Hang zum Luxus beweist Katar auch auf dem Teller. Feine Lokale übertrumpfen sich dabei, neue Drehs für kulinarische Klassiker zu finden. Das sorgt für ein Feuerwerk auf der Zunge.
Traditionell, aber dennoch innovativ und gern mit einem Schuss Größenwahn! Mit dieser Mischung lockt Katar Einheimische und Gäste in fantasievolle Restaurant-Tempel – und auch honorige Köche aus der ganzen Welt folgen dem Ruf in den Wüstenstaat. Sie sollen den Spagat schaffen, die Küche des Emirats mit Raffinesse, Safran, Kardamom und Co. – und mit reichlich Butterschmalz (Ghee) – zum (Dahin-)Schmelzen zu bringen. Unsere Autorin hat zum Fine Dining drei Restaurants in Doha besucht und dabei auch das Geheimnis hinter einigen delikaten Gerichten erfahren.
Wer sein Restaurant „Jiwan“ nennt (katarisch für „Die perfekte Perle“), verspricht Perfektion. Die Autorin, die lediglich weiß, dass sich das Restaurant im vierten Stock des Nationalmuseums von Katar befindet, stellt zunächst einmal fest: Es ist perfekt versteckt. Keine Werbung, keine große Ausschilderung weisen den Weg durch das Bau-Ensemble, das einer Sandrose in den Dünen der Wüste nachempfunden ist. Wer das „Jiwan“ dann gefunden hat, genießt schon vom Eingang aus erst mal vor allem eins: den perfekten Ausblick. Durch die breite Glasfront zur riesigen Terrasse sind der Persische Golf und die imposante Skyline von Doha zu sehen. Wird da das Essen zur Nebensache?
Nicht wirklich. Dafür sorgt ein französischer Chefkoch aus dem Gourmet-Imperium von Koch-Ikone Alain Ducasse, der eine moderne Interpretation der traditionellen katarischen Küche auf die Teller bringt. Im sandfarbenen Ambiente versunken, studiert man dessen Speisekarte, die sich per QR-Code auf dem Handy öffnen lässt. Mit dem „Jiwan Menu“, das aus mehr als einer Handvoll Gängen, zwei alkoholfreien Cocktails und einem Heißgetränk besteht und umgerechnet rund 70 Euro kostet, ist man gut dabei. Dafür geht man auf eine ergiebige Reise durch die Landesküche.
Spiel mit verschiedenen Texturen und Aromen
Bevor die Appetizer kommen, gibt es eine kleine Einstimmung zum Dippen: eine Zucchini-Minze-Paste sowie eine Paprika-Granatapfel-Petersilien-Paste. Nach dem Gruß aus der Küche machen Hackbällchen aus indischen Kichererbsen mit saurem Joghurt-Koriander-Dip sowie dreieckige Teigtaschen mit Halloumi-Füllung Lust auf mehr – genau richtig für das Highlight unter den Vorspeisen: Ein eher unscheinbar aussehendes Auberginen-Törtchen überrascht als Geschmacksknaller. Da muss man gleich mal nachfragen, was drinsteckt.
„Das Geheimnis sind getrocknete Früchte und Arganöl“, verrät Chefkoch Morgan Perrigaud. „Auberginen werden zunächst geschält, in dicke Scheiben geschnitten und im Ofen weichgegart. Die Scheiben kommen dann auf ein Joghurt-Bett. Darüber wird eine Marinade aus Arganöl, getrockneten Aprikosen, Walnüssen, gelben Rosinen und Granatapfelkernen gekleckst und mit frischen Kräutern garniert.“ Das Spiel mit verschiedenen Texturen und Aromen ist genau sein Ding. Auch seine Kreation von Rote Bete auf Gelbe-Bete-Mus hat wieder einen extravaganten Dreh: sie ist mit Frischkäsebällchen garniert, die der Hammer sind. Zu deren Zusammensetzung verrät Perrigaud diesmal nur so viel: „Die Käsecreme wird im Ofen mit Rosmarin geräuchert.“
Sein folgendes „Cumin Madruba“ entpuppt sich als ein pikantes Lamm-Gericht, bei dem das Fleisch so lange geklopft und gekocht wird, bis es sich mit eingeweichtem Bulgur, Schwarzkümmel, Kardamom, Gewürznelken, Tomaten und Ghee zu einem Brei vermischt. Es ist das Soul-Food der Kataris, nur dass Perrigaud Bulgur statt Reis verwendet.
