In der Pandemie war das Homeoffice eine Notlösung, heute arbeiten viele Menschen gerne zu Hause. Doch dort muss man sich ein passendes Arbeitsumfeld erst herrichten. Dana Niemann, Expertin für Arbeits- und Gesundheitsschutz, erklärt, worauf man dabei achten sollte.
Frau Dr. Niemann, wie können Menschen, die häufig zu Hause arbeiten, eine gesunde Arbeitsumgebung schaffen?
Wenn Menschen häufig und eben nicht nur gelegentlich von zuhause arbeiten, dann ist es wichtig, sich zunächst einen speziellen Arbeitsplatz zu schaffen, an dem sie sich wohlfühlen sowie konzentriert und produktiv arbeiten können. Dies kann ein eigener Raum oder ein spezieller Bereich sein, der möglichst mit ergonomischen Arbeitsmitteln eingerichtet ist.
Natürlich können auch persönliche Gegenstände am Arbeitsplatz dekorativ platziert werden, um eine persönliche Note einzubringen und die Arbeitsmotivation zu erhöhen. Fotos, Poster oder Pflanzen können dazu beitragen, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen, letztere verbessern zusätzlich das Raumklima.
Was ist bei der Einrichtung zu beachten und was ist dabei besonders wichtig?
Idealerweise sollte dieser Raum gut beleuchtet und gut belüftet sein. Tageslicht und eine Kombination aus direktem und indirektem Licht können dazu beitragen, die Augen zu schonen und eine angenehme Arbeitsumgebung zu schaffen.
Es ist auch wichtig, ergonomische Arbeitsmittel zu verwenden. Ergonomische Stühle und Tische können individuell an die Körpermaße angepasst werden. Die Sitzhöhe und Rückenlehne des Stuhls sollten flexibel einstellbar sein, den Lendenwirbelbereich gut stützen und bis zur Mitte der Schulterblätter reichen. Armlehnen entlasten neben den Armen auch den Nacken und Schulterbereich. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch erlaubt nicht nur die individuelle Anpassung an die Körpergröße, sondern auch die Arbeit im Stehen.
Bei der Platzierung des Computers oder Laptops sollte der Bildschirm in einer Höhe positioniert werden, die es ermöglicht, den Kopf und den Nacken in einer neutralen Position zu halten. Die Tastatur sollte in einer Höhe platziert werden, die eine natürliche Arm- und Handhaltung ermöglicht. Wird ausschließlich mit einem Laptop gearbeitet, empfiehlt es sich, einen externen Monitor und eine gesonderte Tastatur zu verwenden. Eine externe Maus kann ebenfalls hilfreich sein, um eine bequeme Handposition zu gewährleisten. Der Laptop kann zudem als zweiter Bildschirm genutzt werden, was in Zeiten von digitalen Meetings und komplexeren Aufgaben die Arbeit erleichtern und effizienter gestalten kann.
Wenn mit einem Laptop gearbeitet wird, kann ein Laptop-Ständer oder eine Erhöhung genutzt werden, um den Bildschirm auf Augenhöhe zu bringen. Eine günstige Option ist, Bücher oder einen Schuhkarton zu verwenden, um den Laptop zu erhöhen.
Langes Sitzen führt häufig zu Verspannungen, Rücken- und Nackenbeschwerden. Wie können diese vermieden werden?
„Immer die nächste Position ist die Beste“: Dieses Prinzip besagt, dass man im Sitzen oder Stehen ständig seine Körperposition ändern sollte, um keine dauerhafte Belastung auf bestimmte Muskeln und Gelenke auszuüben und um Muskelverspannungen und Schmerzen zu vermeiden. Eine starre Position über einen längeren Zeitraum kann dazu führen, dass sich der Körper an diese Haltung gewöhnt und Muskeln und Gelenke unnatürlich belastet werden.
Es ist also wichtig, regelmäßig die Sitzposition zu verändern, um eine einseitige Belastung des Körpers zu vermeiden. Dabei können zum Beispiel verschiedene Sitzpositionen oder auch das Wechseln zwischen Sitzen und Stehen helfen. Wenn möglich, sollten auch kurze Pausen eingelegt werden, um sich zu dehnen oder zu bewegen.
