Aufsteiger FC Hertha 03 blieb nach starkem Saisonstart zuletzt fünf Spiele ohne Sieg. Davon will man sich beim Hauptstadtverein aber bisher nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Robert Schröder blockte die Frage ab: „Für mich sind es 16 Punkte nach zwölf Spielen – damit stehen wir, glaube ich, ganz passabel da“, nahm der Trainer des FC Hertha 03 die gesamte Zwischenbilanz in den Blick. Damit wehrte er sich nach dem torlosen Unentschieden gegen die VSG Altglienicke vor 14 Tagen, aber auch gegen die Thematisierung des Abwärtstrends hinsichtlich der Ergebnisse in den Wochen zuvor. Der Neuling aus Berlins Südwesten, der als einer der ganz wenigen Clubs in der Regionalliga Nordost nicht unter Vollprofi-Bedingungen arbeitet, ist schließlich in dieser Saison der absolute Underdog. Dafür konnte sich Platz neun nach der zwölften Runde absolut sehen lassen – nur einmal in den vergangenen fünf Spielzeiten stand ein Aufsteiger zu diesem Zeitpunkt in der Nordost-Staffel besser da (Rot-Weiß Erfurt 2022/23). Und natürlich war es klar, dass die Zehlendorfer nicht wie nach dem 5:0-Auftaktsieg gegen Zwickau oder noch mit zehn Punkten aus den ersten fünf Partien auf Dauer vorne dabeibleiben würden. Doch ebenso selbstverständlich kommen gerade bei einem Außenseiter entsprechende Gedanken auf, wenn wie zuletzt nur noch drei Punkte und ein Tor aus den vorangegangenen fünf Begegnungen zu verzeichnen sind. Schließlich kann man Spieler in der Theorie auf das Erwartbare vorbereiten – aber wie reagiert eine Mannschaft, die vergangene Saison nur eines von 28 Spielen verloren und dabei über hundert Tore erzielt hat dann, wenn die „Ergebniskrise“ tatsächlich eintritt?
Keine Vollprofi-Bedingungen
„Wir tun gut daran, die Situation und die Spiele zu bewerten: Wir haben das am Anfang nicht zu übertrieben positiv gesehen – genauso sehen wir es jetzt nicht übertrieben negativ“, erklärt der Trainer die Zehlendorfer Gedankenwelt in dieser Saison. Nach dem Aufstieg aus der Oberliga Nord des Nordostdeutschen Fußball-Verbands (NOFV) im Sommer musste man im Kreis großer Traditionsvereine einen neuen Ansatz finden. Es galt dabei als zwingend notwendig, sich in allen Bereichen trotz bescheidener Mittel weiter zu verbessern. „Das heißt, es geht tatsächlich nicht nur um Ergebnisse, sondern mindestens genauso um unsere Spielleistungen – das hat auch für mich ein Umdenken bedeutet“, gibt der 36-jährige Übungsleiter zu. Deshalb zeigte er sich auch mit dem 0:0 gegen Altglienicke sehr zufrieden: „Mit der Tendenz der letzten Wochen hat uns heute glaube ich keiner zugetraut, dass wir hier etwas mitnehmen – daher war es einfach auch das Ziel, für eine kleine Überraschung zu sorgen.“ Über die gezeigte Leistung war Schröder aber ebenso voll des Lobes: „Wir haben eine gute, couragierte Mannschaftsleistung auf den Platz gebracht, uns an die Spielidee gehalten und sehr fleißig gearbeitet – das, was wir uns in der Trainingswoche versucht haben anzueignen, haben sie gut umgesetzt.“
