Sie zählt zu den erfolgreichsten Künstlerinnen Europas: Katie Melua. Auf ihrem neuen Album „Love and Money“ singt sie ergreifende Popsongs über Liebe, Schwangerschaft und den Klimawandel.
Frau Melua, „Love and Money“ spielten Sie im Sommer 2022 in Peter Gabriels innovativen Real World Studios im englischen Dorf Box ein. Wie ist es, an einem solchen Ort Musik aufzunehmen?
Es ist ein so ikonischer Ort mit dem größten Regieraum, in dem ich je gewesen bin. Ich war schon in einigen ziemlich coolen Studios auf der ganzen Welt, aber das Real World ist exklusiv. Außerdem gibt es da dieses riesige Fenster im Kontrollraum, das auf einen Teich hinausgeht. Ich wollte, dass diese Platte wirklich eine positive Sicht auf das Leben hat, wie bestimmte schöne Momente. Für mich bedeutet das oft, in der Natur zu sein. In einem Studio aufzunehmen, das so nah an der Natur liegt, war einfach die perfekte Lösung.
Der Begriff „Blue-Sky-Record“ fiel immer wieder in den Gesprächen mit Produzent Leo Abrahams. Was war damit gemeint?
Wenn man in England lebt und mal blauen Himmel hat, ist das außergewöhnlich. Meine letzte Platte entstand vor dem Hintergrund einer Trennung, einer ziemlich schwierigen Zeit in meinem Leben. Während ich diese Platte machte, hatte ich mich ganz unerwartet wieder verliebt. Dadurch habe ich erkannt, wie wichtig es ist, wirklich Zeit mit der Familie zu verbringen. Ich hatte wegen Covid praktisch aufgehört, um die Welt zu touren. Ich war deshalb in der Lage, mich intensiver mit all den positiven Dingen in meinem Leben zu beschäftigen, und wollte, dass das auch auf der Platte zu hören ist. Der blaue Himmel ist eine Art Würdigung meiner Familie, der Liebe und des Lebens.
Zu der Zeit der Studiosessions waren Sie noch mit Ihrem Sohn schwanger. Wie hat sich das auf Ihre Stimmung während der Aufnahmen ausgewirkt?
Zu Beginn war ich besorgt, weil ich nicht wusste, ob ich während der Schwangerschaft krank sein würde. Aber ich hatte dann sehr glückliche andere Umstände und war so zuversichtlich wie schon lange nicht mehr. Ich wusste nicht, ob sich das auf meinen Gesang auswirken würde, aber es war dann eine so positive Kraft in meinem Leben. Vielleicht wäre es schwieriger gewesen, wenn ich eine traurigere Platte mit melancholischen Liedern gemacht hätte.
In „First Date“ erzählen Sie vom Vater Ihres Kindes, der Ihnen bestimmte Ratschläge gegeben hat für Ihr Wohlbefinden. Haben Sie sich daran gehalten?
Oh ja. Ich habe auf ihn gehört und nicht zu viel nachgedacht. Die Worte in diesem Lied sind eine Art Dialog mit mir selbst. Denn ich hatte diese Blockade, weil ich mir nicht sicher war, ob lange Beziehungen etwas für mich sind, also romantische. Mir wurde ja schon einmal das Herz gebrochen. Der Song sagt mir, dass ich loslassen und die Gefühle akzeptieren soll, die ich hatte, als ich meinen neuen Partner traf.
Sie müssen momentan sehr glücklich sein, wenn Sie Ihrem neuen Partner so viele Songs widmen. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber was ist diesmal anders?
Ich glaube, ich habe in meinem bisherigen Leben eine Menge gelernt. Als Frau ist die Frage, ob man Kinder kriegen soll oder nicht, eine große. Aber vielleicht auch als Mann. Ich habe meiner Arbeit immer Priorität eingeräumt. Als ich jung war, bedeutete es für mich als Frau sehr viel, unabhängig zu sein und mein eigenes Geld zu verdienen. Diese Art zu leben hat definitiv dazu beigetragen, dass ich eine Scheidung durchgemacht habe. Dann kam Covid, und mir wurde klar, dass ich wirklich umdenken musste. Außerdem hatte ich das Glück, einen wunderbaren neuen Menschen kennenzulernen, der einen großartigen Sinn für Humor hat. Er liebt sich selbst und ich liebe es, in seiner Energie zu sein. Er hat eine wirklich coole Ausstrahlung. Wir hatten Glück, glaube ich.
