Anna Loos ist bekannt als Schauspielerin und war Frontfrau der Band Silly. Am 2. Juni erscheint mit „Das Leben ist schön“ ihr zweites Solo-Album. Im Interview spricht die 53-Jährige über ihre zerbrechliche Seite, ihr Verhältnis zur digitalen Welt und ihre Pläne für die Zukunft.
Anna, Dein zweites Solo-Album trägt den Namen „Das Leben ist schön“ – wieso dieser Titel?
Weil ich das so empfinde. Selbst wenn alles schiefläuft, bin ich ein Typ, der die Zuversicht hat, dass morgen die Sonne wieder rauskommt. Und wenn nicht morgen, dann übermorgen. Und das Leben ist einfach schön. Punkt. So ist es.
Du teilst auf dem Album sehr offen deine Gefühle.
Für mein erstes Album „Werkzeugkasten“ wollte ich eine Art Reise machen in die Vergangenheit und bei Punkten stoppen, die mich besonders bewegt haben. Und für dieses Album hatte ich mir vorgenommen, in meine Gefühlswelt zu schauen und ein paar Momente und Gedanken zu beschreiben. Eine andere Seite von mir zu zeigen. In meinem Umfeld bin ich immer die „starke Anna“, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und für jedes Problem eine Lösung hat. Aber es gibt eben auch Tage, da fühle ich mich wahnsinnig zerbrechlich und weiß nicht, woher ich die Zuversicht nehmen soll. Ich glaube, dass jeder Mensch so eine fragile Seite hat. Ich habe gelernt, diese Momente zu nehmen, wie sie sind und nachzuschauen, woher die Traurigkeit kommt. Ich begreife diese Momente inzwischen als Zugang zu mir selbst. Dieses Tor, was sich da öffnet, gibt es bei jedem Menschen.
„Schatten“ ist zum Beispiel einer dieser sehr melancholischen Songs. War es schwer, diese Gefühle offenzulegen, wohl wissend, dass so viele Menschen es hören werden?
Leute, die mich zum Beispiel nur als Kommissarin kennen, sind oft erstaunt, wie lustig ich bin, wie viel ich lache. In meinem Freundeskreis denken immer alle: Bei Anna funktioniert immer alles, die Anna ist immer gut drauf. Ich wollte mal einen Song schreiben, wo ich mein anderes Ich auch zeige. Das war brutal schwierig, vor allem sich die Sachen selbst einzugestehen. Jetzt bin ich richtig stolz darauf, wie gut ich es geschafft habe, meine Gefühle wiederzugeben. Aber es war ein langer Weg.
Wie läuft bei dir der Prozess von der Idee zum fertigen Song ab?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Ideen werden komplett bei mir geboren – andere habe ich nur inhaltlich.
Manchmal kommt auch einer meiner Musiker mit einer Idee und die höre ich mir dann immer wieder an und plötzlich kriegt zum Beispiel ein Gitarren-Riff ein Thema, das sich nach vorne schiebt, als wäre es die ganze Zeit drin gewesen. Manchmal habe ich auch einen komplett fertigen Text im Kopf, sogar mit Melodie.
Wie geht es dann weiter?
Der Prozess des Songschreibens selbst ist zwar anstrengend, aber auch schön. Die Arbeit im Studio ist auch extrem energieraubend und man muss viele Entscheidungen treffen. Wenn dann alles steht und man sich damit auf die Bühne stellen kann – das ist dann die Party!
Du hast jetzt beide Seiten erlebt – als Frontfrau einer Band und als Solo-Künstlerin. Gibt es eine Rolle, die dir besser gefällt?
In einer Band ist jeder gleichberechtigt, das birgt viel Diskussionspotenzial. Aber auch als Solo-Künstler ist man eigentlich nicht allein, man hat ein Team und eine feste Crew um sich herum. Das ist auch eine Art Familie, in der man Entscheidungen diskutiert. Aber als Solo-Künstler muss man manche Entscheidungen eben allein tragen und das kann mitunter schwierig sein. Es hat beides seine Vor- und Nachteile. Der große Unterschied ist, dass in einer Band etwas entsteht, was alle gemeinsam erschaffen. Solo kann man einfach machen, was man selbst will und das Produkt ist im besten Fall dann auch 100 Prozent authentisch.
Du bist ja nicht nur Sängerin, sondern auch Schauspielerin. Siehst du dich in einer Rolle stärker?
Ich mache beides gern und ich glaube, dass die Sachen eng miteinander verwandt sind. Ich liebe die deutsche Sprache und ich liebe es, mich mit Texten zu beschäftigen, egal ob in Form von Songtexten oder Rollentexten. Diese Reise, die man mit der Sprache nimmt, ist in beiden Berufen unterschiedlich, aber beide Male ganz, ganz toll.
