Der Schuldenberg des Landes birgt auch Risiken für die Eurozone
Alarmierende Nachrichten aus Italien: Die Verschuldung steigt, die Wirtschaft schwächelt, die Steuereinnahmen gehen zurück. Und inmitten dieses Krisen-Szenarios schraubt die Regierung das staatliche Defizit weiter nach oben. Die rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will ihre teuren Wahlversprechen einlösen und das soziale Füllhorn über der Bevölkerung ausgießen.
Laut Haushaltsentwurf für 2024 soll es 24 Milliarden Euro für Geringverdiener, kinderreiche Familien und Beamte geben. Damit würde der staatliche Schuldenberg auf über drei Milliarden Euro anwachsen. Das wären mehr als 140 Prozent der Wirtschaftsleistung – laut EU-Stabilitätspakt sind nur 60 Prozent erlaubt.
Die Finanzmärkte reagieren bereits nervös: „Italienischen Staatsanleihen droht eine Herabstufung auf Ramschniveau“, lautet der Warnruf. Je schlechter die Bonität eines Staates, desto höhere Zinsen muss dieser bezahlen, um an Geld zu kommen. Anleger verlangen saftige Risikoaufschläge. Dadurch schwillt das Defizit immer weiter an – ein Teufelskreis.
Hatten wir das nicht schon mal? Bei der Eurokrise ab 2010 löste der Schulden-Tsunami in Griechenland heftige Turbulenzen in der Gemeinschaft aus. Da viele europäische Banken griechische Staatsanleihen gekauft hatten, mussten sie diese als „faule Kredite“ abschreiben. Das wiederum riss tiefe Löcher in die Bilanzen der Geldhäuser. Kredite an Staat, Firmen und Verbraucher flossen nur noch spärlich. Eine schwere Wirtschaftskrise war die Folge. Konsequenz: 2012 wurde der Euro-Rettungsschirm eingeführt, der überschuldete Mitgliedstaaten mit Darlehen und Bürgschaften über Wasser hielt.
Der Euro-Rettungsschirm würde im Notfall auch über Italien aufgespannt werden. Aber noch aus einem anderen Grund ist ein Horror-Szenario à la Griechenland nicht zu befürchten. Es gilt der alte Satz aus der globalen Finanzkrise 2008: „too big to fail“ – „zu groß, um bankrott zu gehen“. Die Eurozone würde Italien, die drittstärkste Volkswirtschaft in der EU, nicht pleitegehen lassen.
Falls nötig, würde die EZB als Krisen-Feuerwehr vorübergehend italienische Staatsanleihen kaufen. Es gibt noch einen zusätzlichen Risiko-Puffer: Ein großer Teil der italienischen Staatsschulden wird entweder von heimischen Banken oder von der EZB gehalten. Die Ansteckungsgefahr ist also weitaus geringer als im Falle Griechenlands.
Dennoch können die Probleme des italienischen Patienten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Meloni hat durch ihren laxen finanzpolitischen Kurs die Schuldenlast vergrößert. In Zeiten des billigen Geldes wurden viele Ausgaben auf Pump gestemmt. Hinzu kommt, dass Italien im Zuge des Europäischen Wiederaufbaufonds nach der Pandemie bereits 150 Milliarden Euro an Zuschüssen und Billigkrediten aus Brüssel erhalten hat.
Besonders Italien profitiert davon, dass die strengen Schuldenregeln zu Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt wurden. Geht es nach der EU-Kommission, sollen die Defizit-Grenzen künftig flexibler ausgelegt werden. Meloni und der französische Präsident Emmanuel Macron stehen hinter diesem Vorstoß. Beide Länder haben angekündigt, dass das Haushaltsdefizit auch 2024 deutlich über der Marke von vier Prozent liegen wird – laut EU-Stabilitätspakt sind nur drei Prozent erlaubt. Der Grund liegt auf der Hand: Frankreich und vor allem Italien brauchen im nächsten Jahr voraussichtlich noch mehr Geld als in diesem Jahr.
Länder wie Deutschland, die Niederlande oder Österreich lehnen diesen Kurs ab: Sie legen Wert auf ausgeglichene Budgets. Zu Recht, denn eine Finanzpolitik des „Laissez-faire“ wäre für Europas Wirtschaft gefährlich.
In Zeiten der Mega-Krisen – Corona, Energie, Kriege – ist es zwar sinnvoll, dass der Staat mit Milliarden-Subventionen einen schweren Einbruch der Wirtschaft verhindert und für einen sozialen Ausgleich sorgt. Insofern war der „Doppel-Wumms“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) berechtigt. Doch aus der Ausnahme-Situation darf kein Dauerzustand werden. Die Regierungen müssen zum Kurs finanzpolitischer Tugend zurückkehren und ausgeglichene Haushalte vorlegen. Wenn die Finanzmärkte Vertrauen verlieren, wird die Geldbeschaffung am Kapitalmarkt teuer. Das Beispiel Italien und die neuesten „Ramschniveau“-Gerüchte belegen dies.