Europäische digitale Innovationshubs (EDIH)unterstützen kleine und mittlere Unternehmen in ihrer Digitalisierung. Die Anforderungen sind vielfältig, die Experimentierfreude auch mit Künstlicher Intelligenz ist spürbar, sagt Attique Bashir vom saarländischen EDIH.
Herr Bashir, was leistet das EDIH?
Bei uns geht es immer um Fragen der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, sei es im Büro, in der Produktion oder an anderer Stelle im Betrieb. Das EDIH ist ein von der Europäischen Union und vom saarländischen Wirtschaftsministerium gefördertes Projekt. Darin haben sich mehrere Partner versammelt: ZeMA, AWSi, East Side Fab, Saaris und DFKI. Unser Knowhow, das wir durch Forschungsprojekte aufbauen, tragen wir in die Wirtschaft. Wenn Unternehmen Fragen haben, leiten wir diese intern weiter, sodass sich die jeweiligen Experten, die am besten dafür geeignet sind, mit dem Unternehmen in Verbindung setzen. Die Unterstützung geschieht dank der öffentlichen Förderung für kleine und mittlere Unternehmen und den öffentlichen Sektor kostenlos. Egal ob Produktions- und Bürodigitalisierung, wir sind offen für alle Branchen. Das kann KI-gesteuerte Angebots- und Rechnungsstellung sein, Content-Generierung fürs Marketing, Qualitätsanalysen, Risikominimierung mithilfe von Datenauswertungen, Prozessautomatisierung und so weiter. Wir können in unserem sehr breiten Netzwerk, das hinter uns steht, für so gut wie jedes Digitalisierungsproblem einen Experten finden.
Welche Unternehmen und Einrichtungen kommen zu Ihnen?
Es interessieren sich viele Unternehmen und Einrichtungen für unser Angebot, unser Fokus liegt vor allem auf kleinen und mittleren Unternehmen, Start-ups und Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Die Bandbreite ist groß. Dazu gehören Betriebe, die gerade erst ein Produkt entwickelt haben, es auf den Markt bringen wollen. Aber auch klassische produzierende Unternehmen oder Dienstleister, die allesamt mit dem Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz weiterkommen wollen. Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung fragen beispielsweise häufig Themen rund um die Bürodigitalisierung an. Neben der konkreten Unterstützung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen fördern wir den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor, um ein nachhaltiges Innovationsökosystem für Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und IT-Sicherheit zu schaffen. Daher bringen wir bei unseren Vernetzungsformaten Vertreter aus genau diesen Gruppen zusammen.
Können Sie einen konkreten Fall beschreiben, in dem Sie weiterhelfen konnten?
Wir hatten eine Anfrage, um eine Prozessautomatisierung zu evaluieren. Es handelte sich um Kleinstteile, die als Schüttgut angeliefert und von Hand vorsortiert werden, um dann metallurgisch gehärtet zu werden. Ziel sollte sein, diesen Prozess mithilfe eines Roboters zu automatisieren. Das Problem hierbei war, dass die Bauteile sehr komplexe Geometrien aufwiesen und nicht so einfach von einem Roboter mit Zweifinger-Greifer gegriffen werden konnten. Wir haben uns Produkt und Prozess angeschaut und diesen dann am ZeMA nachgebildet. Es ging darum, mit Kameratechnik die Bauteile richtig zu erkennen und einen erweiterten Greiferprototyp zu bauen, der die Bauteile sicher greifen und platzieren kann. Unternehmen haben nicht mal eben Zugriff auf einen Testroboter oder können solche Prototypen bauen. Hier kommen wir dann ins Spiel, denn hier im ZeMA stehen diese Roboter für genau solche Zwecke.
Was geschah danach?
Das Unternehmen im konkreten Fall hat Gespräche aufgenommen mit Partnern, die den Roboter-Prozess im industriellen Maßstab aufbauen können. Sobald es konkret wird und das Unternehmen Geld investieren möchte, können wir ebenfalls weiterhelfen. Denn zu unserem Knowhow gehört auch das Wissen darüber, wo und wie Fördergelder akquiriert werden können. In der Regel begleiten wir den Digitalisierungsprozess von der Idee über die Machbarkeitsstudie bis zum Prototypen. Die Umsetzung und Integration, die letztlich oftmals auch mit Investitionen ins Unternehmen einhergeht, geht dann vom Unternehmen aus.

Haben Sie noch ein Beispiel?
