Mit einem desolaten Auftritt hat der 1. FC Saarbrücken seine Aufstiegschance aus der Hand gegeben. Vor dem letzten Spieltag ist er auf Schützenhilfe angewiesen.
Wie eine Schulklasse vor einem schimpfenden Lehrer standen die Akteure des 1. FC Saarbrücken am Samstag geschlagene zehn Minuten vor der Fan-Kurve und ließen die Worte der Ultra-Anführer über sich ergehen. Bezeichnenderweise hatte Patrick Schmidt seine Mannen vor die erboste Fan-Schar geführt, ein Spieler, der in Aachen nicht eine Sekunde zum Einsatz kam. Das sagt viel über die Struktur einer Mannschaft aus, die im Saisonverlauf weder interne noch externe Führung verordnet bekam.
Während die Standpauke noch lief, hatte schon gut die Hälfte der 5.000 mitgereisten Fans den Ort der Schande verlassen. Der Rest hatte die Mannschaft mit ausgestreckten Mittelfingern, gellenden Pfiffen und den obligatorischen „Wir sind Saarbrücker und ihr nicht“-Rufen verabschiedet.
Alle, die es gut meinen mit dem Traditionsverein aus der Landeshauptstadt, wurden am Samstag vor 30.000 Zeuge einer Demütigung, einer der schwärzesten Stunde der jüngeren Vereinsgeschichte. Mit 4:2 gewann Aufsteiger Alemannia Aachen und erzielte zum ersten Mal in dieser Saison mehr als drei Tore in einem Spiel. Das gegen einen Aufstiegsanwärter, der an diesem gebrauchten Tag zu keinem Zeitpunkt Drittligaformat an den Tag legte. Die Alemannia, ausgestattet mit einem der kleinsten Etats der Liga, hätte locker und leicht zweistellig treffen können. „Es hat sich angefühlt, als hätten wir einen Mann mehr auf dem Platz gehabt“, konstatierte Aachens Trainer Heiner Backhaus, und es mag sich angefühlt haben wie eine Ohrfeige. Doch die nächste „Watschn“ kam gleich hinterher: „Wir müssen Spieler entwickeln, einen Kai Brünker können wir uns nicht leisten. Wenn ich dem unsere Gehälter nenne, fragt der mich, ob wir wie in England pro Woche bezahlen“, sagte Aachens Trainer in Anspielung auf den Auslandsaufenthalt des FCS-Angreifers vor einigen Jahren.

Brünker, mit 30 Jahren einer der Erfahrenen im Saarbrücker Team, erwischte wie andere einen rabenschwarzen Tag, verstolperte nahezu jeden Ball und blieb jeden Nachweis eines höheren Anspruchs schuldig. Damit war er nicht der einzige. Und es passierte nicht zum ersten Mal. „Wir hatten es die letzten Jahre zum wiederholten Male in der eigenen Hand, haben es aber wieder nicht geschissen bekommen, ein Spiel wie hier zu gewinnen“, sagte Manuel Zeitz. Er muss es wissen, er ist seit Jahren Kapitän eines Teams, dem es nicht unbedingt am Willen, sondern eher an der mentalen Stärke fehlt. „Jeder, der auf dem Platz steht, will das Spiel gewinnen. Am Ende weiß ich nicht, ob man von Kopfsache sprechen kann. Wir haben nie ins Spiel gefunden, es hat sich angefühlt, als würden wir einen Riesen-Rucksack mit uns schleppen“, sagte Torwart Tim Paterok, der den erkrankten Phillip Menzel vertrat.
Für „Patte“ begann der Tag bereits gebraucht. In der Nacht vor dem Spiel wurden am FCS-Sportfeld mehrere Autos aufgebrochen und ausgeräumt. Darunter auch das des Torwarts. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob dies zur Ablenkung führte. An Paterok lag es jedenfalls nicht. Die vier Gegentreffer konnte er nicht verhindern, parierte dagegen noch das eine oder andere Mal ordentlich.
Vernichtendes Experten-Urteil
Zur Pause führte die Alemannia mit 1:0, und es hätte deutlich höher stehen können. „Wir haben Glück gehabt, dass wir mit einem knappen Rückstand in die Kabine sind. Aber dann hat uns die Disziplin gefehlt. Wir sind blind nach vorne gerannt, haben uns einen Konter gefangen“, sagte Mittelfeldspieler Patrick Sontheimer. Nachdem der völlig neben sich stehende Dominik Becker einen Elfmeter verschuldete, führte die Alemannia mit 3:0. Florian Krüger, der einzige Saarbrücker Feldspieler mit Format, verkürzte eine Viertelstunde vor Schluss. Einige Minuten keimte Hoffnung auf, selbst die Fans wurden wieder lauter. Doch der nächste Fehler kam umgehend. Am Ende traf dann noch mal Kasim Rabihic. „Es kann auf jedes Tor ankommen“, begründete Trainer Alois Schwartz seine eher defensiven Wechsel. Eine Aussage, die tief blicken lässt. Offenkundig schwante dem neuen Coach, dass seine Mannschaft in Aachen das Potenzial hatte, sich richtig abschießen zu lassen. Kapitän Zeitz sprach anschließend von einer „verdammt beschissenen Leistung“ und stellte fest, dass der FCS „ab der ersten Minute unterlegen“ gewesen sei. Führungsspieler, die keine sind, und Routiniers, denen in der entscheidenden Saisonphase die Form fehlt: Eines der ältesten Drittliga-Teams blamierte sich in Aachen bis auf die Knochen. 27,6 Jahre betrug der Altersdurchschnitt des FCS am Samstag. Ist vielleicht das das Problem? „Zu alt, zu langsam und im Zentrum einfach limitiert. Das ist eigentlich keine Mannschaft, die zwingend aufsteigen kann“, bilanzierte ein Chef-Scout eines Bundesligisten am Samstag im Pressezentrum. Und so stellt sich vor dem letzten Spieltag gegen die Zweite Mannschaft von Borussia Dortmund die ungute Frage: Wurde das Potenzial der Mannschaft falsch eingeschätzt? Noch bleibt ein bisschen Hoffnung. „Im Fußball hat es schon verrückte Dinge gegeben“, sagte Trainer Schwartz mit Blick auf den letzten Spieltag.