Naschkatzen und K-Food-Fans können im „Lia Ppang“ in Prenzlauer Berg entspannt Kaffee oder Tee trinken und dabei süße koreanische Köstlichkeiten probieren.
Der Vorteil, in einer Stadt mit Menschen aus mehr als 180 Nationen zu wohnen, ist, dass es an jeder zweiten Ecke eine kulinarische Überraschung gibt. Da spaziert man beispielsweise nichtsahnend durchs Nachbar-Kiez und entdeckt plötzlich ein schnuckeliges Café, das man bislang noch nicht kannte und mit dem man nicht gerechnet hat. So zum Beispiel das „Lia Ppang“. Unweit der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg gelegen, hat die Koreanerin Lia Hong ein kleines Kuchen- und Keks-Refugium eröffnet.
Lampions, bunte Fähnchen und ein paar Milchshakes schlürfende Menschen auf einer Bank säumen den Eingang an der Choriner Straße 45. „Small Korea in Berlin“ steht auf einer aufgestellten Schiefertafel in weißer Kreide geschrieben. Beim Eintreten ziehen einen K-Pop-Melodien schon rein akustisch in asiatische Sphären. Bunt zusammengewürfelte Tische und Stühle, eine knall-orangene 70er-Jahre Lampe, Spielsachen sowie ein kleines Sideboard mit Büchern, Zeitschriften und Comics in verschiedenen Sprachen geben dem kleinen Kaffeehaus einen Villa-Kunterbunt-Touch. Auch Lia Hong selbst hat ein bisschen etwas von einer koreanischen Pippi Langstrumpf, trägt sie doch geflochtene Zöpfe und farbenfrohe Kleidung.
„Ich bin keine große Rednerin“, beginnt die Wahl-Berlinerin etwas schüchtern und erzählt dann doch ein wenig davon, wie alles begonnen hat mit „Lia Ppang“. Im Jahr 2014 kam die heutige Kaffeehausbesitzerin als Touristin für zwei Wochen nach Berlin und ahnte nicht, welche Weichen sie mit dieser Reise stellte. „In dieser Zeit habe ich jemanden kennengelernt“, erzählt sie und meint damit aber nicht den Beginn einer neuen Liebe, sondern das Angebot, in einem koreanischen Lokal in der Küche mitzuhelfen. Aus Lia Hongs 14-tägigem Berlin-Trip wurde ein Aufenthalt mithilfe eines einjährigen „Working Holiday-Visums“, wie sie sagt. Die damalige Mittzwanzigerin knetete und falzte Dumplings.
Traditionelle Kekse kommen bestens an
Kaum war das Jahr um, bat ein weiterer koreanischer Gastronom wegen einer geplanten Neueröffnung die junge Frau um Unterstützung in der Küche. Lia Hong beantragte erneut ein Visum und bekam nun ein dreijähriges Arbeitsvisum. Irgendwann in dieser Zeit erwarb sie zwei Geräte, die an deutsche Waffeleisen erinnern, mit denen sie aber original koreanische Teigspezialitäten backen konnte: eines für Fischbrot („Boong-eo Ppang“) und das andere für Walnuss-Kekse („Hodoo Gwaja“). „Diese sind sehr bekannt in Korea“, erklärt Lia Hong. „Jeden Sonntag backe ich Hodoo-Cookies. Sie sind dann auch am selben Tag ausverkauft.“
Die traditionellen Kekse werden in einem Kuchenteig mit grünem Tee, Walnüssen und roter Bohnenpaste angerührt. Dann kommen sie in das spezifische Eisen, wodurch sie die Form einer Walnussschale erhalten. „Die Bohnenpaste muss man drei Stunden lang rühren“, weiß die Backexpertin. Und tatsächlich haben die beiden koreanischen Küchengeräte dafür gesorgt, dass sich Lia Hong mit einem Essensstand im Innenhof der Kulturbrauerei im Jahr 2018 selbstständig machen konnte.
Mit dem einem Eisen buk sie Walnusskekse und mit dem anderen Eisen, das eigentlich für Fischbrot gedacht sei, Gyeran-Ppang, eine Art koreanischer Eierkuchen. Ihr persönlicher Favorit aber war die Nuss-Süßigkeit. Und so nannte sie sich dann auch: „Hoodo Cookie Lady“. Zwei Jahre danach fand die Keks-Dame die Räumlichkeiten an der Choriner Straße, renovierte und konnte im Februar 2021 das „Lia Ppang“ eröffnen. „Ppang, das heiß so viel wie Kuchen“, erläutert die passionierte Bäckerin.
Obwohl viele Stammgäste sonntags immer noch wegen der Walnussplätzchen in ihr Café kommen, ist das Angebot der Selfmade Woman jetzt breiter aufgestellt. Hinter der gläsernen Theke und auf dem Tresen sind allerlei süße Kuchen und Kekse zu bestaunen. Matcha-Cheesecake, Biskuitrollen mit Erdbeercreme-Füllung, Biskuitrollen mit Schokocreme-Füllung, mit kandierten Walnüssen getoppte Kuchenstücke, Matcha-Kekse, Brownies mit lustigen Kulleraugen, Cupcakes und Petits Fours wie Dacquoises mit diversen Füllungen. Die ursprünglich südfranzösischen, luftig-knusprigen, mit Buttercreme gefüllten Törtchen seien sehr bekannt in Korea, erzählt die Gastronomin.