In einem anderen Projekt mit einem Handwerksbetrieb ging es um KI. Die konkrete Frage: Es sollte eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, um zu schauen, ob man Unternehmenswissen digitalisieren und über ein KI-Sprachmodell abrufen kann. Und auch hier konnten wir zeigen, es geht. Mit unserem Knowhow haben wir ein Open-Source-Modell dafür erstellt, der Kunde aber brauchte eine Integration, die mit Microsoft-Produkten funktioniert. Die Mitarbeiter haben eine Schulung von uns erhalten, wie sie mit KI-Modellen wie ChatGPT umgehen können. Die Firma nutzt nun ein eigenes, etwas modifiziertes GPT-Modell dafür, auch fürs Marketing auf Social-Media-Plattformen.
Müssen die Betriebe, die zu Ihnen kommen, schon eine konkrete Vorstellung von dem haben, was sie digital umsetzen möchten?
Nein, Ideen, Problemstellungen zu digitalen Themen oder die Frage nach dem passenden Förderprogramm reichen, um sie mit uns zu besprechen. Wer sich noch keine Gedanken gemacht hat, für den bieten wir individuelle Potenzialanalysen, aber auch Infoveranstaltungen zu Themen wie Einsatz von KI oder Fördermöglichkeiten, Grundlagen-Workshops und Schulungen an, Handlungsleitfäden bis hin zu konkreten Fallanalysen, Machbarkeitsstudien und Prototypentwicklung, wie bereits beschrieben.
Wo sitzen die Impulsgeber für solche Innovationen, nur in der Geschäftsführung?
In der Regel sind es die Entscheider im Unternehmen, die zu uns kommen und mit uns Ideen und Innovationen diskutieren möchten. Hin und wieder hören wir aber auch, dass die Ideen aus der Belegschaft kommen, zum Beispiel, wenn die Azubis Ideen für das Lagermanagement erarbeitet haben und die Abteilungsleitung so beeindruckt ist, dass sie die Idee konkretisieren möchte. Woher genau die Ideen der Betriebe kommen, sehen wir nicht immer, aber wir versuchen in den Prozessen die Belegschaft, so sie damit befasst ist, mit einzubinden. So können wir sicherstellen, dass alle Beteiligten das Prozess-Knowhow besitzen und es weitergeben können und dass die Innovation nachhaltig im Unternehmen verankert wird.
Gibt es noch Skeptiker und weniger experimentierfreudige Unternehmen, insbesondere wenn es um Datenschutz oder Cloud-Computing geht? Also um die Frage, wo meine Daten abgelegt und wie sie geschützt sind?
Es spricht für ein mündiges Unternehmen, wenn es sich darüber Gedanken macht, ob sein Umgang mit Daten datenschutzkonform ist. Es gibt, so glaube ich, zwei Arten von Unternehmen: Die einen setzen auf eher konservative Technologien und wollen erst einmal keine großen Sprünge wagen, etwa mithilfe einer KI. Es gibt andere, die sehr experimentierfreudig sind, auch mit KI-Einsatz arbeiten möchten, und hier sind es meistens die Geschäftsführer, die diese innovativen Prozesse im Betrieb anstoßen. Sensibilität aber sehen wir bei Datenanalysen. Wir unterstützen auch bei der KI-Analyse von Kundendaten für die Unternehmens- und Marketingstrategie, und hier merken wir, dass die Unternehmen sehr auf rechtliche und ethische Aspekte achten.
Wie ist Ihr Eindruck: Wie schätzen die Unternehmen die Wichtigkeit von KI ein, zum Beispiel im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit?
Ich glaube durchaus, dass vielen Unternehmen, die zu uns kommen, bewusst ist, dass sie über digitale Methoden und KI verfügen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies gilt für große wie auch für kleinere Unternehmen, das möchte ich betonen. Dort entstehen oftmals Ideen, wie sie etwa KI einsetzen können, aber es gibt eine Lücke in der Umsetzung. Es fehlt an Digitalisierungsstrategien, an Zeit, personellen Ressourcen und Wissen. Hier können wir helfen und einspringen. Der Einstieg mithilfe unserer Schulungen hilft, das merken wir an den Reaktionen, der Nachfrage und vielfacher Überbuchung von Schulungen. Das Interesse und das Bewusstsein sind da, und daraus ergeben sich dann auch oft weiterführende Impulse im Unternehmen.