Mit seinem neuen Projekt „Swan & Son“ hat der Berliner Spitzenkoch und Gastronom Björn Swanson einen Ort für gehobene französische Bistroküche mit asiatischen Einflüssen und einem inspirierenden Ambiente geschaffen.

Wenn er von der Giesebrechtstraße spricht, gerät er ins Schwärmen. „Das ist eine der schönsten Straßen Berlins“, sagt der Koch und Gastronomie-Unternehmer Björn Swanson. Er muss es wissen: Als Sohn einer Deutschen und eines US-Soldaten im Berliner Stadtteil Schöneberg geboren und in Steglitz aufgewachsen, kennt der 41-Jährige seine Stadt wie seine Westentasche. Dabei hatte es den späteren Gastronomen zwischenzeitlich auch über den großen Teich verschlagen. Noch als minderjähriger Schulabbrecher stellte er seine Mutter vor vollendete Tatsachen und zog zu seinem Onkel in die USA. Dort heuerte er wenige Monate später bei den US-Marines an und wurde zu einem Einsatz im Irak geschickt. Doch das Leben hatte etwas anderes mit dem Heranwachsenden vor. Eine schwere Knieverletzung sorgte bereits nach eineinhalb Jahren für ein jähes Ende seiner militärischen Laufbahn. Damals noch 19, kehrte Björn Swanson in seine Geburtsstadt zurück, wo er eine Ausbildung zum Koch im renommierten Restaurant „Altes Zollhaus“ unter Herbert Beltle machte.
Von den US-Marines zum Berliner Koch
Mehr als 20 Jahre später sitzen wir mit dem Gastronomen an einem der Tische in seinem neuen Restaurant „Swan & Son“ an der besagten Giesebrechtstraße in Charlottenburg und lauschen weiter seinen Geschichten. Der Urenkel einer schwedischen Auswandererfamilie hatte nach seiner Ausbildung weitere namhafte Mentoren. So sammelte der Jungkoch unter anderem Erfahrungen im „Fischers Fritz“ unter Christian Lohse, im „Facil“ unter Michael Kempf und in der Weinbar „Rutz“ unter Marco Müller.

2015 übernahm der Berliner die Position des Küchendirektors im „Gutshaus Stolpe“ und erwarb noch im selben Jahr erfolgreich den Michelin-Stern für das Haus. Zwei Jahre später eröffnete er mit seinem Geschäftspartner Thorsten Schermall mit dem „Golvet“ sein erstes Restaurant, das sechs Monate später ebenso mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, bevor er danach „Berliner Meisterkoch 2019“ wurde.
Auch im Fernsehen machte sich der Deutsch-Amerikaner einen Namen: Er war Gastjuror in der siebten Staffel von „The Taste“. 2022 trat er als Kochgegner von Tim Mälzer in „Kitchen Impossible“ an. Zuletzt eröffnete er das Restaurant „Faelt“ in Schöneberg, bis vor Kurzem sein Neuzugang in Charlottenburg dazukam.

Während unseres Gespräches gibt es erst einmal etwas zu trinken. Meine heutige Begleiterin wählt einen leichten Riesling. Ich bekomme etwas Alkoholfreies, das mich sofort begeistert. „La Vie en Rosé“ heißt die fabelhafte Kreation. Sie besteht aus einem Kirschblütentonic, Verjus und Basilikum, verfeinert mit Holundersirup – eine passende gedankliche Reise zum japanischen Kirschblütenfest mitten in Charlottenburg. Überhaupt werden wir im Laufe des Abends noch öfter an das Land der aufgehenden Sonne erinnert. Viele von Swanson Kreationen sind chinesisch und japanisch inspiriert. „Ich reise gern nach Asien und esse gerne asiatisch“, sagt er. Gleichzeitig bleibt der Gourmet seinen europäischen geprägten Lehrjahren treu. „Die Basis meines Lehrmeisters war die französische Küche, und daran habe ich mich immer orientiert“, berichtet er. „Das ist für mich wie Laufen lernen. Man kann sich zwar andere Schuhe anziehen, aber erst einmal muss man Laufen lernen.“ Er koche mit Butter und gehaltvoll, lässt er uns wissen.
Altbau steht unter Denkmalschutz

In butterige Genüsse kommen wir auch gleich zu Beginn unserer kulinarischen Reise an der Giesebrechtstraße, während wir Sauerteigbrot mit gesalzener Karamellbutter und eingelegtem Rettich naschen. Genussvoll, ja geradezu lustvoll gebiert sich auch die junge Frau, die über uns in einem großen Ölgemälde abgebildet ist. Mit weit aufgerissenem Mund schlingt sie orangefarbenes und gelbes, nicht klar erkennbares Essen in sich hinein. Sind es Tortenstücke oder Kartoffelscheiben, die sie in sich hineinschaufelt? „Binge Eating“, kommentiert meine Begleiterin belustigt, und auch ich bin sehr amüsiert. Das Kunstwerk ist ein Eyecatcher, der für Gesprächsstoff sorgt. „‚Girl eating pumpkin‘ heißt das Bild“, berichtet unser Gastgeber auf Nachfrage über das Werk der in Berlin lebenden Malerin Franziska Klotz. Das Bild spalte die Gäste, erzählt er. Einige wollten lieber an einem anderen Tisch sitzen. „Kunst muss auch polarisieren“, findet Björn Swanson. „Ansonsten wäre es keine Kunst.“
Dann erfahren wir, dass alle anderen Gemälde von Heinrich Maria Davringhausen stammen. Der Maler war ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit und seine Kunst wurde in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten als „entartet“ verunglimpft. „Mir ist wichtig, dass die Kunst nicht belanglos ist und auch an die Historie des Hauses und der Gegend anknüpft.“ Der Altbau, in dem sich Björn Swansons neues Lokal befindet, wurde in der Gründerzeit errichtet und steht unter Denkmalschutz. Früher war dort einmal eine Bäckerei untergebracht, die Küche diente nach dem Ersten Weltkrieg als Gesellenzimmer. Später waren dort verschiedene Lokale beheimatet wie zuletzt die bekannte „Julep’s New York Bar“.