Rückschläge sind in dieser Ausgangslage beziehungsweise unter diesen Umständen bei den Verantwortlichen durchaus mit eingepreist. Doch auch Sven Reimann, mit 30 Jahren deutlich der älteste Spieler im Team, konnte nach dem fünften Spiel ohne Sieg Entwarnung geben: „Es war ja klar, dass wir den Anfangsschwung nicht ewig beibehalten können“, so der Kapitän, „die Mannschaft ist aber trotzdem intakt und gut drauf.“ Auffällig ist dabei schon, dass die anfangs starke Offensivleistung (13 Tore in fünf Spielen) deutlich nachgelassen hat (vier in den folgenden sieben Partien, fünf davon ganz ohne eigenen Torerfolg). Personifiziert wird dieser Trend quasi durch Serhat Polat: der schnelle Außenstürmer ist aktuell mit sieben Saisontoren bester Schütze bei Hertha 03 – hat seit dem fünften Spieltag aber nur noch einmal getroffen. Da bislang überhaupt bloß vier weitere Spieler für die Zehlendorfer erfolgreich waren, macht sich die Durststrecke des 23-jährigen Angreifers mit Erfahrung in der Regionalliga Nordost (30 Spiele für den SV Tasmania, Saison 2021/22) aktuell besonders bemerkbar. Analog zur gesamten Punktausbeute seiner Mannschaft ist aber auch Polats Zwischenbilanz nach zwölf Spielen nach wie vor mehr als ordentlich. Als Neuling müssen Schröders Schützlinge eben auch die Erfahrung machen, dass die Konkurrenz – anfangs vielleicht noch düpiert von dem forschen Umschaltspiel des unbekannten Newcomers – irgendwann gewarnt ist und sich auf den Stil einstellt. Doch die Punkte aus der Startphase haben die wackeren Außenseiter aus Berlin für die Mission Klassenerhalt zumindest schon einmal sicher auf dem Konto.
Kurzfristige Neuzugänge
Um die Belastung aus Spielen und intensiverem Training für die Feierabendfußballer nicht zu hoch werden zu lassen, setzen die Verantwortlichen dabei auch auf einen etwas größeren Kader: 27 Fußballer sind die zweithöchste Zahl innerhalb der Regionalliga Nordost. Hier befindet man sich tatsächlich mal auf Augenhöhe mit illustrer Gesellschaft wie den Top-Teams des Halleschen FC oder Greifswalder FC – der durchschnittliche Marktwert eines 03-Spielers bewegt sich allerdings im Vergleich dann wieder nur bei einem guten Fünftel. Dazu hält man auch während der Saison die Augen offen: Mateo Kastrati und Jake-Robert Wilton kamen etwa noch kurzfristig vom Ligakonkurrenten Babelsberg 03, als man in der Defensive Verstärkungsbedarf ausgemacht hatte. Und auch nach Transferschluss hat man in Zehlendorf die Antennen weiter ausgefahren, um auf etwaige Engpässe zu reagieren. So hielt sich der von der VSG Altglienicke im Sommer ausgemusterte Louis Wagner beim Neuling fit und wurde nun verpflichtet, als der Kader jüngst von einer Grippewelle erwischt wurde. Gegen seinen Ex-Verein stand der Mittelfeldspieler daher gleich in der Startelf und kam eine Stunde zum Einsatz – mit seinen 22 Jahren, aber auch 60 Regionalligaspielen (neben der VSG unter anderem noch Berliner AK, Tennis Borussia) passt er dabei perfekt ins Anforderungsprofil von Hertha 03. Also: Auf vielen Ebenen arbeitet man in Zehlendorf an der „Mission Impossible“ – so muss etwa auch bei jedem Heimspiel der Umzug von Zehlendorf ins Stadion Lichterfelde vollzogen werden. Das heimische Ernst-Reuter-Sportfeld entspricht bekanntlich noch nicht den Vorschriften des NOFV, bislang aber wurde dank vieler helfender Hände alles zur Zufriedenheit bewältigt. Selbst die Mannschaft macht das Beste aus dem Handicap des fehlenden Heimvorteils – schließlich hat der FC Hertha 03 auch im „Exil“ bislang nur eins seiner fünf Heimspiele verloren.