezia?
Wir haben uns vor 18 Jahren im Internet kennen- und lieben gelernt. Ich liebe den Carnevale schon seit über 30 Jahren. Die Liebe dazu wurde mir von meiner Großmutter ans Herz gelegt. Sie schenkte mir auch kurz vor ihrem Tod eine der ersten Masken, die nach 1973 wieder in Venedig produziert wurden. Werner lernte ein Jahr nach unserer Hochzeit den Carnevale kennen und lieben. Wir sagen: „Einmal Virus, immer Virus di Venezia“. Ich war das erste Mal vor 30 Jahren dort, als Paar gemeinsam waren wir das erste Mal vor 15 Jahren dort. Meist sind wir eine Woche geblieben – von Sonntag bis Sonntag. Für Interessierte, die sich das einmal anschauen möchten, empfehle ich das vorletzte Wochenende, da ist noch nicht ganz so viel los. Am letzten Wochenende und Rosenmontag ist das Touristenaufkommen schon extrem hoch. Die meisten guten Unterkünfte werden schon im Vorjahr gebucht.
Was fasziniert Euch so am Karneval von Venedig?
Es ist ein stiller Carnevale voller Mystik mit vielen schönen Gesten, traumhaften Kostümen, wunderschönen Farben und wirklichem Miteinander.
Der Respekt, den sich die Masken (der typische Ausdruck für Maskierte, Anm. d. Red.) untereinander entgegenbringen, ist toll. Zur Begrüßung und zum Dank nickt man sich zum Beispiel zu. Auch Polizisten wird zum Dank zugenickt. Mittlerweile kennen sich auch viele Masken und freuen sich auf das Wiedersehen. Manche reisen extra aus England an, manche aus Spanien, den USA oder aus Israel. Als ein guter Freund von mir aus der Schweiz gestorben ist, haben sich donnerstags viele Masken an der Barockkirche Santa Maria della Salute getroffen und weiße Rosen ins Wasser geworfen.
Es ist immer wieder besonders schön zu sehen, wie sehr sich die Menschen an den Kostümen erfreuen. Da hört man schon mal ein „bellissima“, „oh wie schön“ oder „wonderful“. Wir sind auch schon mal interviewt worden von einem Fernsehsender in Chile. Das ist für uns der Dank für den Aufwand, den wir in unser Hobby stecken.
Gibt es da festgelegte Gesten oder sind diese improvisiert?
Die Gesten sind nicht festgeschrieben. Das Einzige, was immer gilt: Die Masken grüßen sich mit einem Kopfnicken. Frauen neigen den Kopf vor anderen Frauen und Männer verneigen sich grundsätzlich zuerst vor den Frauen. Generell sollten es dann ästhetische, langsame, ruhige Bewegungen sein.
Wie erlebt Ihr die Atmosphäre in Venedig?
Es ist eine magische Atmosphäre mit dem Wasser, dem Nebel, den besonderen Kirchen, den vielen kleinen Gassen, den Brücken und den Gondeln. Ich liebe die Kirche Santa Maria della Salute, da sie einfach wunderschön ist und im Hintergrund auf Fotos eine starke Aura hat. Auch die verwinkelten Gassen rundherum. Ich liebe es auch, auf der Ponte dell’Accademia zu stehen mit dem Canal Grande im Hintergrund, das ist ein großartiges Gefühl. Sehr magisch und mystisch: Wenn man mit seinem Kostüm und den funkelnden Lichtern daran morgens um halb sechs oder halb sieben vor dem Dogenpalast an der Piazzetta steht, an der es hineingeht und wo sich viele Fotografen befinden, steigen im Hintergrund die Nebel auf, und dahinter sieht man San Giorgio Maggiore.
Vor zwölf Jahren habe ich noch auf dem Markusplatz Walzer getanzt. Jetzt werden dort die Platten neu verlegt, weswegen auch der ursprüngliche Beginn des Karnevals, der Engelsflug, abgesagt wurde. Die immer noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten am Markusplatz stellen ein zu hohes Sicherheitsrisiko dar. Die Masken wünschen sich den Engelsflug natürlich bald wieder zurück. Hier schwebt eine kostümierte Frau – meist Models oder Gesichter aus der Unterhaltungsbranche – an einem Seil vom Campanile, dem Glockenturm der Markuskirche, zum Dogenpalast. Diese Tradition ist bereits jahrhundertealt.
