Drei Fragen
„Aus einem anderen Blickwinkel“
Die belgische Regisseurin Suzanne Emond über das Inszenieren in einer Fremdsprache und ihr neuestes Theaterstück über den libanesischen Bürgerkrieg.
Frau Emond, Sie inszenieren als Belgierin mit Muttersprache Französisch in Deutschland Theaterstücke – vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?
Eine Theaterinszenierung in einer anderen Sprache als der eigenen erfordert einen ständigen Anpassungsprozess. Obwohl meine Muttersprache Französisch ist, liebe ich Deutsch als Bühnensprache. Das Deutsche analysiert und formt Gedanken und Gefühle, während das Französische sie eher beschreibt. Das macht im Endeffekt die Darstellung des Schauspielers konkreter.
Ist es möglich, trotz unterschiedlicher Herkunft und Sprache in der Theaterarbeit zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen?
Man kann sich dem annähern. Aber es erfordert viel Zeit und persönliches Engagement von allen Beteiligten. Vielleicht ist es ohnehin so, dass jeder sein ganz eigenes Verständnis von einem Theaterstück hat. Denn ein Theaterstück sollte niemals den Anspruch haben, dass es nur eine einzige Lesart oder Wahrheit gibt.
Vielfalt oder Verwirrung? Wovon handeln Ihre Inszenierungen, etwa von „Die vierte Wand“?
Das Stück „Die Vierte Wand“ erzählt eine Begebenheit aus dem libanesischen Bürgerkrieg aus der Perspektive eines europäischen Regisseurs. Alle erzählen gemeinsam eine Geschichte, aber jeder schildert sie aus einem anderen Blickwinkel. Das soll zum Nachdenken anregen – unter anderem über Eurozentrismus und Neo-Kolonialismus. Interview: Daniela Noack
Das Stück „Die vierte Wand – Im Krieg spielen“ wird im Theater unterm Dach unter anderem am 13. und 14. April um 20 Uhr aufgeführt. Weitere Infos unter https://theateruntermdach-berlin.de/
Kulturverführung vom 24. März 2023
Oper: Vor wenigen Tagen hat Mozarts „Idomeneo“ an der Staatsoper Unter den Linden in einer Neuinszenierung von David McVicar Premiere gefeiert und steht auch am 26., 28. und 30. März auf dem Spielplan. Gerade kehrt König Idomeneo aus dem Trojanischen Krieg zurück, doch ein heftiger Sturm wütet vor Kreta und der König bittet die Götter um Beistand. Dem Meeresgott Neptun verspricht er, ihm den ersten Menschen zu opfern, der ihm an Land begegnet – nicht ahnend, dass das sein Sohn Idamante sein wird. Konflikte toben ähnlich wie der musikalisch heraufbeschworene Sturm nicht nur in Idomeneo, sondern auch in anderen Figuren dieser Oper, die Mozart im Alter von 25 Jahren komponierte. In kleinerem Rahmen steht hingegen die norwegische Sopranistin Victoria Randem am 31. März bei ihrem Liedrecital auf der Bühne des Apollosaals. Auf dem Programm stehen dann unter anderem Werke von Edvard Grieg, Franz Lachner, George Gershwin, Darius Milhaud. Weitere Informationen zum Spielplan der Staatsoper und Tickets: www.staatsoper-berlin.de
Performance: International, divers und immer zur Diskussion anregend, mitunter herausfordernd – so könnte man kurz das Programm des HAU, des Hebbel am Ufer beschreiben. Am 25. März beispielsweise stellt die moldauische Regisseurin und Autorin Nicoleta Esinencu ihre Arbeit „Sinfonie des Fortschritts“ vor. Ein Titel, den man durchaus als Provokation verstehen kann, schließlich bürstet Esinencu den ihrer Ansicht nach „idyllischen Fortschrittsbegriff“ gegen den Strich, zeigt, wie immer neue Formen der Ausbeutung und der Kolonisation entstehen. Und erzählt von Menschen aus Osteuropa, die unter unwürdigen Bedingungen im Kapitalismus ums Überleben kämpfen. Wenige Tage später, nämlich am 29. März, greift die chinesische Tänzerin und Choreografin Wen Hui in „I am 60“ ihre eigene Geschichte und die ihrer weiblichen Familienangehörigen auf. Und verwebt zeitgenössischen Tanz mit Ausschnitten aus Stumm- und frühen chinesischen Tonfilmen sowie eigenen Erinnerungen. Mehr zum Programm im Hebbel am Ufer: www.hebbel-am-ufer.de
Ausstellung: „Muse oder Macherin?“ – diese Frage stellt momentan eine Ausstellung im Kupferstichkabinett am Kulturforum. Im Mittelpunkt stehen italienische Künstlerinnen der Renaissance und des Barock, die zu Lebzeiten die Werke ihrer Väter, Brüder und Männer in den Schatten stellten, sich selbst gekonnt vermarkteten oder als wichtige Sammlerinnen und Mäzeninnen auftraten. Und die heute teilweise in Vergessenheit geraten sind. Umso wichtiger, dass nun in Berlin rund 90 Arbeiten unter anderem von Artemisia Gentileschi, Diana Scultori oder Isabella d’Este zu sehen sind. Informationen zur Ausstellung sowie Tickets: www.smb.museum Sabine Loeprick