Der legendäre Liedermacher und politisch oft provokante Sänger wurde in den 60er- und 70er-Jahren zum Star der links-alternativen Berliner Szene. Später widmete er sich auch dem Volkslied und der plattdeutschen Mundart. 2022 brachte der heute 82-Jährige ein neues Album heraus.
Zu seinem 80. Geburtstag veröffentlichte Hannes Wader 2022 nach siebenjähriger Plattenpause mit „Noch hier – Was ich noch singen wollte“ wieder ein Studioalbum, bei dem ihn langjährige musikalische Freunde begleiteten, nicht zuletzt Reinhard Mey, mit dem er Ende der 60er-Jahre durch Berliner Kneipen getingelt war. Die Platte erreichte schnell Platz 17 der deutschen Albumcharts: So weit vorne landete noch kein früheres Wader-Album.
„Mir hat das Singen gefehlt. Gesang ist Seelenhygiene“, verriet der Liedermacher anlässlich der Plattenveröffentlichung der „Hannoverschen Zeitung“. „Ich stehe glücklicherweise aber nicht mehr im Wettbewerb. Ich kann singen, was ich will.“ Als er für die Plattenproduktion wieder seine Gitarre in die Hand genommen habe, sei die „Kraft zurückgekommen, auch die Klarheit im Denken und die Gedanken an die Lieder, die ich noch singen möchte!“ Thematisch lässt ihn die Liebe auch im fortgeschrittenen Alter nicht los. „Aber es geht auch um Mut und Hoffnung!“ Denn mit dem neuen Album wollte Wader auch die vergangenen Jahre hinter sich lassen, die durch schwere Krankheit und private Probleme geprägt waren. Dazu gehört auch die 2021 erfolgte Trennung von seiner zweiten Frau Cordula Fink, mit der er 35 Jahre lang verheiratet war und zwei gemeinsame Kinder hat. Seitdem wohnt Wader, zuvor 25 Jahre in einer ostfriesischen Windmühle zu Hause, wieder in seiner Heimatstadt Bielefeld, wo er sich auf dem Friedhof des Stadtteils Kirchdornberg bereits eine Grabstelle gekauft hat.
Brauchte direkte Reaktionen

Von der Bühne hatte Wader sich 2017 verabschiedet und war mit einem leisen „Macht’s gut“ von der Bühne des Berliner Tempodroms gegangen, weil er zunehmend „der Jahre Schwere“ gefühlt habe. Was ihm im Alltag noch ganz ordentlich gelinge, sei ihm bei Auftritten zuletzt immer schwerer gefallen. Eine Sehnsucht nach der Bühne habe er deshalb nicht. Viele seiner Lieder gehören heute aber auch ohne Live-Auftritte zum Allgemeingut und sind Zeugen einer politisch bewegten Zeit: „Meine Lieder sind inzwischen allein in der Welt und brauchen mich nicht mehr“, blickt Wader zurück. Aber so richtig zur Ruhe kommen wollte er eigentlich nie, denn sein „einziger Hit“, das volksliedhafte „Heute hier, morgen dort“, sei ja durchaus ernst gemeint gewesen.
Er habe bei Auftritten nicht den Applaus gebraucht, sondern die Publikumsreaktionen „als unersetzliches Korrektiv“ bei neu entstehenden Kompositionen. Diese Rückkopplung fehle ihm heute, wenn er an neuen Liedern arbeitet. Allerdings benötige der „Volkslieddichter“ Wader heute oft Monate dafür und gesteht ein, dass seinen Werken möglicherweise die durch Bühnenerprobung gewonnene Ausgereiftheit fehle. Auch seine 2018 „auf zunehmenden Druck von außen“ erschienene Autobiografie „Trotz alledem. Mein Leben“ hat Wader viel Zeit gekostet. Zur Sprache kommt darin auch sein Engagement für den Sozialismus, das von 1977 bis 1991 zur Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) führte und ihm zeitweise sogar eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz einbrachte. Auch wenn er die gesellschaftskritischen, oft rebellischen Texte seiner frühen Lieder im Laufe der Zeit abgeschwächt hat, ist Wader immer links geblieben, sodass er derzeit „beunruhigt“ auf aktuelle politische Entwicklungen schaut: „Im Moment habe ich den Eindruck, dass sich alles nach Rechts bewegt, nicht nur in Deutschland“, klagt er und hofft, dass er aus seinem stimmungsmäßigen „Mega-Tief“ bald wieder rauskommt: „Ich will meinen alten Optimismus wiederhaben.“
Spielt gern Pétanque
Wader, der in späteren Karrierejahren immer mehr zum Volkssänger wurde, sich Verdienste um das Mundart-Volkslied erworben hat, gern aber auch Schubert-Lieder sang, ist nach seinem Bühnenabschied 2017 dann im September 2021 mit einem 90-minütigen Konzert doch wieder vors Publikum zurückgekehrt: Als Dankeschön dafür, dass seine Heimatstadt ihm an seinem früheren Schulweg einen Gedenkstein mit der Aufschrift „Hannes Wader Aue“ aufgestellt hat, spielte er einige seiner bekannten Lieder und las Texte aus seiner Autobiografie. Und 2024 sang er zusammen mit Reinhard Mey auf dessen Studioalbum „Nach Haus“ das von beiden 2022 anlässlich ihres 80. Geburtstages gemeinsam geschriebene Duett „Zwei Musketiere“.
Nach einer Zwischenstation in Kassel wohnt Wader seit 2021 wieder im Bielefelder Stadtteil Hoberge-Uerentrop, wo er immer noch ein paar alte Freunde hat. 2023 erhielt der vielfach geehrte Echo-Preisträger des Jahres 2013 seine jüngste Auszeichnung: Er bekam für seine Verdienste um den Dialektgesang den „Friedestrompreis“ des Rhein-Kreis Neuss und freute sich bei der Preisverleihung über die „seit dem Bühnenabschied seltener gewordene Begegnung mit früheren Freunden“, wie etwa dem Toten-Hosen-Sänger Campino, der bei Konzerten gelegentlich auch mal einen Wader-Song einbaut. In seiner Freizeit hat Wader in den vergangenen Jahren öfters an Pétanque-Turnieren teilgenommen und darüber 2006 sogar ein Lied geschrieben.