Wir fühlen uns auf alle Fälle pudelwohl in dem lichten, weitläufigen Restaurant, das im Stil der späten 60er- und frühen 70er-Jahre vom Architektur-Studio Boucherie und Vollmert gestaltet wurde. Ganze 250 Quadratmeter ist es groß. Der Gastronomie-Unternehmer hat die Räumlichkeiten zehn Monate lang umbauen lassen und nach eigener Aussage dafür mehr als eine Millionen Euro investiert. Dabei hat der Gourmet nichts dem Zufall überlassen. Für ihn sollte alles stimmen, bis ins kleinste Detail. „Das ist der Nachteil meines Charakters, ich kann mich nicht mit Kompromissen zufriedengeben“, sagt er. Das Besteck kommt von WMF, das Geschirr von der renommierten Berliner Porzellan-Manufaktur KPM, die noch Friedrich der Große gegründet hatte. Dazu kommen Designerstühle von Petrani und Mamortische aus dem toskanischen Bergdorf Colonnata, das für den Abbau von weißem Marmor bekannt ist. „Auch den Originalboden aus den 1960ern habe ich wieder freilegen lassen, ich liebe diese Patina.“
Bei so viel schönem Ambiente darf auch die Kunst der Kulinarik nicht zu kurz kommen. Anders als die junge Dame, die im Gemälde über uns gierig ihre Kürbisstückchen vertilgt, lässt unser Trio es langsamer angehen. Nach und nach landen allerlei Leckereien auf unserem Tisch, die wir peu à peu goutieren. Ob mit Fleisch, Fisch oder Gemüse – mit unseren unterschiedlichen Vorlieben kommen wir alle drei auf unsere Kosten.

Ein Hochgenuss unter den Vorspeisen ist etwa der wilde Brokkoli à la Ceviche mit Jalapeño und brauner Butter – spicy, und das Gemüse ist schön knackig. Auch das Carpaccio aus Rinderfilet mit Frühlingszwiebeln, einer süß-scharfen Erdnuss-Vinaigrette mit hausfermentiertem Knoblauch und Honig überzeugt uns. Meine beiden Begleiter zieht es auch zu den Entenspezialitäten hin: Genussvoll kosten die Bloggerin und der Fotograf japanische Maultaschen mit kaltem Enten-Dashi und später – bei den Hauptgängen – noch eine marinierte Entenleber-Terrine an Miso-Pflaumen und einem Gelee aus Matcha-Tee. Sehr raffiniert, trotzdem ist der Geschmack des Wasservogels von jeher nie meine erste Wahl. Nach unzähligen Versuchen in verschiedenen Restaurants und in verschiedenen Varianten merke ich, dass ich einfach kein Enten-Fan bin. Ich mag das Federtier, so ist es nicht. Aber nicht auf meinem Teller.
Ein Okonomiyaki ist die Überraschung
Dafür genieße ich das Cordon Bleu im Tonkatsu-Style umso mehr: Das zarte Maishähnchen ist mit gereiftem Comté versehen. Sehr cremig, sehr lecker. Dazu kommt eine Shiitake-Ramen-Soße aus eingelegten Pilzen, verfeinert mit etwas Chili- und Korianderöl. „Um das Ganze aufzupeppen, gibt es noch eine Reisessig-Hollandaise“, sagt Küchenchef Norman Faust und gießt uns etwas von der köstlichen Soße auf unsere Teller. Sehr cremig, sehr umami. Dazu gesellt sich ein frischer, durchaus etwas scharfer Gurkensalat mit Cayennepfeffer.
Orientalisch wird es beim Lammkarree mit Miso-Aubergine. „Und weil das Ganze arabisch angehaucht ist, haben wir rote Grillzwiebeln dazu genommen, wie man das von der türkischen Küche her kennt. Dazu noch Petersilie und Limettensaft“, erklärt der Koch. Für den Säurekick wird das Ganze mit Yuzu-Perlen und Harissasoße angerichtet.
Die Überraschung des Abends für mich ist ein Klassiker aus der japanischen Küche: ein Okonomiyaki. Bei Björn Swanson und seinem Küchenchef nennt man die Kreation vorsichtshalber japanische Pizza. „Bei den Deutschen ist es ja so: Was sie nicht kennen, bestellen sie auch nicht“, erklärt uns Norman Faust. Die asiatische Pfannkuchen-Variante enthält auch Mehl, Eier und Wasser. Hier in Charlottenburg wird die runde Köstlichkeit mit einer würzigen Dashi, knusprigem Tofu, Sesam und Ingwer verfeinert. Sehr umami! So habe ich eine Pizza noch nie erlebt. Schade, dass das „Swan & Son“ nicht bei mir um die Ecke direkt im Kiez liegt. Oder vielleicht doch nicht!? Ich würde wahrscheinlich jede Woche viel Geld dort lassen.