Benedict Hollerbach fühlt sich wohl bei Union – und das zahlt er mit Toren und Leistung zurück. Aber wie lange noch? Ein Abschied im Sommer ist nicht ausgeschlossen.

Die Saison neigt sich dem Ende entgegen, was man auch an den deutlich zunehmenden Transfer-Spekulationen erkennen kann. Auch rund um den 1. FC Union Berlin gibt es Gerüchte und Getuschel. Oft handelt es sich dabei um Benedict Hollerbach, dem vielleicht begehrtesten Spieler im Kader der Eisernen. Der 23-Jährige hat mit neun Treffern und drei Torvorlagen maßglichen Anteil daran, dass Union zwischenzeitlich nicht noch mehr in Abstiegsgefahr geraten war. Dass er mit den starken Leistungen auch seinen eigenen Marktwert gesteigert hat, weiß Hollerbach. Dass seine Chancen auf Europacupspiele oder gar eine Einladung zur Nationalmannschaft als Union-Profi nicht gerade gut sind, weiß er auch. „Ich habe sehr hohe Ziele. Ich muss schauen, welche Möglichkeiten ich habe, die zu erreichen“, sagte der Offensivspieler: „Ich verlange von mir, am Maximum zu sein im Training und im Spiel. Deswegen muss es im Umfeld passen, dass ich am Maximum spielen kann.“
„Deswegen muss es im Umfeld passen“
Mit diesen Worten ist klar: Hollerbach vermeidet ein klares Bekenntnis zu Union, er lotet seine (Wechsel-)Möglichkeiten aus. Medienberichten zufolge sollen englische Clubs und aus der Bundesliga, vor allem Borussia Mönchengladbach, stark interessiert sein. „Hollerbach ist ein richtig guter Junge. Wir gucken natürlich, wie wir uns in der nächsten Saison aufstellen“, sagte kürzlich Gladbachs Sportchef Roland Virkus: „Aber wie bei vielen Clubs ist das Portfolio davon abhängig, ob wir uns für Europa qualifizieren.“ Die Fohlen werden die internationalen Plätze verpassen, was einen Wechsel dorthin für Hollerbach sicher deutlich weniger attraktiv machen dürfte. Zumal fraglich ist, ob die Borussia das Geld für die Ablöse stemmen könnte.
Nach einem Bericht der „Sport Bild“ will Union Berlin bei einem Verkauf seines Top-Scorers mindestens zehn Millionen Euro einnehmen. In dem Fall wäre er nach Taiwo Awoniyi, der 2022 für 20 Millionen Euro zum englischen Premier-League-Club Nottingham Forest transferiert wurde, der zweitteuerste Verkauf der Club-Geschichte. Doch zehn Millionen Euro für einen jungen, schnellen und dribbelstarken Angreifer mit einer solchen Scorer-Ausbeute erscheint fast zu tief gegriffen. Zumal Hollerbachs bis 2027 laufender Vertrag Medienberichten zufolge keine Ausstiegsklausel beinhalten soll – weder in diesem noch im kommenden Sommer. Union muss Hollerbach also nicht verkaufen, wird es aber tun, sofern die Ablöse sich so gestaltet, dass der Club damit ein gutes Geschäft machen kann.
Vor knapp zwei Jahren war der gebürtige Starnberger vom damaligen Zweitligisten SV Wehen-Wiesbaden nach Berlin-Köpenick gekommen – für immerhin zwei Millionen Euro. Union investierte damals auch in die Zukunft und hat damit alles richtig gemacht. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit mit aufkeimenden Zweifeln erkämpfte sich Hollerbach – auch bedingt durch den Abgang einiger Sturmrivalen – zuerst einen Stammplatz. Dann machte er sich mit vielen starken Auftritten quasi unentbehrlich. Immer anspielbar, immer lauffreudig, oft torgefährlich. Er weicht gerne auf die Flügel aus, ist stets in Bewegung und sehr schwer ausrechenbar für den Gegner. Aber manchmal auch für den eigenen Trainer.