Mittlerweile ist der Tourismus aber sehr stark geworden. Früher war es wirklich sehr schön, alle Menschen erfreuten sich an den Masken. Heute herrscht aber auch viel Gedränge und einige Leute meinen, wir würden bezahlt und sie könnten sich viel erlauben. Leider werden die Fotografen oft behindert, indem durchs Bild gelaufen wird. Sagst du als Maske etwas, wirst du sehr böse angeschaut. Aber es gibt auch viele ältere Menschen und Kinder, die mit offenem Mund staunen, sich freuen und lächeln, wenn sie ein Foto machen können.
Was gibt es in Venedig auf den Straßen und auf dem Wasser zu sehen?

Der Carnevale wird immer mit einer Regatta eröffnet. Angeführt wird diese von einer Ratte, die eine Art Maskottchen in Venedig ist. Das, was die Straßenkünstler bieten, ist auch wundervoll. Dann gibt es seit zwei Jahren passend zum jeweiligen Thema des Karnevals eine Wassershow – dieses Jahr lautete das Motto „Casanova und Casanovas Weib“. Es werden auch Bälle veranstaltet, die aber wahnsinnig teuer sind. Etwa der Ball im Dogenpalast („Ballo del Doge“) – wenn man da eine Flanierkarte haben möchte, geht es bei ungefähr 1.000 Euro los, etwas zu essen und zu trinken bekommt man dafür aber noch nicht. Oder der Gläserne Schuh in Murano, da liegt man aber auch bei etwa 500 Euro.
Die Gewandungen, die man in Venedig zu Gesicht bekommt, könnten aufwendiger und vielfältiger nicht sein. Gibt es hier irgendwelche „Richtlinien“ – was muss ein venezianisches Outfit haben?
Die echten venezianischen Kostüme kommen aus der Commedia dell’arte, und da gibt es bloß zwölf verschiedene. Die meisten Kostüme, die man in Venedig sieht, sind Fantasie-Kostüme. Es kann eigentlich jeder zum Karneval nach Venedig kommen, aber es sollte in die Stadt passen, und man darf es nicht mit dem deutschen Karneval vergleichen. Manche Masken sind eher fehl am Platz. Ich glaube nicht, dass ein Gallier mit einem Kostüm zum Aufblasen oder eine Cheerleaderin in die Stadt passen.
Im Straßenkarneval wird keine Haut gezeigt. Bei Barockkostümen darf Haut gezeigt werden, und meist wird auch nur eine Halbmaske getragen. Zu sexy sollte es aber nicht sein. Barockkostüme werden meist auf Bällen getragen.
Habt Ihr eine Schneiderin oder sind Eure aufwendigen Kostüme und Accessoires selbst gefertigt?
Ich nähe bis auf Jacken alles selbst, vor allem meine aufwendigen Kleider, die ich auch selbst besticke. Auch die Gehstöcke habe ich selbst gebastelt. Bei der silbernen Geige auf dem Gehstock handelt es sich zum Beispiel um eine bemalte Maske, der Stock war ursprünglich ein Besenstiel. Die Kostüme entstehen in meinem Kopf und werden manchmal über ein ganzes Jahr geschneidert, bestickt und so weiter. Das ist zum Teil gar nicht so einfach – etwa wenn es darum geht, gerade Nähte in Samtstoffe zu nähen. Meine Lieblingsfarben für die Kostüme sind Rot, Blau und Grün. Auf die Idee für das Kleid mit den Musikinstrumenten kam ich, nachdem wir uns eine Oper von Verdi angeschaut hatten.
Wie sieht es mit Euren Masken aus?
Manche Masken sind gekauft, manche habe ich unter Anleitung bemalt, andere wiederum komplett selbst gemacht. Unsere Masken sind ausschließlich aus Venedig von einem befreundeten Maskenmacher. Meine sind Rohlinge, die ich dann selbst gestalte. Sie bestehen aus einer Papierschicht, auf die ein ganz dünner Wollstoff folgt, dann Pappmaché, dann wird es gekalkt. Diese Rohlinge kauft fast jeder in Venedig. Werners aufwendige Federmasken macht dieser. Von unserem Freund habe ich gelernt, die Mondmasken zu bemalen. Vor 16 Jahren hat mein Mann die erste Mondmaske nach 1980 wieder mit nach Venedig genommen, die mir meine Großmutter geschenkt hat. Jetzt findet man wieder mehr Mondmasken, aber die waren mal eine ganze Zeit verschwunden. In meiner Sternenmaske finden sich Fotos, die ich selbst in Venedig gemacht habe, der Rand besteht aus Blattgold.