Singst du deshalb auch lieber auf Deutsch?
Ich habe früher auch auf Englisch Musik gemacht. Aber ich habe irgendwann für mich beschlossen, dass ich nicht so viel Spaß daran habe, mit einer Sprache zu arbeiten, die nicht meine Muttersprache ist. Ich träume nicht auf Englisch, ich fühle nicht auf Englisch – im Deutschen habe ich das alles. Im Deutschen kann ich mich besser ausdrücken. Das ist die Sprache, in der ich zu Hause bin.
Gibt es ein Genre, das du beim Schauspielen bevorzugst?
Je abwechslungsreicher, desto besser. Das Schöne am Schauspielen ist, dass man immer eine neue Aufgabe hat und immer wieder etwas Neues lernen muss – sei es jetzt Stricken oder Kühe melken. Auch, wenn man eine feste Rolle hat, wie zum Beispiel bei Helen Dorn, die ich schon seit fast zehn Jahren spiele. Es ist immer eine schöne und neue Herausforderung, die einfach Spaß macht.
Mit Helen Dorn bist Du schon lange Kommissarin – was macht die Faszination Krimi aus?
Krimis funktionieren gut, weil die Leute mitraten können. Ein Krimi ist immer ein kleines Sozialdrama: Es gibt Täter und Opfer und es gibt ein Problem, das nicht gelöst werden kann, außer durch eine Tat. Man begegnet Menschen an irgendeiner Grenze in ihrem Leben. Das ist spannend – sowohl für uns als Schauspieler, als auch für die Zuschauer.
Mit deinem Mann Jan Josef Liefers teilst du die Liebe zur Musik und Schauspielerei. Welche Rolle spielt er bei deiner Arbeit?
Eine große. Wir teilen ja schon ein paar Jahre unser Leben miteinander und natürlich ist nicht immer alles nur von der Sonne geküsste, rosarote Zuckerwatte. Jeder hat seine eigenen Probleme. Wir arbeiten beide und teilen unsere Leben, es ergeben sich auf der Arbeit natürlich auch Konflikte, die man mit nach Hause nimmt. Wir kennen uns sehr gut und wissen von uns, wie wir funktionieren. Manchmal finden wir dann gemeinsam Lösungen.
Aber manchmal haben wir auch einen Knoten drin. Es ist nicht so einfach, Liebe und Familie mit Kindern und Alltag zu bewerkstelligen. Und auch da zählt am Ende: Das Leben ist schön. Auch wenn mal ein grauer Tag angeflogen kommt – der geht vorbei. Diese Zuversicht braucht man manchmal.
Ihr seid jetzt seit fast 20 Jahren verheiratet. Hast du ein Geheimnis für eine lange Ehe?
Ich glaube, ich bin in keiner Position, um Tipps zu geben. Wir versuchen es so gut zu machen, wie wir es eben können, ohne uns selbst zu verlieren. Das ist auch manchmal ein Kampf. Bestimmt geht es auch besser, als wir es machen, aber wir versuchen, die beste Version von uns zu sein.
Ihr habt viele gemeinsame Projekte, steht gemeinsam vor der Kamera. Wie gut lässt sich Privates und Berufliches trennen?
Das ist kein Problem – das ist ja unser Beruf. Man schlüpft in sein Kostüm und geht in die Maske und spielt, was in den Büchern steht. Ich drehe gerne mit meinem Mann, weil es auch eine Möglichkeit ist, Zeit miteinander zu verbringen. Normalerweise sind wir getrennt, wenn wir arbeiten. Aber wenn wir Arbeiten und Privatsein verbinden können, dann ist das ein Bonus.
Ihr habt zwei Kinder. Wie schaffst du es, all das – die unterschiedlichen Rollen, die Arbeit, die Familie – unter einen Hut zu bringen?
Wir machen natürlich Fehler, genau wie alle anderen Eltern auch. Das ist völlig normal und okay. Aber so anstrengend das ist, Kinder zu haben und sie groß zu ziehen, so schön auch das Geschenk, zu sehen, wie sie sich irgendwann in einen erwachsenen Menschen verwandeln und was für Potenziale sie haben. Ich empfinde es so, dass ich als Mutter viel Energie abgegeben habe, aber unendlich viel mehr Energie zurückbekomme. Ich glaube an die jungen Menschen und bin sehr zuversichtlich. Die neue Generation hat viele tolle Ideen und eine tolle Moral. Ich mache mir da keine Zukunftssorgen.
Deine Tochter Lilly macht auch Musik – war das dein Einfluss?
