Das Saarland drückt bei Sichtbarkeit und Exzellenz aufs Tempo. Das gilt nicht nur für die Forschung, sondern auch für Start-ups. Geld dafür soll der Transformationsfonds bereithalten.
Eine exzellente Forschungslandschaft, jüngst stolz verkündete Unternehmensansiedlungen, mehr Lebensqualität – Erfolge beflügeln. Das Saarland ist in der unumgänglichen Transformation längst angekommen. Dabei geht es nicht nur darum, bestehende Arbeitsplätze in der Industrie zu erhalten, sondern auch neue zu schaffen, am besten auch mithilfe von Start-up-Unternehmen, die Wachstumspotenzial versprechen.
Die Zutaten sind gegeben: Hochschulen samt Spitzenforschungsinstituten, motivierte junge Menschen aus vielen Ländern, Förderinstrumente und Geld für Gründungswillige. Die Krux daran: Die Mischung muss stimmen. Wie bekommt man die vielversprechenden Geschäftsideen junger Menschen in die regionale Wirtschaft transferiert? Wo kann Neues entstehen? Wie will man die jungen Unternehmen im Saarland halten? Und vor allem: Welche Rolle könnte der Transformationsfonds dabei spielen?
Drei Milliarden Euro aus diesem Transformationsfonds sollen für die drei großen Bereiche Industrie, Infrastruktur und Innovation im Saarland in den nächsten zehn Jahren zur Verfügung stehen, davon allein 600 Millionen Euro zur Stärkung der Innovationsfähigkeit. Dazu zählen vor allem der Wissenschaftsstandort Saarland sowie die Umsetzung und Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse für die Wirtschaft, heißt es. Aus dieser Tranche wiederum stehen rund 250 Millionen Euro zur Verfügung, um Gründungswilligen neben allen anderen Förderinstrumenten zusätzlich unter die Arme zu greifen.
Bis zur Sommerpause sollen die Details unter den Finanzierungspartnern geklärt sein, wie vielversprechende Geschäftsideen im Saarland aus dem Fonds sinnvoll finanziell unterstützt werden können, so Jürgen Barke, Wirtschaftsminister des Saarlandes. Gründungswillige aus dem Deep-Tech-Bereich, in dem völlig neue Technologien entwickelt werden, benötigen in der Regel mehr Geld als beispielsweise Gründer aus klassischen Bereichen oder dem Handwerk; schon allein die Personalkosten für „kluge Köpfe“ sind immens hoch. „Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass gute Ideen dem Saarland verloren gehen. Gründungswillige sollen vor schnellen dritten Kapitalgebern eine Zeit lang besser geschützt sein“, erklärt der Wirtschaftsminister.
Die Fondsmittel sollen dabei helfen, effektive Strukturen zu unterstützen und die finanzielle Unabhängigkeit der Gründer zu erhöhen. Ein Umdenken müsse allerdings auch in den Unternehmen stattfinden, fordert Ralf Zastrau. Er leitet seit Kurzem die gemeinsame Gründungsgesellschaft der Saar-Uni, „Triathlon“. Der Transfer von der Hochtechnologie in die bestehende Wirtschaft sei nicht immer einfach und oftmals zeitintensiv. Geduld sei gefragt, auch um die richtigen Partner zu finden. Die jüngst im Februar an den Start gegangene Organisation bündelt alle Gründungsaktivitäten an der Universität des Saarlandes unter einem Dach. Hilfestellungen bei Fragen rund ums Gründen seien bitter notwendig, denn eine erstklassige Geschäftsidee mache noch lange keinen Unternehmer, betont Zastrau. Das beginnt bei der Vermittlung von Partnern in die Geschäftswelt und geht über Räumlichkeiten bis hin zu administrativen und kaufmännischen Aspekten. „Es war ein Kraftakt, 20 verschiedene Stellen, die sich mit Gründen in irgendeiner Form beschäftigt haben, an der Uni unter einen Hut zu bekommen.“
Pragmatismus und Geschwindigkeit