Grundsätzlich gibt es aber keine „falsche“ Sitzposition, solange man darauf achtet, regelmäßig die Position zu wechseln und eine aufrechte Haltung beizubehalten. Allerdings sollten Positionen vermieden werden, die zu einer unnatürlichen Krümmung der Wirbelsäule führen oder bei denen der Druck auf bestimmte Körperbereiche zu groß ist, da dies langfristig zu Schmerzen und Verspannungen führen kann. Eine aufrechte Haltung bedeutet, dass die Wirbelsäule in ihrer natürlichen S-Form gehalten wird, wobei Kopf, Nacken und Schultern in einer Linie ausgerichtet sind. Diese hilft dabei, den Druck auf die Wirbelsäule und die Belastung der Muskeln und Gelenke zu minimieren. Wer den Stuhl häufiger durch einen Gymnastikball eintauscht, bleibt ebenfalls in Bewegung und aktiviert verschiedene Muskelgruppen. Mit einem Bügelbrett kann sogar ein Steharbeitsplatz eingerichtet werden.
Bei langen Sitzphasen ist es wichtig, regelmäßig aufzustehen und sich zu bewegen. Pausen sollten genutzt werden, um sich zu entspannen, zu strecken oder zu dehnen. Das verbessert die Durchblutung und lockert die Muskeln.
Mithilfe der 40-15-5-Regel kann mehr Bewegung ganz einfach in den Arbeitsalltag integriert werden. Dabei sitzen die Mitarbeitenden 40 Minuten dynamisch in wechselnden Körperhaltungen, gehen danach 15 Minuten lang zum dynamischen Stehen über. Dabei wechseln sie wiederholt das Standbein und verlagern ihr Gewicht regelmäßig. In den letzten fünf Minuten werden gezielte Bewegungen wie Dehnung, Mobilisation et cetera umgesetzt.
Welche Entspannungsübungen und Bewegungen können mit wenig Aufwand in den Arbeitstag integriert und im Homeoffice ausgeführt werden?
Es gibt sogenannte Mikrointerventionen. Das sind einfache, kurze Übungen, die mobilisieren, entspannen oder auch kognitiv aktivieren. Jede Kurzpause kann mit einer anderen Übung gestaltet werden und Bewegungen so über den Tag variiert werden. Es empfiehlt sich, alle 45 bis 60 Minuten aufzustehen und sich zu bewegen.
Daneben können Mitarbeitende leicht kleinere körperliche Übungen in ihre tägliche Routine einbauen, wie Kniebeugen oder Ausfallschritte beim Kaffee ziehen oder Tee machen.
Die Verwendung einer Fitness-App oder eines Schrittzählers kann helfen, die täglichen Schritte zu verfolgen und sich zu mehr Bewegung zu motivieren. Beim Telefonieren können Mitarbeitende umhergehen und dadurch mehr Schritte im Alltag sammeln. Man kann sich aber auch angewöhnen, jede Stunde ein Glas Wasser zu trinken, dabei aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen.
Nach dem Mittagessen empfiehlt sich ein kurzer Verdauungsspaziergang, um die Durchblutung anzuregen und den Körper zu aktivieren. Ein kurzer, zehnminütiger Spaziergang kann auch helfen, sich wieder besser zu konzentrieren.
Die morgendliche Radtour zum Arbeitsplatz fällt bei der Arbeit im Homeoffice weg. Was kann man tun, um fit und gesund zu bleiben?
Auch wenn Mitarbeitende im Homeoffice keinen Arbeitsweg zurücklegen müssen, ist es dennoch ratsam, einen kurzen Spaziergang in der Wohngegend vor Arbeitsbeginn, in der Mittagspause und/oder nach Arbeitsende einzubauen. In erster Linie erhöht ein Spaziergang die körperliche Aktivität und trägt somit auch zur Gesundheit bei. Ein kleiner Spaziergang vor und nach der Arbeit kann aber auch dazu beitragen, die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit zu verbessern. Durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes in das eigene Zuhause verschwimmen oft die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, was zu einer Vermischung der Aktivitäten und möglicherweise zu einer Überarbeitung führen kann. Indem man sich vor Beginn der Arbeit und nach Ende der Arbeit Zeit nimmt, um sich von der Umgebung des Homeoffices zu entfernen, kann man eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit schaffen. Dies kann helfen, den Kopf freizubekommen, Stress abzubauen und dabei auch für mehr Bewegung zu sorgen.
Wer beruflich viel sitzt, sollte gerade in seiner Freizeit auf ausreichend Bewegung achten, um Haltungsproblemen, Verspannungen oder gar chronischen Schmerzen entgegenzuwirken. Regelmäßiges Training, Spaziergänge oder andere sportliche Aktivitäten können helfen, den Körper zu mobilisieren, die Muskulatur zu kräftigen und die Haltung zu verbessern. Zudem kann Bewegung auch Stress reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden steigern.
Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle, um fit und gesund zu bleiben – das gilt natürlich auch für Mitarbeitende im Homeoffice. Es sollte auf ausgewogene und gesunde Ernährung geachtet werden, um den Körper mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen. Gerade der Homeoffice-Arbeitsplatz und die damit verbundene Alleinarbeit kann dazu verführen, Mahlzeiten vor dem Computer einzunehmen oder fortwährend bei der Arbeit zu snacken. Das Mittagessen sollte während einer ausreichend langen Pause in einem gesonderten Bereich des häuslichen Umfelds eingenommen werden, um den erholenden Effekt einer Pause zu nutzen.
Auf Flurgespräche oder einen gemeinsamen Kaffee mit den Kollegen, um dem „Nachmittagsloch“ zu entgehen, muss man im Homeoffice verzichten. Wie kann man sich selbst motivieren? Wie schafft man es, auch zu Hause konzentriert zu arbeiten?
Im Homeoffice – gerade morgens – kann es schwierig sein, in den Arbeitsmodus zu kommen oder abends abzuschalten. Daher ist es wichtig, klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen und Rituale aus dem Büroalltag beizubehalten. Routinen helfen dabei, in den Arbeitsmodus zu kommen. Wenn man sich daran gewöhnt, zur gleichen Zeit aufzustehen, zu arbeiten und Pausen einzulegen, wird es einem leichter fallen, motiviert zu bleiben. So sollte man morgens zum Beispiel frühstücken oder eine Tasse Kaffee trinken, sich für den Arbeitstag fertigmachen und wie bei einem normalen Arbeitstag kleiden. Auf diese Weise signalisieren wir dem Körper, dass es Zeit ist, produktiv zu sein. Ein Arbeitsplan mit klaren Aufgaben, Zielen und Pausenzeiten kann helfen, die Arbeit überschaubar zu gestalten und Prioritäten zu setzen.
Auch wenn Flurgespräche oder der gemeinsame Kaffee mit den Kollegen im Homeoffice wegfallen, so sollten soziale Kontakte dennoch aufrechterhalten werden. Sozialer Kontakt ist wichtig für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Ein Telefonat mit Kolleginnen und Kollegen oder auch ein informelles Online-Meeting als virtuelle Kaffeepause kann dazu beitragen, das Gefühl der Isolation zu verringern. In der Nachbarschaft gibt es vielleicht auch weitere Personen, die in ähnlicher Weise arbeiten. Der Zusammenschluss in einer nachbarschaftlichen Community kann helfen, sich gegenseitig zu motivieren, Unterstützung zu bieten und Pausen gemeinsam bewegungsfördernd zu gestalten.
Für alle, die zu Hause arbeiten, sind der Computer oder der Laptop, aktuelle Aufgaben und Projekte, E-Mails, die auf Antworten warten, immer in der Nähe. Wie können Privat- und Berufsleben in der häuslichen Umgebung getrennt werden?
Es ist wichtig, eine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben zu schaffen, um ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit zu erreichen. Sollte kein separates Arbeitszimmer zur Verfügung stehen, sollte mindestens ein ruhiger Bereich geschaffen werden, der speziell für die Arbeit reserviert ist. Die räumliche Trennung kann durch dekorative Raumteiler unterstützt werden.
Nicht nur aus energietechnischen Gründen, sondern eben auch aufgrund der Work-Life-Balance ist es wichtig, Arbeitsgeräte wie Computer oder Laptop auszuschalten, wenn Mitarbeitende ihre Arbeit für den Tag beendet haben. Am Ende des Arbeitstages sollten die Arbeitsmaterialien wieder ordentlich verstaut und der Laptop außer Sichtweite gelegt werden. Dies hilft dabei, die Arbeit zu einem Ende zu bringen und sich auf die Freizeit zu konzentrieren. Idealerweise sollten die Arbeitsmaterialien ausschließlich im räumlichen Arbeitsbereich verwendet werden, um eine Überschneidung mit den Freizeitbereichen in den eigenen vier Wänden zu vermeiden.
Es gibt zudem Mobiliar, das dem ständigen Blick auf die Arbeit entgegenwirkt. Sekretäre oder Wandschreibtische sind beispielsweise platzsparende und praktische Lösungen für das Homeoffice, insbesondere für kleinere Wohnungen oder Räume. Sie bieten Arbeitsfläche und Stauraum, um alle notwendigen Materialien aufzubewahren, können aber nach getaner Arbeit einfach geschlossen oder eingeklappt werden, um ein aufgeräumtes und ordentliches Arbeitsumfeld zu schaffen. So wird eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit hergestellt und der Arbeitsplatz kann schnell in einen Wohnraum verwandelt werden.