Die Kinder sind es gewohnt, mit Kunst in Berührung zu kommen. Ich finde es toll, was sie macht. Wir mischen uns da nicht ein, sie müssen ihren Weg gehen. Ich finde es wichtig, ihnen Wege aufzuzeigen und Möglichkeiten an die Hand zu geben, aber wie sie es dann machen, müssen sie selbst wissen. Sie müssen ihren Weg allein gehen, in ihrem eigenen Tempo. Und das machen sie gut.
In der heutigen Zeit beschäftigen wir uns viel mit Oberflächlichkeiten, mit Dingen, die uns eigentlich langweilen. Das thematisierst du auch in einem Song auf deinem Album. Was ist dir wichtig im Leben?
Wir leben heute einfach in einer ganz anderen Zeit. Früher hat man sich mit seinen Freunden im Park getroffen und nicht ständig auf sein Handy geschaut. Das Internet ist toll, es ist eine geile Erfindung und alles, was daraus entsteht, ist spannend. Die Entwicklung lässt sich nicht mehr zurückdrehen – und ich glaube, das möchte auch keiner wirklich. Aber am Ende des Tages gibt es echte Beziehungen und echte Gespräche und echte Freundschaften, bei denen man sich in die Augen schaut und nicht anonym unterhält. Richtige Freundschaften, Familie – richtige Verbindungen – sind unglaublich viel wert. Und zwar nicht digital durch ein Like, sondern durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse. Ein anderer Aspekt ist, dass die Menschen durch die medialen Angebote mitunter verlernen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das ist aber wichtig, sonst verliert man sich. Die Gefahr ist heutzutage größer als früher.
Wie ist Dein Verhältnis zu den sozialen Medien?
Die Tools an sich sind toll. Durch die Präsenzen im Netz kann man sein eigener Herausgeber sein, die Inhalte selbst bestimmen und entscheiden, wie man mit den Leuten interagiert. Gerade für einen Künstler ist das sehr wertvoll. Aber das Internet ist auch nur eine Blase. Ich orientiere mich lieber in der Realität. Man kann sich zwar die ganze Welt anschauen, aber ich finde es total wichtig, trotzdem seine Koffer zu packen und andere Kulturen und andere Menschen kennenzulernen und Zeit mit Freunden zu verbringen. Die Begegnung mit echten Menschen, mit echter Natur ist etwas anderes als am Computer. Das darf man nicht vergessen.
Du hast klassisches Ballett gelernt und hattest Gesangsunterricht bei einer Opernsängerin. Später hast du dann in einer Punkband gesungen. Wie erklärst du diese Gegensätze?
Ich liebe einerseits die klare Form, die strengen Regeln, die Klassik. Ich liebe aber auch das Aufbegehren. Die Pubertät ist eine Zeit, in der man sich abnabeln und lösen muss von dem, was einen umgibt, damit man sich entwickeln kann. Je liberaler das Umfeld ist, desto klarer muss man die Grenzen ziehen, um sich abzusetzen. Da ist eine Punkband doch naheliegend. (lacht)
War deine Flucht aus der DDR mit 17 auch ein Teil dieses Abnabelungsprozesses?
Genau. Es mag auf den ersten Blick wie eine mutige Entscheidung aussehen, aber eigentlich war es eher eine Trotzreaktion. Ich wollte selbstbestimmt sein und mir nicht sagen lassen, welche Ausbildung ich machen soll. Mein Leben kam mir im Osten zu limitiert vor. Ich war wütend –
mit einer gehörigen Portion Naivität – und habe mir gesagt: Dann gehe ich halt, das müsst ihr ohne mich machen.
Du sagst heute von dir selbst, dass du angekommen bist und Frieden mit dir selbst gefunden hast. Was bedeutet Ankommen für dich?
Ich bin nicht mehr 24 Stunden am Tag damit beschäftigt, auf die Außenwelt zu reagieren. Ich nehme mir bewusst Zeit für mich und plane Pausen ein. Ich bin ein großer Fan von Meditation und Yoga. Außerdem versuche ich, einen Zugang zu mir zu haben, zu verstehen wie ich funktioniere und warum. Nur wenn man sich selbst hinterfragt, kann man Dinge zum Positiven verändern.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich will noch ganz viel machen. Mein nächstes Ziel ist es jetzt erstmal, das Album auf die Bühne zu bringen. Ich will es musikalisch ein bisschen weiterspinnen, als ich das bis jetzt gemacht habe. Ich will nicht ein Lied nach dem anderen spielen, sondern eine kleine musikalische Reise kreieren. Und filmisch entwickle ich gerade mit meinem Mann zusammen unser erstes eigenes Konzept. Das werden wir dann zusammen spielen. Wir haben einen tollen Autor gefunden und ich bin schon sehr gespannt, wie das funktioniert. Und ich habe noch tausend weitere Projekte im Kopf …