Ihr Album heißt „Liebe und Geld“. Gehören diese beiden Dinge zusammen?
Nun, das tun sie natürlich nicht direkt. Aber Geld ist so wichtig, dass es die Welt in Schwung bringt. Es sorgt für eine Art Vertrauenssystem zwischen den Menschen. Ich erwähne die Welt des Geldes, denn als meine Familie mit mir als Kind Georgien verließ, gab es einen großen sozialen und wirtschaftlichen Unterschied zwischen dem Ort, den wir verließen, und dem Ort, an den wir zogen. Natürlich sind viele von uns, die diese Entwicklungsländer verlassen haben, die Versorger der zurückgebliebenen Familien in der Heimat. Aber das Wichtigste, was ich mit „Liebe und Geld“ sagen will, ist, dass es zwar ein Akt der Großzügigkeit ist, Geld an Verwandte zu schicken, aber er bezahlt nicht das Geschenk des Lebens. Ich habe das Gefühl, dass meine Familie in Bezug auf die Sicherheit, die sie mir gegeben hat, und die positive Einstellung, die sie mir beigebracht hat, sehr großzügig war.
Es gibt Statistiken, die zeigen, dass Ehen, in denen nicht so viel über Geld gesprochen wird, häufiger geschieden werden.
Aha. (lacht) Okay, da haben Sie es. Interessant. Sehr gut. Danke für den Hinweis, das werde ich vielleicht für das nächste Interview verwenden.
Zu „14 Windows“ ließen Sie sich von Dr. Mike McPhillips inspirieren. Der Londoner Psychiater hat Ihnen 2010 dabei geholfen, wieder in sicheres Fahrwasser zurückzufinden, und entpuppte sich dabei als Seelenverwandter. Aber zwölf Jahre später nahm er sich das Leben.
Ich war so schockiert, als ich davon hörte, ich mochte ihn so sehr. Er hat mir extrem geholfen, als ich 2010 krank war. Mike McPhillips galt als einer der besten Psychiater in London, wenn nicht sogar im gesamten Vereinigten Königreich. Er gab mir in all den Jahren so wunderbare Ratschläge. Er wollte immer, dass ich einen Seelenverwandten finde. Ich hatte ihn zwei Jahre lang nicht gesprochen, und als ich schwanger wurde, wollte ich ihn anrufen. Aber ich bekam die Nachricht, dass er leider verstorben ist. Psychische Gesundheit ist ein großes Thema, und ich bin sehr froh, dass man heute mehr darüber spricht als noch 2010. Es ist so wichtig, aufeinander zu achten und sich der Probleme der psychischen Gesundheit bewusst zu sein.
Wie hat Dr. McPhillips Ihnen damals helfen können?
Er war mein leitender Berater, als ich im Krankenhaus war, und hat sich um mein gesamtes Programm gekümmert: die Gesprächstherapien, die Medikamente, die ich zwei Jahre lang bekam. Nachdem ich das Krankenhaus nach sechs Wochen verlassen hatte, ging ich regelmäßig zu ihm zur Gesprächstherapie. Und er hat die Maßnahmen zum Absetzen der Medikamente durchgeführt. Anschließend sah ich ihn einmal pro Jahr. Dr. McPhillips war wirklich gut darin, die richtigen Medikamente und Therapien für mich zu finden. Ich habe viele Leute an seine Praxis empfohlen.
Sie müssen damals wirklich ernsthafte psychische Probleme gehabt haben.
Ja. Ich hatte keine Depressionen, sondern einen kurzen akuten psychotischen Zusammenbruch und war dann sechs Wochen lang im Nightingale-Krankenhaus hier in London. Zwei davon waren ziemlich alptraumhaft. Diese Art von Krankheit würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen. Mich davon zu erholen, war das Beste, was mir je passiert ist. Etwas so Schreckliches hinter sich zu lassen, ist schon außergewöhnlich. Es hat mir bewusst gemacht, wozu dein Geist fähig ist und wie mächtig er ist. Meine Familie hat mich damals so sehr unterstützt und mir so viel Kraft gegeben.