Steffen Baumgart hat seinen Top-Scorer schon des Öfteren gerügt, weil ihm dessen öffentliche Aussagen nicht so ganz passten. Denn Hollerbach ist in Interviews genauso wie auf dem Platz: Er denkt nicht groß darüber nach, sondern macht. „Wir trainieren das gar nicht so viel“, hatte Hollerbach zum Beispiel nach seinem Tor gegen Bochum im Anschluss an eine Standardsituation gesagt: „Da nehmen wir uns vielleicht zehn Minuten in der Woche.“ Darauf angesprochen verzog Baumgart merklich das Gesicht. „Ich bin mir relativ sicher, dass wir das ein bisschen länger trainieren“, sagte der Coach: „Holler hat es wohl nicht so ganz mit der Uhr.“ Schon zuvor hatte Baumgart versucht, den meinungsstarken Lockenkopf verbal etwas einzufangen. „Holler ist ein Spieler, der immer sehr emotional dabei ist – manchmal noch zu sehr“, sagte Baumgart: „Er will zu früh Trainer sein, und ich versuche ihm zu sagen, dass ich der Trainer bin und er der Spieler.“ Ein wirkliches Problem gibt es zwischen den beiden aber nicht. Es passe „schon ganz gut“ zwischen ihm und Hollerbach, auch wenn dieser „jemand ist, der Antworten haben will“.
Auch, wie es mit Union perspektivisch weitergeht. Zwei Jahre Abstiegskampf dürften dem ambitionierten Profi reichen, denn im Tabellenkeller wird er sein großes Ziel Nationalmannschaft wohl nicht realisieren können. Dass er die Qualitäten für eine Nominierung durch Bundestrainer Julian Nagelsmann hat und vielleicht sogar schon den Sprung auf den WM-Zug machen kann, davon ist Hollerbach selbst überzeugt: „Ja, ich bin mir sicher, ich werd’s schaffen. Ganz einfach. Ich habe Qualitäten, die werden sich auf Dauer durchsetzen.“ Aber hat auch Union die Qualitäten, ihm die Bühne dafür zu bieten? „Wieviel ist ein Stammspieler es 1. FC Union in diesen Kreisen wert?“, schrieb kürzlich der „Berliner Kurier“, der zu dem Schluss kam: „Hollerbachs Ziele und der 1. FC Union – das passt nicht so ganz.“
„Ich bin mir sicher, ich werd‘s schaffen“

Sollte Hollerbach nach der Saison bei einem entsprechenden Angebot tatsächlich eine neue Herausforderung annehmen, würde Union nicht nur seinen torgefährlichsten Offensivspieler verlieren. Mit seiner unbekümmerten Spielweise und dem ungekünstelten Auftreten hat er sich auch bei den Fans einen gewissen Status erarbeitet.
„Ich bekomme von den Fans eine Riesen-Wertschätzung, sehe viele Fans, die mein Trikot tragen“, sagte Hollerbach nicht unbeeindruckt. Doch am Ende ist Profifußball ein Geschäft, das weiß er auch. „Ich kann ihnen Hoffnung machen, aber nichts verbindlich zusagen.“ Klar ist aber auch, dass er diese Wertschätzung, die er auch von der Mannschaft und den Trainern erhält, nicht um jeden Preis aufgeben wird. Zumal er sich mit seinen gerade 24 Jahren noch immer verbessern kann und auch will. Das geht aber nur, wenn er wie bei Union zu den Stammspielern gehört, denen Verantwortung übertragen wird. „Ich spiele oft von Anfang an, das ist ein Riesenfaktor“, sagte er: „In der Gemengelage werden wir sehen, wie es in Zukunft für mich weitergeht.“
Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus glaubt, dass Hollerbach mittelfristig ein DFB-Kandidat ist. „Wenn er weiter Tore schießt, Leistung bringt und – was auch wichtig ist – viel nach hinten mitarbeitet, dann kann er sich irgendwann auch für die Nationalmannschaft empfehlen“, sagte der heutige Sky-Experte, der aber auch betonte: „Das ist aktuell noch ein weiter Weg.“ Union müsse er dafür nicht zwingend verlassen, meinte Matthäus: „Hollerbach muss einfach so weitermachen, weiterarbeiten. Er tut der Mannschaft, dem Trainer und dem Verein gut.“
Bei der jüngsten 0:3-Heimpleite gegen den 1. FC Heidenheim konnte aber auch Hollerbach nicht überzeugen. Der Saisonabschluss am Samstag (17. Mai, 15.30 Uhr) beim FC Augsburg ist die letzte Möglichkeit, die Scorer-Zahl noch etwas nach oben zu schrauben. Und Werbung in eigener Sache zu machen. Die bayerischen Schwaben können ebenfalls sportlich nichts mehr gewinnen oder verlieren – es könnte also zu einem launigen Sommerkick mit reichlich Toren kommen.