„Komischerweise kennen viele Franzosen, die hierher kommen, Dacquoises überhaupt nicht.“ Bei „Lia Ppang“ gibt es sie unter anderem mit Matcha-Creme. Ich finde sie lecker, aber ein bisschen schwer durch die Buttercreme. Hingerissen bin ich aber vom fluffig-leichten Matcha-Cheese-Cake. „Ich backe alles selbst und kreiere nur die Dinge, die ich selbst mag“, sagt Lia Hong.
Lukullische Neugier weckt bei mir der Sweet Potato Cake. Koreanischer Süßkartoffelkuchen hat unten eine Schicht Biskuitkuchen und eine cremige Süßkartoffelfüllung. Cremig, aber nicht schwer, und süß, aber nicht zu süß. Dazu noch eine getrocknete Dattelscheibe on top und eine Physalis als fruchtiger Komparse auf dem Teller und ich entschwebe der Stadt in Mitteleuropa und reise gedanklich weit, ganz weit, in Richtung Osten. Anscheinend hat jetzt auch mich Hallyu, wie die koreanische Welle genannt wird, ein Stück weit mitgerissen. Diese Welle um die zeitgenössische südkoreanische Kultur rund um Popmusik, Filme, Kosmetik, Mode und Essen schwappte in den 1990er-Jahren über Asien und breitete sich im 21. Jahrhundert auch weltweit aus. Kein Wunder, dass auch koreanisches Essen, sogenanntes K-Food, weltweit – auch in Deutschland – immer bekannter und beliebter wird.
Nicht nur Süßes, auch Herzhaftes im Angebot
An diesem Nachmittag wird auch Lia Hongs kleines koreanisches Café immer voller. Erstaunlich viele junge Frauen kommen vorbei: zum Quatschen, zum Lernen, zum Lesen oder um einfach nur eines der vielen interessanten Küchlein oder Kekse zu kosten. Während meines Besuchs ist wohl die häufigste Frage, die ich von den anderen Gästen höre: Was ist denn das? Und was ist das? Und das da? Lia Hong, die ihr Café ganz allein schmeißt, lächelt und erklärt immer wieder geduldig, was es mit den süßen Kleinoden auf sich. Dabei gibt es auch Herzhaftes im Angebot. Zum Beispiel eine Art Brioche mit Frischkäse und selbstgemachter Knoblauchsoße. Dann gibt es noch Sausage Bread. „Das klingt sehr deutsch, ist aber in Korea sehr beliebt“, erklärt die K-Food-Expertin. Zu der Wurstfüllung kommen noch Mozzarella, Zwiebeln, Mais, Ketchup und Mayonnaise. „Ich möchte die koreanische Küche nach Berlin bringen und gleichzeitig mein Heimweh stillen“, erklärt die 35-Jährige ihre Mission.
„Good for meal“, besagt die Beschriftung über den delikaten Brötchen. Das ist ein guter Hinweis, denn so eine Brioche mit Füllung macht tatsächlich satt. Das merke ich, nachdem ich eines mit Kartoffel-Eiersalat-Füllung verdrückt habe. Nach dem Salzigen geht es süß weiter, und die Kaffeehaus-Chefin schenkt mir einen Sujeomggwa-Tee ein. Eine Freundin, die an diesem Nachmittag kurz vorbei kommt, nippt an dem dunkelrotbraunen Kaltgetränk. „Das schmeckt wie Weihnachten“, ruft sie überrascht aus. „Ja“, bestätigt unsere Gastgeberin. „Das ist ein traditioneller koreanischer Zimtpunsch mit Ingwer.“
Ebenso naschkatzenfreundlich bleibt es bei vielen anderen Getränken des Hauses, wie etwa bei Yuja-Tee mit Bergamotten- und Zitronensirup. Oder mit Pflaumentee (Maesil), bei dem Wasser mit Pflaumengelee aufgegossen wird. Bekannt unter K-Food-Fans dürfte auch der Daechu- oder Jujube-Tee aus chinesischen Datteln sein. Wer es weniger süß mag und bei seinen bisherigen Getränkepräferenzen bleiben möchte, kommt bei Lia Ppang auch bei einem Americano, Cappuccino, Espresso oder Latte macchiato auf seine Kosten.
Trendiger und vor allem süßer wird es dann bei einem südkoreanischen Dalgona-Kaffee mit Milch, Instant-Kaffee und Zucker. Doch an diesem Nachmittag ist mein Süß-Hype längst befriedigt. Aber ich komme wieder, dann probiere ich eins der anderen köstlichen Milchmixgetränke wie Goguma Latte mit Süßkartoffeln oder Hobak Latte mit Kürbis. Aber wahrscheinlich nippe ich eher an einer Pat Latte aus roten Bohnen. Dazu noch einen Walnuss-Keks von der Hoodo Cookie Lady, und mein Fernweh ist gestillt. Zumindest fürs Erste.