Jedes Jahr findet der Karneval unter einem neuen Motto statt – tragt Ihr tatsächlich auch jedes Jahr ein neues Outfit?
Ja, jedes Jahr gibt es etwas Neues. Leider wird das Motto sehr spät preisgegeben, und die Kostüme sind da schon fast fertig. Mein Kleiderschrank wurde auch schon mal geleert und jetzt ist er wieder voll.
Auf den aufwendigen Kostümen sieht man oft Symbole wie Geigen oder Löwen. Welche Bedeutung haben diese, und welche Rolle spielt Symbolik generell?
Der Löwe ist mit dem Krokodil das Wappentier von Venedig. Geigen sind eine Hommage an Verdi und die italienische Musik. Eine Rolle spielt sie nur für die Träger.
Was waren Eure Highlights in Venedig?
Es gibt so viele. Letztes Jahr fand Commedia dell’arte mit alten Masken über die ganze Stadt verteilt statt, das war sehr eindrucksvoll. Ein weiteres Highlight: Eine Bekannte von uns, Korinna Westphal, sitzt im Rollstuhl, trägt aber immer ein tolles Kostüm, sie liebt das. Wenn sie unterwegs ist und Treppen vor ihr liegen und ihr Mann es nicht schafft, sie heraufzubringen, schweben ein paar andere Masken zu Hilfe und tragen sie hinauf – da ist es wieder, dieses schöne Miteinander.

Wann findet die nächste venezianische Veranstaltung in Deutschland statt?
Vom 19. bis zum 21. September sind wieder die Schweriner Tage, die alle zwei Jahre rund um das beeindruckende Schloss stattfinden. Das Schweriner Schloss ist eine wahre Augenweide und hat eine tolle Parkanlage – eine wunderbare Location dafür.
Dieses Jahr seid Ihr in Rosheim und in Remiremont in Frankreich bei venezianischen Karneval-Veranstaltungen. Was erwartet die Besucher hier?
In Frankreich gibt es viele Veranstaltungen für die Freunde des venezianischen Karnevals. Die Menschen sind hier total zuvorkommend und die Veranstaltungen toll organisiert mit vielen lieben Helfern und Organisatoren. Hier wird man als Maske richtig hofiert. Wenn irgendwo eine Stufe oder ein Kabel im Weg ist, wird man von einem der Casanovas darauf hingewiesen, damit man nicht stürzt. Da werden sogar die Räume bewacht, in denen die Masken ihre Wertgegenstände ablegen. In Venedig kann schon mal eine abgestellte Kamera verschwinden, wenn man sich umdreht. In Rosheim sind etwa 100 Masken unterwegs, in Venedig vielleicht 3.000 bis 5.000. Das ist schwierig einzuschätzen. Man kann dort mitlaufen, aber es wird nicht von der Stadt organisiert. In Frankreich steht immer eine Organisation dahinter, die sich um bewachte Umkleidemöglichkeiten für die Masken kümmert. Und in Frankreich suchen sich die Veranstalter die Masken aus – man muss vorher ein Bild einreichen und dann wird entschieden, ob das Kostüm passt. Da gibt es schon Regeln, es darf zum Beispiel nicht zu freizügig sein. Das ist in Venedig nicht so, dort sieht man teilweise auch sehr freizügige Kostüme oder auch mal Leute in Obelix-Kostümen oder anderen, die nicht passen. In Rosheim und in Remiremont findet ein offener Straßenkarneval statt. Wir treffen uns als Masken, ziehen uns um, präsentieren tagsüber unsere Kostüme, und es gibt Möglichkeiten, uns zu fotografieren. Abends findet eine Vorstellung der einzelnen Masken mit Licht und Musik statt, bei der alle mit Freude ihre Kostüme auf der Bühne präsentieren. Manchmal hat man auch zwei verschiedene Kostüme im Gepäck. Nach der Veranstaltung treffen wir uns auch wieder alle in der Halle, in der wir uns umgezogen haben, schminken uns ab, feiern und essen miteinander. Jeder freut sich, jeden wiederzusehen. Es wird mit Hand und Fuß gesprochen, gelacht, und jeder hilft jedem. Oft braucht man Hilfe, um das Kostüm anzulegen.
Es gibt immer ein nettes Zusammensein mit allen Teilnehmern, was in Venedig gar nicht möglich wäre.
Aber auch dort wird sich abends ohne Maske getroffen.
Das Schöne ist auch hier, wie sehr sich die Menschen daran erfreuen. Und das Allerschönste: wenn Kinder kommen und fragen, ob sie ein Foto mit uns machen können.