Die Krise um die Credit Suisse zeigt: Investoren müssen Risiken breit streuen
Ist es wieder so weit: Stehen wir vor einer neuen Finanzkrise? Die taumelnde Schweizer Großbank Credit Suisse ist nur knapp an einem Zusammenbruch vorbeigeschrammt. Die Erschütterungen fügten nicht nur dem traditionsreichen Finanzplatz in der Alpenrepublik tiefe Schrammen zu. Sie rissen zu Beginn der Woche die Aktienkurse der Banken weltweit in den Keller, auch die von Deutscher Bank und Commerzbank.
Die Zwangsfusion der Credit Suisse mit der UBS, dem Platzhirsch der Schweizer Geldhäuser, weckt schlimme Erinnerungen. Die Schrecken der Finanzkrise mit dem Kollaps der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben.
In den 90er- und zu Beginn der Nullerjahre hatten viele US-Bürger mit geringer Bonität Hypothekenkredite aufgenommen. Sie kauften sich praktisch ohne Eigenkapital Häuser und verkauften diese später mit Gewinn. Die Banken reichten hypothekenbesicherte Anleihen rund um den Globus weiter. Das ging so lange gut, wie die Preise für Wohnungen und Häuser stiegen. Als die Blase platzte, konnten die Immobilienbesitzer ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Die Banken saßen auf Unmengen fauler Kredite.
Die heutigen Turbulenzen auf dem globalen Finanzmarkt sind zwar nicht mit der Panikstimmung der Jahre nach 2008 zu vergleichen. Die Banken verfügen über mehr Eigenkapital und sind besser reguliert. Aber die von der Schweizer Regierung verordnete Übernahme der Credit Suisse durch die UBS sorgte zwischen New York und Tokio für einen massiven Vertrauensverlust. „Kapital ist ein scheues Reh“, lautet eine alte Branchen-Weisheit.
Die Credit Suisse gehört zu den 30 systemrelevanten Banken weltweit. Für diese Institute gilt der Grundsatz „too big to fail“, „zu groß, um zu scheitern“. Ein Crash nach Lehman-Art würde in der globalen Finanzwirtschaft einen Tsunami auslösen. Deshalb intervenierte die Schweizer Regierung und sicherte den Last-Minute-Deal zwischen Credit Suisse und UBS mit üppigen Garantien ab.
Die Probleme der Credit Suisse sind zum großen Teil hausgemacht. Das einstige Nobelinstitut hat mit windigen Investments Milliarden verbrannt. Nach Presseberichten wurden mutmaßlich korrupte Politiker, Kriegsverbrecher, Drogendealer und Menschenhändler bei der Geldanlage beraten. Allein im vierten Quartal 2022 hatten Kunden rund 111 Milliarden Franken abgezogen. Eine kluge Finanz-Strategie sieht anders aus.
Das gilt auch für den kurz vor der Schweizer Zwangsehe erfolgten Absturz zweier US-Regionalbanken. Die Silicon Valley Bank (SVB) aus San Francisco war bei Tech-Unternehmern und Wagniskapitalgebern heiß begehrt. Viele Start-ups hatten dort ihre Geschäfts- und Gehaltskonten. Das funktionierte, solange während der Politik des billigen Geldes immer neue Mittel in die Start-ups flossen. Doch seit Inflation und Zinsen steigen, halten die Investoren den Daumen auf der Schatulle. Viele der Firmen wechselten zu anderen Banken, wo sie einen besseren Schnitt machten.
Die SVB saß plötzlich in der Falle. Das Haus hatte einen Großteil seiner Einlagen in US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit umgeschichtet. Diese Bonds sind zwar ausfallsicher, werfen aber kaum Zinsen ab. Die Bank musste die Papiere weit unter Wert verkaufen, um ihre Kunden auszuzahlen. Sie kam unter die Räder, weil sie einen alten Investoren-Grundsatz mit Füßen getreten hatte: Nie alle Eier in einen Korb legen.
Nach dem SVP-Aus wurde die New Yorker Signature Bank dichtgemacht. Das Institut hatte auf das Geschäft mit Kryptowährungen gesetzt, die nach der Pleite der Skandalbörse FTX schwer unter Druck geraten waren.
Das jüngste Bankenbeben hat zwar nicht die toxische Qualität der Finanzkrise, ist aber trotzdem gefährlich. Geraten die Geldhäuser unter Stress, kommen Unternehmen und Verbraucher schwerer an Kredite – der Konjunkturmotor stottert. Die Lage ist ohnehin angespannt. Die zuletzt sprunghaft angehobenen Zinsen drücken auf Aktien- und Anleihenkurse, wirken für Betriebe als Investitionsbremse. Sie belasten die Immobilienmärkte und schränken den finanziellen Spielraum der Regierungen ein. Privatanleger wie Banken können sich wappnen: Sie müssen kühlen Kopf bewahren, die Gier nach dem schnellen Gewinn herunterfahren und Risiken breit streuen.