Barbara Meyn ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen privaten Hilfsorganisation „Ingenieure ohne Grenzen“, hat viele Außentermine, arbeitet oft noch in den Abendstunden und an den Wochenenden. Der Job ist für sie eine Herzensangelegenheit.
Barbara Meyn hatte schon früh einen starken Gerechtigkeitssinn und Empathie für andere. Während des Jura-Studiums beschäftigte sie sich mit philosophischen Themen rund um Recht und Gerechtigkeit, auch innerhalb von Systemen, und fragte sich: „Wie sollten wir den gesellschaftlichen Wandel gestalten, um Frieden zu schaffen?“
Die Welt besser zu machen, bedeutet in ihrer derzeitigen Funktion viel Kleinarbeit. Zu den Kernaufgaben von „Ingenieure ohne Grenzen“ zählt der Auf- und Ausbau der Grundinfrastruktur in Ländern des Globalen Südens. Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, indem ihnen zum Beispiel der Zugang zu sauberem Wasser oder Strom ermöglicht wird oder durch den Bau von Sanitäranlagen, Brücken oder Schulen. Auch erneuerbare Energien haben einen hohen Stellenwert. Kooperiert wird mit lokalen Hilfsorganisationen. Zu Barbara Meyns Aufgaben gehören Organisationsentwicklung, Netzwerkarbeit, Personalführung, Fundraising und Rechnungswesen. Projektkosten müssen berechnet, Material muss gekauft und Unterkünfte für die Freiwilligen müssen organisiert und Fachkräfte vor Ort eingebunden werden. Auch die laufenden Kosten der Geschäftsstelle wollen beglichen werden.
„Wir brauchen gute Leute“
Nur 14 festangestellte Mitarbeiter betreuen die knapp 1.000 ehrenamtlich Aktiven und über 4.300 passiven Mitglieder von Ingenieure ohne Grenzen Deutschland, die in 30 Regionalgruppen beziehungsweise verschiedenen Fachgruppen organisiert sind. Von Studierenden, vor allem der technischen Berufe, bis hin zu Ehrenamtlichen im Ruhestand ist alles vertreten.
Die Hilfsorganisation ist nahezu unabhängig von Zuwendungen der öffentlichen Hand. Die Finanzierung erfolgt über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Stiftungszuwendungen. „Wir brauchen aber nicht nur Geld, sondern auch gute Leute, die entsprechend ihrer Fähigkeiten eingesetzt werden“, erklärt die Juristin. Der klassische Einsatz der Aktiven dauert zwischen zwei Wochen und drei Monaten. Die deutschen Ingenieure und Ingenieurinnen helfen mit ihrem Know-how nicht nur, die Infrastruktur in den Ländern zu verbessern. Geboten werden auch zahlreiche Weiterbildungsprogramme, darunter Ausbildungen zum Sanitär- und Elektroinstallateur in Uganda. Erwähnenswert sei auch die „Sunrise Academy“ in Kenia, welche selbstständig vor Ort Perspektiven für junge Menschen in ländlichen Berufen bietet.
„Ingenieure ohne Grenzen“ hat auch Kooperationen mit Universitäten, unter anderem in Indonesien für Studierende entlegener Inseln, die anschließend mit wichtigem Know-how in ihre Heimat zurückkommen. Im Projekt von „Ingenieure ohne Grenzen“ soll über Workshops Wissen zur Technik und zum praktischen Umgang mit Fotovoltaik-Kleinanlagen vermittelt werden. Zusammen mit der ansässigen Ukrim Universität und in Kooperation mit bereits erfolgreichen Unternehmern werden Inhalte der Unternehmensgründung erarbeitet.
Die ehrenamtlichen Experten und Expertinnen waren bereits in über 30 Ländern weltweit aktiv, aber auch im Inland. Zwar zählt die Nothilfe nicht zu den Kernaufgaben von „Ingenieure ohne Grenzen“, trotzdem halfen Ehrenamtliche etwa beim Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. In Integrations-Projekten in Deutschland unterstützen sie seit Jahren Geflüchtete aus aller Welt. Neue Perspektiven werden in der „Ingenieure ohne Grenzen“-Challenge erarbeitet, einem Wettbewerb, der in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen erfolgt. An der Challenge 2021/22 nahmen rund 1.000 Studierende von elf Hochschulen aller Fachrichtungen teil. Sie setzten sich mit Problemstellungen aus der Entwicklungszusammenarbeit, aus den Bereichen Globalisierung, Klimawandel, erneuerbare Energien, Rohstoffnutzung oder sozialer Ungleichheit auseinander und versuchten umsetzbare Lösungen zu entwickeln, etwa in Form von Prototypen, die zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen.