Mancher dürfte jetzt schon satt sein. Dabei kommen die Hauptgerichte erst noch: Hinter „Hammour“ verbergen sich einheimische Fische aus dem Golf (das können elf verschiedene Arten sein), die hier mit knusprigem Blumenkohl und einer Mango-Curry-Soße auf den Tisch kommen. Es folgt zarte Rinderbrust mit Kartoffelvierteln und Salat. Ein Dessert geht immer – nur dass es beim „Jiwan-Menu“ doppelt so üppig wie gewohnt ausfällt. Nach einer Puddingcreme aus Himbeeren und Rosenwasser kommt eine zweite Runde mit einer Art Zitronensorbet. Die Überraschung: Es ist nicht aus Zitrone gemacht, sondern aus Loomi. „Das sind getrocknete Limetten, eine typische Zutat der katarischen Küche“, erklärt Naima Ettahi, Reiseführerin aus Doha. „Sie sind so groß wie Walnüsse und haben äußerlich auch fast die Farbe. Doch im Inneren sind sie schwarz.“ Trocknen muss man Loomis nicht selbst, die gibt es bereits fertig auf den Gewürzmärkten zu kaufen. Wer einen Gang runterschalten möchte, weil ihm das Menü zu mächtig erscheint, kann das sicher tun. Aber Vorsicht: Sich selbst weniger Gänge zusammenzustellen, kommt einen viel, viel teurer.
Nur ein paar Blocks vom „Jiwan“ entfernt und auf halbem Weg zum Stadium 974 – benannt, kein Witz, nach der Telefon-Vorwahl von Katar – lädt am Ende der Strandpromenade (Corniche) das „Bayt Sharq“ zu authentischer Katar-Küche. Statt mit Meerblick punktet die Location hinter hohen Mauern mit einem grünen Innenhof, der etwas von einem Garten Eden hat. Wer sich dort auf Salate und Appetizer stürzt, landet einen Volltreffer. Weit vorne: der Tabouleh-Salat (umgerechnet rund zwölf Euro), der einem Berg aus frisch gehackter Petersilie gleicht. Man kennt ihn vor allem aus der libanesischen und syrischen Küche, doch im „Bayt Sharq“ schmeckt er irgendwie noch frischer und intensiver als sonst.
Einer der Kellner zählt auf, was alles drin ist: Tomaten, Granatapfel, Zitronensaft, Olivenöl, Granatapfelsaft. Doch da muss es noch ein Geheimnis geben. „Der Tabouleh ist mit Linsen gemacht, üblich sind sonst als Grundlage Bulgur oder Couscous“, fällt Reiseführerin Naima Ettahi auf. Das wäre eine Erklärung. Weitere Vorspeisen sollte man unbedingt probieren: Hummus- und Rote-Bete-Creme (Geheimnis: mit pürierten Mandeln), Samboosa-Teigtaschen gefüllt mit Zwiebeln, Kartoffeln oder Fetakäse für je umgerechnet elf bis zwölf Euro.
Die Preise im „Bibo“ sind gepfeffert
Noch Platz im Bauch? Dann sollte es eine Madrooba (21 Euro) sein. Hier wird sie als traditioneller Reisbrei mit Hühnchen zubereitet. Falls danach immer noch eine Kleinigkeit hineinpasst, unbedingt als Nachtisch Luqaimat (elf Euro) kosten. Das sind kleine donutähnliche Bällchen – sehr süß, aber lecker.
Auf dem Weg Richtung Katara Cultural Village in Dohas Norden lohnt sich ein Abstecher ins „Bibo“. Es wirbt damit, 2022 den ersten Platz unter allen europäischen Restaurants Katars belegt zu haben. Der Laden soll einer Tapas Bar nachempfunden sein – nur selbstverständlich drei Nummern größer. Dass sich der spanische Inhaber Dani Garcia auf der ganzen Welt inspirieren ließ, merkt man schon bei den Vorspeisen. Meisterhaft gekocht, aber preislich gepfeffert: Mexikanische Guacamole (22 Euro) neben südamerikanischer Ceviche (18 Euro), italienische Burrata (18 Euro) neben koreanischem Kimchi vom Blumenkohl und Brokkoli (13 Euro). Es schmeckt nach einem Best-of der Weltküche.
Wer sich danach wie im kulinarischen Himmel fühlt, kann ruhig mutig einen Wein bestellen. Denn der ist im Bibo auf Nachfrage erhältlich. Ein Glas Merlot kostet allerdings umgerechnet 22 Euro. So eine Alkohol-Lizenz haben nur wenige Restaurants in Katar. Der Wein passt perfekt, wenn man sich für „Costilla de Ternera“ (54 Euro) als Hauptgang entscheidet – ein langsam gekochtes Rindersteak, das auf einer riesigen Rippe serviert wird. Dazu gibt es Blumenkohlpüree und gegrillten Spargel.
Ein weiteres Highlight unter den Hauptgerichten: Eine Art Risotto mit Garnelen und Pilzen, das cremig und knusprig zugleich schmeckt (Arroz de setas y langostinos, 40 Euro). Ein Muss, bevor man geht, ist „Helado Nitro“, eine Eiscreme, die auf einem Wagen vor dem Tisch mit Stickstoff aufgeschlagen wird. Die Show gibt es nicht umsonst. Umgerechnet noch einmal 24 Euro kostet diese süße Nebelvorführung zum Abschluss des Abends.