Diesen Titel haben die Wasserfreunde Spandau herbeigesehnt. Nach drei Jahren als Nummer zwei haben sie dem Erzrivalen aus Hannover endlich eine Niederlage zugefügt. Aber ist das wirklich schon eine Wachablösung?
Der 38. deutsche Meistertitel sollte keine Besonderheit für einen Club mehr sein – doch weit gefehlt. So freudig wie die Wasserfreunde Spandau 04 den Sieg in der diesjährigen Finalserie in der Wasserball-Bundesliga gefeiert haben, deutete es auf das komplette Gegenteil hin. Wie kleine Kinder tollten die Berliner in der Schwimmhalle Schöneberg herum, als ihnen im dritten Spiel der Serie gegen Erzrivale Waspo 98 Hannover der dritte Sieg (12:9) und damit die endgültige Entscheidung gelang. Die vermeintliche Wachablösung im deutschen Wasserball zelebrierte die Mannschaft samt Trainerstab mit einem Sprung ins Becken. Trainer Athanasios Kechagias wurde von den Spielern Bilal Gbadamassi und Mateo Cuk gepackt und in voller Montur ins Wasser geschubst. In der Halle genehmigten sich die Meister noch ein paar Bier, ehe sie sich zum Clubhaus auf dem Olympiagelände in Westend zum Grillen aufmachten.
Drei Jahre ohne Meistertitel
Dabei verspürten die Hauptstädter eine besondere Genugtuung. Die drei Jahre ohne Meistertitel hatten am Selbstverständnis des Rekordchampions gekratzt, zumal ausgerechnet die Hannoveraner die Schwächephase ausgenutzt und in diesen Spielzeiten triumphiert hatten. Plötzlich die Nummer zwei in Wasserball-Deutschland zu sein, war ein unbekanntes und unangenehmes Gefühl für die Protagonisten. Zum Vergleich: Zwischen 1979 und 2019 hatte Spandau insgesamt nur vier Mal nicht den Titel gewonnen. „Es gibt keine zwei Meinungen. Wir müssen die Serie jetzt brechen“, hatte daher Clubpräsident Hagen Stamm vor der Finalserie gegen Hannover gefordert und seine Spieler an etwas erinnert: „Ich habe 14 Jahre gespielt und bin 14-mal Meister geworden. Ich habe nie eine Meisterschaft verloren.“
Was der frühere Bundestrainer und Olympia-Dritte von 1984 damit bezwecken wollte: Dass Spandau 04 wieder mit dem gewohnten Selbstverständnis in das ewige Duell mit Hannover geht. Deswegen sagte Stamm auch bei jeder Gelegenheit, wie viel stärker der Kader des Herausforderers gegenüber dem des Titelverteidigers sei. „Wir haben die bessere Mannschaft und die besseren Einzelspieler“, hatte Stamm behauptet: „Jetzt müssen wir unser Potenzial im Becken umsetzen.“ Es scheint geholfen zu haben: Vor allem in den ersten beiden Finalspielen zeigten die Berliner die besseren Nerven, als sie zweimal nach Fünfmeterschießen als Sieger das Becken verließen. Der Knackpunkt dürfte Spiel zwei in Berlin gewesen sein, als Hannover fünf Minuten vor Schluss noch einen 11:6-Vorsprung aus den Händen gab. „Fünf Tore in fünf Minuten sind eigentlich nicht aufzuholen, weil höchstens noch sechs Angriffe möglich sind“, sagte Stamm über die famose Aufholjagd seines Teams – oder über den unerklärlichen Einbruch des Gegners, je nach Sichtweise. „Fünf Tore in fünf Minuten, das ist Weltrekord, eigentlich unmöglich, das gab es noch nie“, meinte Stamm, „ich habe es jedenfalls in 40 Jahren Wasserball noch nie erlebt.“
Danach war das Duell fast schon entschieden. „Wir haben auch Glück gehabt“, gab Stamm später zu. Doch alles in allem sei der Gewinn der ersten Meisterschaft seit 2019 absolut verdient gewesen. „Wir haben in der Normalrunde beide Spiele gegen Waspo gewonnen und jetzt im Finale mit 3:0. Wir waren in dieser Saison eindeutig die bessere Mannschaft, auch wenn Waspo im Finale tolle Gegenwehr geleistet hat.“ Hannovers Trainer Karsten Seehafer machte nach der dritten Niederlage auch die Schiedsrichter und die angebliche Bevorteilung des Gegners für das frühe Ende in der Finalserie verantwortlich. „Es hat nicht sollen sein, und wieder spielen wir nicht nur gegen Spandau“, sagte Seehafer. Diese Sichtweise konnte Stamm nicht ganz nachvollziehen. „Wir haben in den Vorjahren die Titel für Waspo auch akzeptiert“, sagte er. Seine Mannschaft habe einen „tollen Job“ gemacht und „uns die internationale Präsenz gesichert“. Denn anders als in den Vorjahren erhält nur noch der Deutsche Meister dank einer Wildcard des europäischen Schwimm-Verbandes LEN einen festen Platz in der Champions League.
