Vorfreude ist die schönste Freude, meint ein altes Sprichwort. Wenn es stimmt, müssten unsere direkten Nachbarn in Europa eigentlich eine ganz gehörige Portion Freude angesammelt haben. Lange haben sie auf diesen Besuch aus Deutschland gewartet. Und das wohl erst recht, seit Deutschland mit riesigen Finanzbeschlüssen signalisiert hat, seiner Rolle als großer Nachbar wieder nachkommen zu wollen – und damit ein so ganz anderes Bild abgeliefert hat als bei den Bundesdebatten und Beschlüssen zur Migration im Wahlkampf.
Was in Sachen Grenzkontrollen und Zurückweisungen angestrebt war, traf auf klare Zurückweisungen.
Nun war der Wahlkampf zu Ende, Friederich Merz mühsam zum Kanzler gewählt, da hätte man die drängenden Probleme, die es reichlich und massiv gibt, gemeinsam anpacken können. In Paris, In Warschau, mit London und überhaupt.
Wäre da nicht ein Innenminister, der sich wohl berufen sieht, die Wahlkampfankündigungen seines Chefs umzusetzen. Merz hatte für den ersten Tag seiner Kanzlerschaft bekanntlich Anweisungen in Sachen Grenzen und Zurückweisungen angekündigt. Zwischenzeitlich stand sogar zu vermuten, dass mit der Feststellung einer Notlage Schengen umgangen werden sollte.
Was die Notlage betrifft: Die Zahl der Erstanträge auf Asyl ist in den ersten vier Monaten um 45 Prozent zurückgegangen im Vergleich zum Vorjahr (Quelle: Mediendienst Integration). Von Messerangriffen ist kaum noch zu lesen, von Autos, die in Menschenansammlungen gesteuert werden, gar nicht mehr. Seit der Bundestagwahl.
Wie auch immer beginnen die ständigen Grenzdebatten zunehmend zu nerven. Nicht nur in Grenzregionen. Ebenso Berichte über junge Menschen, die nach ihrer Ausbildung abgeschoben werden. Längst keine Einzelfälle mehr.
Nichts ist zu hören, wie Integration erleichtert werden kann. Dabei könnten sich da die für Bürokratieabbau zuständigen Minister schnell einige Verdienste erwerben.
Das würde den Menschen helfen, die arbeiten und sich ausbilden lassen wollen, würde der Wirtschaft bei der Fachkräftesuche helfen, würde den Ärger mit den Nachbarn deutlich minimieren und vermutlich auch noch Verwaltungskosten sparen, was wiederum der Bildung zugutekommen könnte.
Letzteres ist vielleicht spekulativ, alles andere aber nicht – und deshalb längst überfällig.