Studien zeigen: Vor allem wirtschaftliche Sorgen befeuern die Wahl von Parteien wie der AfD. Deren negative Freund-Feind-Rhetorik verstärkt dieses Gefühl von Unsicherheit. Dabei begünstigt das Wahlprogramm der Partei vor allem Wohlhabendere.

Die AfD ist als zweitstärkste Kraft mit 152 Abgeordneten in den Bundestag eingezogen und hat sich seit der Bundestagswahl 2021 um zehn Prozentpunkte verbessert. Doch wie konnte das geschehen? Umfragen legen nahe, dass vor allem wirtschaftliche Unsicherheiten dafür verantwortlich sind, die der AfD Wähler anderer Parteien, aber auch über eine Million ehemalige Nichtwähler zugeführt haben. Laut Umfragen von Infratest Dimap bezeichneten die meisten Wähler, über Parteigrenzen hinweg, die wirtschaftliche Lage als schlecht. Unter den AfD-Wählern teilten sogar 96 Prozent diese pessimistische Einschätzung. Sie sind der Meinung, dass es in Deutschland ungerecht zugeht (85 Prozent) und machen sich vor allem Sorgen um ihre finanzielle Zukunft: 75 Prozent befürchten, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, 71 Prozent haben Angst vor Geldproblemen im Alter und 74 Prozent sehen ihren Lebensstandard bedroht. Interessanterweise spielen gestiegene Preise bei der Wahlentscheidung der AfD-Wähler kaum eine Rolle (acht Prozent). Stattdessen haben sie von allen Wählern am meisten Angst vor Zuwanderung (89 Prozent) und nennen dies als Hauptgrund für ihre Wahlentscheidung – ein Indiz dafür, dass sich das unhaltbare AfD-Narrativ, Migration sei schuld an wirtschaftlichen Problemen, verfestigt hat. In einer groß angelegten Studie mit über 5.000 Teilnehmern, die zwischen 2019 und 2021 in vier Wellen durchgeführt wurde, untersuchten Forschende des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), ob es einen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und der Präferenz für politische Parteien gibt. Dabei zeigte sich ein deutliches Muster: AfD-Anhänger sind unzufriedener mit ihrem persönlichen Leben und ihrer finanziellen Situation als Anhänger anderer Parteien. Dieser Zusammenhang ist besonders stark bei neuen Anhängern ausgeprägt. Wer sich von der Partei abwendet, erlebt dagegen eine Verbesserung seines Wohlbefindens.
Angst vor Abstieg und Zuwanderung

Ob die Unterstützung der AfD tatsächlich zu einer wachsenden Unzufriedenheit führt, untersuchten Dr. Maja Adena, stellvertretende Direktorin der Abteilung Ökonomik des Wandels am WZB, und der Verhaltensökonom Prof. Dr. Stefan Huck mithilfe von zwei Experimenten.
Im ersten Experiment befragten sie Wähler vor, während und nach dem AfD-Bundesparteitag im November 2020. Dabei zeigte sich, dass insbesondere neue AfD-Unterstützer, die während des Parteitags an der Umfrage teilnahmen, ein schlechteres Wohlbefinden angaben als jene, die vor oder nach dem Parteitag befragt wurden, oder als Anhänger anderer Parteien. Auch das zweite Experiment im Jahr 2021, in dem die Teilnehmer Fragen zu ihrem Wohlbefinden und ihrer Parteipräferenz beantworteten, bestätigte dieses Muster: Neue AfD-Unterstützer, die sich intensiv mit AfD-Themen auseinandergesetzt hatten, waren weniger zufrieden als die Kontrollgruppe, die Fragen zum Wohlbefinden vor den Fragen zur AfD beantworten musste. Bei Anhängern anderer Parteien zeigte sich kein vergleichbarer Effekt. Die Forscher vermuten, dass die negative Rhetorik der AfD für diesen Kausalzusammenhang verantwortlich ist: Wer sich der Partei zuwendet, setzt sich dieser Negativität verstärkt aus, was dem Wohlbefinden schadet.
Maja Adena betont daher den deutlichen Zusammenhang zwischen Parteiwahl und der Wahrnehmung der persönlichen und finanziellen Situation der Wähler. „AfD-Wähler berichten besonders häufig von einer Verschlechterung im Vergleich zum Vorjahr und erwarten eine Verschlechterung in der Zukunft“, sagt Adena gegenüber FORUM. Es sei jedoch wichtig zu verstehen, dass dieser Zusammenhang verschiedene Erklärungen haben kann, die sich nicht ausschließen: eine persönliche Tendenz zu negativer Wahrnehmung, eine tatsächliche Verschlechterung oder eben eine Wahrnehmung, die durch die Parteirhetorik beeinflusst wird. „Unsere Studie beschäftigt sich insbesondere mit der potenziellen Veränderung der Wahrnehmung als Resultat der Unterstützung der AfD: Neue oder marginale AfD-Anhänger berichten von gesteigerter Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen und materiellen Situation direkt nach Beginn der Unterstützung für die Partei.“
Wer AfD wählt, fühlt sich schlecht