Hannover muss sich in der Qualifikation ein Ticket für die Königsklasse sichern, dieser Weg ist äußerst mühsam – und enthält keine Garantie. Auch deshalb war die Enttäuschung beim Branchenprimus der Vorjahre riesengroß. Doch Waspo-Trainer Seehafer sendete noch in der Niederlage eine Kampfansage Richtung Spandau: Man verfüge über eine „begeisternde Mannschaft“, die „jung und entwicklungsfähig“ sei, betonte Seehafer und prophezeite: „Die Zukunft gehört uns.“
Jahresetat bei 800.000 Euro
Dass die Vormachtstellung im deutschen Wasserball weiterhin hart umkämpft ist, bewies auch das Pokal-Endspiel, das Waspo gegen Spandau verdient mit 11:9 gewann. Dieser verpasste Titel schmälert das Saisonfazit in Berlin, genauso wie die größtenteils enttäuschenden Auftritte in der Champions League. Die Finalrunde der besten acht Teams wurde klar verpasst, mit nur drei Siegen aus 14 Spielen belegte das Team in der Gruppenphase den achten und letzten Platz. Doch wer mehr erwartet hatte, sei kein Realist, erklärte Stamm. „Unser Jahresetat liegt bei 800.000 Euro. Da stehen andere Sportarten nicht mal für auf“, veranschaulichte der Clubpräsident Hagen Stamm. Dem italienischen Spitzenclub Pro Recco Genua würde zum Beispiel ein Etat von etwa fünf Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Von so viel Geld können die Wasserfreunde Spandau auch in der kommenden Saison nur träumen. Sie müssen bei der Spielersuche kreativ sein, bei der Finanzierung Löcher stopfen und beim Sponsoring Türklinken putzen. In der kommenden Saison sollen die jungen Neu-Nationalspieler Yannek Chiru und Zoran Bozic stärker in eine verantwortungsvolle Rolle schlüpfen und damit nach und nach Routiniers wie Cuk entlasten. Der ungarische Torhüter Laszlo Baksa, der in der Finalserie über sich hinausgewachsen ist, soll weiterhin eine Stütze des Teams sein. Die Spieler Luca Marziali und Roman Shepelev verlassen dagegen den Verein, und Marin Restovic beendet seine Karriere. Der 32-Jährige soll dem Club als Nachwuchstrainer erhalten bleiben.
Auch auf der Zugangs-Seite hat sich schon etwas getan. Vom montenegrinischen Nationalspieler Dusan Banicevic versprechen sich die Verantwortlichen viel, der 24-Jährige bekleidet die wichtige Center-Position. Für die rechte Seite ist Tamas Sedlmayer aus Ungarn eingeplant. Bei diesen beiden Transfers soll es aber nicht bleiben, Spandau hält die Augen und Ohren offen und will bei einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis zuschlagen. „Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, uns umzuschauen“, sagte Peter Röhle. Der Manager hat die erfolgreiche Spandau-Ära zwischen 1979 und 2019 in verschiedenen Rollen maßgeblich mitgeprägt, und auch er gab zu: „Dieser Titel jetzt ist sicher einer der schönsten, weil er so sehr herbeigesehnt wurde.“
Und was bringt die langfristige Zukunft? Ein Wasserball-Bad in Spandau – hofft zumindest der jüngst wiedergewählte Clubboss. „2027 soll es an der Gatower Straße eröffnen. Ich hoffe, der neue Senat geht schnell die nächsten Schritte an“, sagte Stamm über die 18 Millionen Euro teure Arena mit 1.500 Zuschauern: „Mein Traum ist eine Tennis-Arena für Wasserball mit Fans auf vier Seiten.“