Im Saarland gibt es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums rund 3.000 Unternehmensgründungen im Jahr, von denen im Schnitt genauso viele pro Jahr wieder vom Markt verschwinden. Hinter dieser Zahl verbergen sich allerdings Start-ups, Übernahmen, Nachfolgeregelungen und klassische Gründungen jeglicher Art. „Auch wenn die Bedürfnisse bei Start-ups und klassischen Unternehmensgründungen unterschiedlich sind, stellen wir bei guten Erfolgsaussichten unabhängig davon Geld zur Verfügung, denn jedes Unternehmen kann top performen. Das wäre sonst auch höchst ungerecht“, erklärt Jürgen Barke. Er betont aber, dass jegliche Form von finanzieller Unterstützung, ob als Darlehen oder Zuschuss, einer Prüfung standhalten müsse. „Wir geben keine Zuschüsse an verlorene Unternehmen und werden aus dem Fonds nicht willkürlich Gelder verteilen. Wir leisten Hilfestellung jeglicher Art, aber zu den unternehmerischen Herausforderungen gehört, auch andere von der Idee zu überzeugen.“
Als zu kleinteilig, zu unübersichtlich und zu deutschlastig, sprich bürokratisch, gelten die vielen Förderinstrumente nach Ansicht vieler Gründungswilligen im Saarland. Mirjam Schwan leitet den Technologietransfer der saarländischen Hochschule für Technologie und Wirtschaft (HTW). Sie sieht eher einen Vorteil darin, dass es im Saarland eine so breit aufgestellte Gründerförderung mit vielen Akteuren gibt. Es müsse vielmehr der Fokus darauf gelegt werden, die Standortvorteile überregional besser zu kommunizieren und die Gemeinsamkeiten zu betonen. „Warum sollen wir es nicht schaffen, Start-ups auch ins Saarland zu holen?“ Ralf Zastrau sieht sogar eine Entwicklung, dass insbesondere im Deep-Tech-Bereich Start-ups in der Fläche entstehen. „Das ist eine Chance für das Saarland, denn die Großstädte sind in der Regel bei der Lebenshaltung teuer und potenzielle Fachkräfte extrem knapp.“
Junge Menschen zu überzeugen, hier zu bleiben oder hierherzukommen – dabei helfen könnte die Erhöhung der Sichtbarkeit und der Exzellenz im Saarland. „Die jüngsten Ansiedlungserfolge, die eingeleitete grüne Transformation mit regenerativen Energien und Wasserstoff sowie die allmählich greifende Tourismusstrategie zeigen, dass das Saarland ein guter Ort zum Arbeiten, Wohnen und Leben ist“, zeigt sich Barke von den Standortvorteilen überzeugt, verlangt aber auch ein höheres Selbstbewusstsein der Saarländerinnen und Saarländer, diese Qualitäten positiv nach außen zu tragen.
Ein Wermutstropfen sei allerdings die Willkommenskultur in ganz Deutschland. Hier müssten alle Fortschritte erzielen, um qualifizierte Fachkräfte auch aus Nicht-EU-Ländern ins Land zu holen. Insbesondere der Bund sei hier gefordert, das Einwanderungsrecht entsprechend zu ändern. „Wir haben hochqualifizierte Menschen aus dem Ausland bei uns, die ihre Ideen nicht umsetzen können, weil sie aufgrund fehlender Aufenthaltstitel kein Geld bekommen“, betont Mirjam Schwan. Ähnlich sieht das Maximilian Wolf, der den Technologietransfer des Cybersicherheits-Instituts Cispa leitet. Wolf bemängelt, dass die Bürokratie für viele ein Hindernis sei. Nach dem Motto „Where the f*** is Lebach?“ hätten einige schon Schwierigkeiten, überhaupt ans Cispa in Saarbrücken zu kommen. So pessimistisch aber will Michael Schmidt von der Saarländischen Investitionskreditbank und der KBG Kapitalbeteiligungsgesellschaft das nicht im Raum stehen lassen. Zwar seien die Strukturen insgesamt betrachtet „sehr deutsch“, aber Businesspläne und Anträge könnten inzwischen auf Englisch eingereicht werden. „Es sollte uns zu denken geben, dass viele hochqualifizierte Ausländer in den letzten Jahren trotz Brexit einen großen Bogen um Deutschland gemacht haben“, sagt der Wirtschaftsminister. Das Saarland sei weltoffen, müsse das Land pragmatisch weiterentwickeln und einfach schneller sein als andere. „Das Produktversprechen muss allerdings passen.“ Der Underdog mit angestaubtem Kohle-, Stahl- und Zulieferer-Image tut vieles dafür, sich in einen Hidden Champion zu verwandeln.