„Wir im Globalen Norden sollten in der Entwicklungszusammenarbeit keine Abhängigkeiten schaffen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe leisten“, findet die Juristin. Wichtig sei es, beratend zur Seite zu stehen und Lösungsansätze anzubieten. Bildung gehört für Barbara Meyn in dem Zusammenhang zu den wichtigsten Aufgaben überhaupt. Sie ist der felsenfesten Überzeugung: Bildung hilft Menschen selbstbestimmt ihren Weg zu gehen, egal ob in einem hochindustrialisierten oder in einem Schwellenland. Sie selbst kommt aus dem Bildungsbürgertum, hat klassische berufliche Pfade beschritten. Obwohl sie schon in der zehnten Klasse mit einem Jurastudium liebäugelte, wollte sie erst einmal etwas Solides lernen und entschied sich für eine Banklehre. Das anschließende Jurastudium bezeichnet sie als eine Generalisten-Ausbildung mit vielen Optionen. Schließlich würden Juristen in allen Lebenslagen gebraucht.
Sie spezialisierte sich zunächst unter anderem auf französisches Recht, Medienrecht, rechtliche Fragen im Bereich Theater oder Sport. Später auf Stiftungs- und Steuerrecht. „Immer über den Tellerrand gucken“, lautet eine ihrer Devisen. Eine andere „lebenslanges Lernen“. Im Laufe der Zeit stieg sie immer stärker ins Management ein. Zu ihren Aufgaben gehören Controlling und Organisationsentwicklung. Sie arbeitete für soziale Bildungseinrichtungen, etwa als Geschäftsführerin der „SchlaU-Schule“ in München, einer Bildungseinrichtung, an der junge Geflüchtete ihre Berufsschulpflicht absolvieren können.
Sie will Brücken schlagen
Das Gemeinnützigkeitsrecht begleitet Barbara Meyn schon ihr Leben lang. Sie durchlief diverse Stationen. Während des Referendariats beschäftigte sie sich mit Recht und Theater, Recht und Kultur, durchlief Stationen im Sozial- und Kulturreferat der öffentlichen Hand Westfalen, im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, wo sie später als Assistentin der Geschäftsführung einstieg, im Berliner Büro der Robert Bosch Stiftung und im Bundesverband deutscher Stiftungen. Inzwischen hat die Juristin viele Stiftungen und Stifter beraten, etwa hinsichtlich Management- und Personalfragen.
Wenn Menschen sich für andere einsetzen, findet sie das großartig. NGOs bedeuten für sie einen großen Mehrwert, diese machten mittlerweile auch in Deutschland einen Unterschied. Barbara Meyn will Brücken schlagen und den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitgestalten.
Im nächsten Jahr feiert „Ingenieure ohne Grenzen“ 20-jähriges Bestehen. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört es weiterhin, die Ehrenamtlichen gut einzubinden. Jeder könne etwas tun und sich fragen, welche Kompetenzen er habe und was er bewegen kann. Dabei geht sie selbst mit gutem Beispiel voran und ist nicht nur beruflich, sondern auch privat in den unterschiedlichsten Strukturen aktiv. Etwa im Schiedsausschuss des Deutschen Spendenrates.
Im gemeinnützigen Sektor engagiert sie sich als Anwältin. „Jeder kann Impulsgeber sein. Jeder kann vor seiner eigenen Haustür mit realistischen Beitragsmöglichkeiten anfangen“, glaubt sie. Lösungen entwickelten sich oft im Kleinen. Die Juristin plädiert dafür, die Zivilgesellschaft und Wohlfahrtsysteme aktiv in den gesellschaftlichen Gestaltungsprozess einzubinden, denn sie ist überzeugt: „Der Staat kann nicht alles leisten.“