Diese materielle Situation umfasst finanzielle Schwäche oder Unsicherheit, die beide mit der Unterstützungsbereitschaft zusammenhängen. Direkte Aussagen zu bestimmten Milieus, die die AfD bevorzugt wählen, lassen sich laut Adena jedoch nicht treffen. „Allerdings sehen wir, dass Männer tendenziell unzufriedener mit ihrer finanziellen und persönlichen Situation sind und häufiger die AfD wählen.“ Zudem sei die Angst vor einer finanziellen Verschlechterung bei AfD-Wählern besonders stark ausgeprägt. Als Gegenmaßnahme sollten Parteien, die AfD-Wähler zurückgewinnen wollen, positive und konstruktive Botschaften betonen, die Lösungen für die realen wirtschaftlichen Sorgen der Bürger bieten, sagt Adena. „Es könnte hilfreich sein, politische Maßnahmen zu entwickeln, die finanzielle und soziale Sicherheit erhöhen und den Bürgern ein Gefühl von Kontrolle über ihre Zukunft geben.“
Ähnliche Ergebnisse lieferten auch die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW und Ifo. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) untersuchte Wahlentscheidungen zum Europäischen Parlament im Sommer 2024. Dabei identifizierte das Institut in deutschen Landkreisen eine überdurchschnittlich alte Bevölkerung, unterdurchschnittliche Einkommen, einen relativ niedrigen Bildungsgrad sowie eine vergleichsweise schwache regionale Wirtschaftsstruktur als Faktoren, die den Wahlerfolg populistischer Parteien begünstigen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Zustimmung für Parteien wie AfD und BSW besonders in Regionen mit schwachen Zukunftsperspektiven hoch ist. Die Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts verknüpfte die Wahlergebnisse zur Europawahl mit den Daten aus dem Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung. Dieser Bericht, der 2024 erstmals erstellt wurde, definiert gleichwertige Lebensverhältnisse als die Verringerung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Unterschiede zwischen den Regionen Deutschlands. Das Ifo-Institut stellte fest, dass vor allem eine gefühlte Benachteiligung und Zukunftssorgen entscheidend für den Wahlerfolg von AfD und BSW in den Landkreisen sind. „Besonders in Regionen mit einem hohen Anteil älterer Wahlberechtigter und ausgeprägter Unzufriedenheit über die eigene wirtschaftliche Situation ist der Stimmenanteil für AfD und BSW sehr hoch“, so das Institut.
Internationale Untersuchungen
Ein Knackpunkt dabei ist, dass sich das Wahlprogramm der AfD vor allem auf Begünstigungen für Wohlhabendere stützt und den Staat Milliarden kosten würde, die nicht refinanziert sind. Dabei waren im Februar Arbeiter und Arbeitslose die größten Wählergruppen der Partei – also jene, die am meisten unter einer AfD-Wirtschaftspolitik zu leiden hätten. Laut Michael Hüther, dem Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), plant keine Partei so drastische Steuersenkungen wie die AfD: Die Steuergeschenke in Höhe von 181 Milliarden Euro entsprächen 20 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen und beinhalten die Abschaffung der Erbschafts- und Grundsteuer sowie höhere Freibeträge für Kapitalgewinne, was vor allem Vermögenden zugutekäme. Gleichzeitig soll die Rente auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens steigen – inklusive eines enormen Steuerzuschusses zur Rentenversicherung. Doch dieses Versprechen ist nicht finanzierbar: Selbst unter Berücksichtigung der damit verbundenen Wachstumseffekte der deutschen Wirtschaft bliebe eine bedeutende Lücke bestehen, so das Deutsche Institut für Wirtschaft. Hinzu kommt die Forderung der Partei nach einem Austritt Deutschlands aus dem Euro oder sogar der EU. Die Folgen wären katastrophal: „Nach fünf Jahren würde das reale Bruttoinlandsprodukt um 5,6 Prozent einbrechen. Auch die Folgen für den Arbeitsmarkt wären dramatisch: 2,5 Millionen Menschen würden ihre Jobs verlieren“, schreibt Hüther. Dies birgt weiteres Wählerpotenzial für die AfD.

Auch beim Thema Migration ignoriert die AfD die Fakten. Denn ohne Zuwanderung würde die deutsche Wirtschaft weiter schrumpfen. „6,7 Millionen ausländische Beschäftigte erwirtschaften bereits heute über dreizehn Prozent der Bruttowertschöpfung“, rechnet Hüther vor. „Zählt man indirekte Effekte hinzu, sind es sogar 17 Prozent – dies entspricht 648 Milliarden Euro Wertschöpfung.“ Hinzu kommt die Idee, Windräder wieder abzubauen. Die Wirtschaft überzeugt das nicht: Laut Institutsangaben sehen 67,2 Prozent der Unternehmen im Erstarken der Partei eine Gefahr für die Transformation, nur sieben Prozent eine Chance. Zwar steckt Deutschland in einer echten Krise, aber „das macht das AfD-Wirtschaftsprogramm voller Irrwege und Risiken keinen Deut besser“, sagt Hüther. Ähnliche Befunde wie für Deutschland finden sich auch in internationalen Studien. So stieg die Zustimmung für die rechtspopulistischen Schwedendemokraten in schwedischen Gemeinden, die besonders stark von Arbeitslosigkeit nach der Finanzkrise 2008 betroffen waren, deutlich an. Nach dem britischen Brexit-Referendum zeigten Untersuchungen, dass Gebiete mit niedrigerem Bildungsniveau, geringerem Einkommen und höherer Arbeitslosigkeit tendenziell für den Brexit stimmten. Die französischen Rechtspopulisten verzeichneten große Zugewinne in deindustrialisierten Regionen Nordfrankreichs, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind. Studien zur US-Präsidentschaftswahl 2016 zeigen, dass Regionen mit höherem Anteil an Arbeitsplatzverlusten durch Automatisierung und Globalisierung eher dazu neigten, für Donald Trump zu stimmen. Dabei spielte weniger der tatsächliche ökonomische Status eine Rolle, sondern vielmehr die Angst vor zukünftigem Statusverlust.
Diese vielfach belegten Muster ähneln sich also weltweit: Finanzielle Unsicherheiten führen zu einem Erstarken von Rechtspopulisten. Ein politischer Fokus auf die Verringerung der Migration spielt jedoch dem Narrativ der AfD in die Hände.