Die schwedische Schauspielerin Alicia Vikander spricht über ihren Film „The Assessment“, anstrengende Dreharbeiten, warum sie vom Ballett zum Film wechselte und was sie bei einem Mann am meisten schätzt.

Mrs. Vikander, einer Ihrer aktuellen Filme, „The Assessment“, ist ein dystopischer Science-Fiction-Film, in dem Eltern beweisen müssen, dass sie es wert sind, ein Kind zu bekommen. Wie war es, als sie ihn zum ersten Mal sahen – was ging da in Ihnen vor?
Es war sehr interessant, wie Fleur aus den vielen Takes „The Assessment“ zu einem großen Film zusammengefügt hat. Ich war sehr neugierig darauf, was sie auswählte, wo sie geschnitten hat und wie die Filmmusik eingesetzt wurde. Für mich sind aber die Vorbereitungen auf die Rolle und dann natürlich die Dreharbeiten am Wichtigsten. Es ist immer etwas ganz Besonderes, wenn wir alle – Cast und Crew – am Set zusammenkommen und gemeinsam darum ringen, wie wir die Geschichte erzählen wollen. Erst dann entsteht eine Atmosphäre, in der die einzelnen Szenen lebendig werden. Das hat mitunter schon etwas Magisches.

Sie spielen die Gutachterin Virginia, die Frau, die zukünftige Eltern darauf testet, ob sie überhaupt dafür qualifiziert sind, ein Kind zu bekommen. Was hat Sie an der Rolle so fasziniert, dass Sie sie spielen wollten?
Ich konnte das Drehbuch zu „The Assessment“ einfach nicht aus der Hand legen. Und das passiert mir selten, wenn ich Scripts lese. Was mich besonders überrascht hat, war der Thriller-Aspekt der Story. Ich habe mir dann auch alle Kurzfilme und Musik-Videos angesehen, die Fleur gemacht hatte und war besonders von ihrem kompromisslosen visuellen Stil fasziniert. Ich hatte das Gefühl, dass sie genau wusste, was sie tat. Dieses Selbstbewusstsein hat mich sehr beeindruckt. Auch deshalb wollte ich diesen Film unbedingt mit ihr machen.
Wie kamen Sie damit zurecht, dass Sie während der Dreharbeiten mit Ihrem zweiten Kind schwanger waren? Immerhin spielten Sie ja eine ziemlich schreckliche Rolle, in der Sie auch ein böses, unfolgsames Kind imitieren mussten, um die potentiellen Eltern zu testen, ob sie das überhaupt aushalten würden.
Das war schon eine emotionale Herausforderung. Die Küchenszene – in der ich Teller und Tassen herum schmeiße, mit dem Essen kleckere und mich wirklich ätzend benehme – ist wirklich furchtbar. Ehrlich gesagt, war ich davor sehr nervös und hatte auch große Bedenken, mich vor allen Augen so gehen zu lassen. Aber dann habe ich einfach alle Hemmungen über Bord geworfen und losgelegt. Es gehört viel Mut dazu, sich vor der Kamera so ungefiltert zu geben. Es hat aber auch etwas Befreiendes. Wenn ich ehrlich bin, haben mich die Dreharbeiten physisch und emotional doch sehr ausgelaugt.
Wie regenerieren Sie sich nach einem anstrengenden Drehtag?
Ich kann, Gott sein Dank, sehr gut abschalten. Wenn ich das Set verlassen habe, führe ich ein ganz normales Alltagsleben. Ich kümmere mich um meine kleinen Kinder, um meinen Mann und koche für die ganze Familie. So hole ich mir wieder Kraft für den nächsten Drehtag.

Sie sind seit gut 15 Jahren sehr erfolgreich im Filmgeschäft unterwegs. Gibt es da Filme, die so etwas wie ein Markstein für Sie waren?
Oh ja, da gibt es einige Filme, die in meiner Entwicklung als Schauspielerin durchaus eine Schlüsselposition haben. Zum Beispiel mein erster Film, „Die innere Schönheit des Universums“, den ich noch auf Schwedisch gedreht habe. Da war ich gerade einmal Anfang zwanzig. Diesen Film sah der britische Regisseur Joe Wright, der mir daraufhin eine Rolle in „Anna Karenina“ gab, wo ich an der Seite von Keira Knightley und Jude Law spielen durfte. Das war ein echter Karriereschub. Danach klingelte das Telefon ziemlich regelmäßig. Dann hatte ich mit „Ex Machina“ den internationalen Durchbruch. Ein Jahr später habe ich für meine Rolle in „The Danish Girl“ den Oscar als Beste Nebendarstellerin bekommen. (lacht) Das kann ich bis heute kaum glauben. Damals war ich gerade einmal 28 Jahre alt.
So ein Oscar beflügelt doch sicher.