Auf „Love and Money“ zollen Sie der amerikanischen Schriftstellerin, Essayistin und Klimagerechtigkeitsaktivistin Mary Annaïse Heglar Tribut. Was beeindruckt Sie an ihr?
Sie gehört zu dieser neuen Generation junger Erwachsener, die sich in großem Maße für den Klimaschutz einsetzen. Ich zolle ihr Tribut, weil sie so inspirierend ist. Mary Annaïse Heglar hat einen eigenen Podcast, schreibt einen Blog über Umweltthemen und führt Kampagnen durch. Ich bin Musikerin und keine Politikerin oder Aktivistin, aber als Erdenbewohnerin mache ich mir natürlich Sorgen um die Umwelt. Covid und der Krieg in der Ukraine haben dieses Thema leider verdrängt. In meinem Song „Reef“ geht es um die Tränen, die man vergießt, wenn so viel Schlimmes passiert und man nicht weiß, wohin man seine Energie stecken soll. Es ist einfach großartig, dass wir Menschen wie Mary haben, die sich dieses wichtigen Themas annehmen und dabei bleiben.
Sie haben einen Kurs in kreativem Schreiben an der berühmten Faber Academy in London absolviert. Was haben Sie dort gelernt?
Ich war daran interessiert, mehr über das Schreiben von Texten meines Fachgebiets zu erfahren. In meinem Bereich ist die musikalische Seite fortgeschrittener und kreativer als die lyrische. Zumindest was die Ausbildung angeht. Also wollte ich zu verschiedenen Bereichen der Wortschreibräume gehen.
Ich habe dann einen Online-Kurs an der Berkeley University absolviert und einen Literaturkurs an der Faber-Akademie. Ich habe dort etwas über Charaktere und Sichtweisen gelernt, Textentwicklung und Bearbeitung. Die Amerikanerin Flannery OConnor ist seitdem meine Lieblingsautorin.
Wie streng sind Sie mit sich selbst, wenn es darum geht, Ihre eigenen Maßstäbe zu erfüllen?
Nun, manchmal war ich zu streng zu mir selbst. Der Überperfektionismus kann tatsächlich ein Hindernis sein. Wenn ich schon ein Blue-Sky-Album mache, dann darf der Prozess auch blauer Himmel sein und nicht zu perfektionistisch. Ich glaube, dass Künstler sich verbessern wollen, weil sie das, was sie vorher gemacht haben, nicht kopieren können, selbst wenn es etwas wirklich Gutes war. Man muss immer etwas Neues bieten.
Haben Sie auch als Mutter noch das Gefühl, stets produktiv sein zu müssen?
Ich bin mir bewusst, dass ich dieses Gefühl habe, aber ich versuche, es zu stoppen. Das Wichtigste ist jetzt die Erziehung meines Sohnes zu einem glücklichen, gesunden, schönen Jungen. Ich möchte ihm und meiner Familie den größten Teil meines Herzens und meiner Seele geben. Ich hatte Angst, bevor ich Sandro hatte, dass ich das eine dem anderen opfern muss. Aber jetzt, wo ich ihn habe, spüre ich, dass Mutter zu werden mir so viel Selbstvertrauen und Kraft gegeben hat. Es ist natürlich, ihm all meine Liebe zu geben, und er hat mir viel Inspiration zurückgegeben. Die Arbeit wird in gewisser Weise leichter.
In „Those Sweet Days“ geht es um die Freude, die sich einstellt, wenn wir uns erlauben, uns zurückzulehnen und einfach mal gar nichts zu tun. War es schwierig, eine gute Work-Life-Balance zu finden?
Das war eine sehr schwierige Sache. Aber Covid hat alles verändert. Ich habe in den letzten Wochen viele Interviews geführt, aber nur eines pro Tag. Vor Covid wäre ich in all diese verschiedenen Länder gereist. Das Reisen kann sehr anstrengend sein. Ich versuche jetzt, freie Wochenenden zu haben.
Und das funktioniert auch?
Ganz genau. An den meisten Tagen arbeite ich nur noch bis etwa 18 Uhr. Und dann ist Zeit für die Familie. Mein Partner und ich machen etwas zu essen und schauen einen Film. Abends und am Wochenende nehme ich mir jetzt frei.