Natürlich. Das hat mein Leben total verändert. Und es hat mir auch gezeigt, dass ich als Schauspielerin wohl auf dem richtigen Weg war. Allerdings war das kein „Über-Nacht-Erfolg“, wie viele meinten. Ich bin nämlich sehr langsam, von Film zu Film, in diesen Beruf hineingewachsen. In all der Zeit habe ich viel über und durch das Schauspielen gelernt. Da ich ja nie auf einer Schauspielschule war, habe mir mehr oder weniger alles durch Learning by Doing beigebracht. Ganz nebenbei konnte ich mir auch sehr genau anschauen, wie das Filmbusiness so funktioniert – was mir sehr geholfen hat, nicht unter die Räder zu kommen. Da fällt mir noch ein Film ein, den ich sehr gerne gemacht habe, nämlich „Tomb Raider“. Für so einen Film wäre ich als Teenager auch gerne ins Kino gegangen. Für die Rolle der Lara Croft musste ich körperlich topfit sein und habe dafür sehr hart trainiert, unter anderem auch monatelang Martial Arts und Jiu Jitsu. Gerade dieser physische Aspekt hat mir sehr gefallen. Da konnte ich nämlich meine Tanz- und Ballettausbildung sehr gut mit einbringen.
Sie sind vom Ballett zum Film gewechselt – warum eigentlich?
Ich war neun Jahre lang sehr gerne Ballett-Tänzerin, unter anderem beim Royal Swedish Ballet in Stockholm. Und ich habe einige Jahre in verschiedenen Opern und Musicals getanzt. Aber irgendwann, ich muss so um die 18 gewesen sein, war mir das tägliche Training – manchmal vier Stunden und mehr – einfach zu viel. Ich wollte nicht mein ganzes Leben diesem ultraharten Training unterwerfen. Außerdem hat es mir nicht mehr genügt, Geschichten nur mit meinem Körper zu erzählen. Ich sehnte mich nach Worten. Ich will als Schauspielerin Menschen mit meinem Körper und mit meinen Worten berühren. Sie zum Lachen und zum Weinen bringen. Und zum Träumen. Das treibt mich an.

Nach welchen Kriterien wählen Sie denn Ihre Filme aus?
Das Wichtigste ist für mich der Regisseur. Denn mit ihm gehe ich ja für die Dauer der Dreharbeiten eine kreative Beziehung ein. Zumindest hoffe ich das. Und meistes ist das ja auch der Fall. Die besten Regisseure machen übrigens am wenigsten, greifen also am wenigsten ein. Denn sie haben alles schon vorher visualisiert und vor allem auch die richtige Cast und Crew zusammengestellt. Wenn mich ein Regisseur lesen kann – also das, was ich vor der Kamera mache, versteht – und ich im Umkehrschluss begriffen habe, was er mit dem Film sagen will, dann kann es zu einem intellektuellen und emotionalen Austausch kommen, von dem wir beide profitieren. Das ist dann immer sehr stimulierend.
Sie sagten einmal, dass Sie bei einem Mann emotionale Intelligenz am meisten schätzen – das trifft wohl auch auf Regisseure zu, oder?
(lacht) Absolut! Miteinander zu kommunizieren ist doch der Schlüssel zum Erfolg.
Wie definieren Sie eigentlich Erfolg?
Das tun zu können, was ich will. Es hat etwas gedauert, bis ich mir diese Position erarbeitet hatte. Aber seit ich mir meine Projekte aussuchen kann, ist das sehr befriedigend.
Fällt es Ihnen leichter, Frauen darzustellen, die Ihnen ähnlich sind– oder ist das eher ein Handicap?
In solchen Kategorien denke ich überhaupt nicht. Ich versuche, bei jeder Rolle zuerst das Herz der Figur zu finden. Was macht sie im Wesentlichen aus? Was ist die Essenz ihres Charakters? Was hat sie für Emotionen, Ängste und so weiter? Vor der Kamera versuche ich dann ihr ganzes Wesen auszudrücken, so gut ich kann. Und dabei ist es übrigens völlig zweitrangig, ob es eine eher komödiantische Figur ist, wie die Geheimagentin, die ich in „Codename U.N.C.L.E.“ gespielt habe, oder die Androiden-Frau Ava aus „Ex Machina“.
Einen wichtigen Film müssen wir noch erwähnen, nämlich „The Light Between Oceans“, wo Sie vor gut zehn Jahren mit Michael Fassbender vor der Kamera standen. Mittlerweile sind Sie verheiratet und haben zwei Kinder …
Das stimmt. Doch darüber möchte ich mich eigentlich nicht weiter auslassen. Denn mein Privatleben war mir schon immer sehr wichtig. Und Michael geht es da genauso. Nur so viel: ich liebe es, Mutter zu sein und für meine Familie da zu sein. Und ich liebe es zu arbeiten. Zum Glück kann ich das alles unter einen Hut bringen.