Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bedauert, dass Geld für Natur- und Klimaschutz gestrichen wird. Die Kosten für die Schadensregulierung von Extremwetterlagen seien deutlich höher als die Summen, die man jetzt streicht.
Dass alles wirklich gut klang, will Dr. Verena Riedl nicht sagen. Vielsprechend hörte sich das Ganze aber schon an. „Vier Milliarden Euro fürs Klimaschutz-Aktionsprogramm – noch nie wurde so viel Geld für die Wiederherstellung von Ökosystemen bereitgestellt“, erinnert sich die Teamleiterin Naturschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) an den Start der Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Zu tun, sagt sie, gibt es genug: „Flüsse und Bäche, Auen, Wälder, aber auch Moore, die größten Kohlenstoffspeicher an Land.“
Nicht erst seit Jahren, bereits seit Jahrzehnten fordern Naturschützer nicht nur, dass die Zerstörung der Umwelt gestoppt wird – sie verlangen auch, bereits zerstörte Natur wiederherzustellen. Wie wichtig das ist, schienen nun auch die Regierenden verstanden zu haben. Aber dann kam es doch anders. „Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz sollte die Zeitenwende in der Finanzierung von Natur- und Klimaschutz einläuten, doch der anfängliche Enthusiasmus ist seitdem teilweiser Ernüchterung gewichen“, sagt Riedl.
Klimaschutz „ins Stolpern geraten“
Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Verwaltungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene vor einer Aufgabe stehen, der sie personell und teilweise auch fachlich nicht gewachsen sind. Es mussten Förderrichtlinien her, die klären, wer für was wie viel Geld bekommt. Da hat einiges funktioniert, anderes nicht. Die Förderung ländlicher Kommunen sei „am weitesten fortgeschritten“, stellt der Nabu fest. Die eingereichten Projekte seien vielseitig. Sie reichen von Gewässer- und Moor-Renaturierungen bis hin zu klassischen Stadtbegrünungen.
Viele der aus Sicht der Naturschützer besonders wichtigen Förderrichtlinien lassen dagegen weiterhin auf sich warten. Dazu gehöre aus Sicht des Nabu das „1.000-Moore-Programm“, die Förderung „der Wiedervernässung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen“ und die „Sicherung kleiner Wildnisflächen“. Auch die geplante „Beschleunigungsoffensive für Projekte zur Wiederherstellung der Natur“ fehlen bisher.
„Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung ist es nicht so einfach, Naturschutzfinanzierung in kurzer Zeit hochzuskalieren“, räumt der Nabu ein. Er stellt aber auch fest, dass die Umsetzung der Regierungsbeschlüsse aus den eigenen Reihen ausgebremst werde. Der Nabu nennt die FDP nicht ausdrücklich, spricht aber von „einem widerwilligen Koalitionspartner im BMF“. Das BMF ist das Bundesfinanzministerium unter FDP-Chef Christian Lindner. Dessen Ministerium „stellte direkt nach Kabinettsbeschluss erstmal die verfassungsmäßige Zuständigkeit des BMUV infrage und verbrauchte so wertvolle Ressourcen für das Löschen von Nebelkerzen“, heißt es beim Nabu. Das BMUV ist das von der Grünen Steffi Lemke geführte Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Diese parteipolitischen Spielchen seien ärgerlich. „Wirklich ins Stolpern geraten“ sei das Klimaschutz-Aktionsprogramm aber dann acht Monate nach Kabinettsbeschluss, als das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von 60 Milliarden Euro Corona-Hilfen für Klimaschutz und Transformation für verfassungswidrig erklärte. Das Ergebnis: Anfang des Jahres wurden aus dem Programm über 500 Millionen Euro gestrichen. Zudem ist die Hälfte der Mittel „vorerst durch einen Verfügungsvorbehalt des Bundesfinanzministeriums zurückgestellt“.
„Dass Deutschlands einziges Förderinstrument für natürlichen Klimaschutz und natürliche Klimaanpassung nun schon wieder in einem Atemzug mit Sparplänen genannt wird, ist – milde gesagt – befremdlich bis absurd. Bemerkenswert ist auch die politische Taktik anderer Ressorts, den Mittelabfluss und die Fertigstellung von Förderrichtlinien zu verzögern und dann genau diese Verzögerungen als Rechtfertigung für weitere Kürzungen zu verwenden“, fasst der Nabu das Geschehen zusammen. Dabei sei auch die ursprünglich festgelegte Summe bereits viel zu niedrig gewesen, um die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele zu erreichen. Der Nabu verweist dazu aufs Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das „die Klimaklage der Kolleginnen und Kollegen von der Deutschen Umwelthilfe bestätigt“ habe. Das Oberverwaltungsgericht stellte fest, „dass die Maßnahmen und Gelder des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz bei Weitem nicht ausreichen, um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.
„Gleichzeitig verlangen die Folgen der Klimakrise einen immer höheren Preis“, sagt Verena Riedl mit Blick auf die jüngsten extremen Hochwasserlagen im Saarland, Baden-Württemberg und Bayern. Wer sich die verheerenden Folgen dieser Ereignisse anschaue, dem müsse klar sein, dass die Kosten, die dadurch entstanden sind und weiter entstehen werden, um ein Vielfaches höher sind als die für ernsthaften Naturschutz. Die Schadensregulierung werde Summen verschlingen, gegen die die jetzt gestrichenen Fördermittel eher wie Kleingeld wirken. Es gehe aber nicht nur um Geld: „Viele Menschen stehen vor dem Nichts. Die psychischen Schäden, die Hochwasserkatastrophen auslösen, und die Menschen, die dabei gestorben sind, kann man nicht beziffern“, sagt Verena Riedl.
Man dürfe sich aber auch im Falle weiterer Finanzierung von Naturschutz keine Illusionen machen. Der Klimawandel werde auch dann nicht komplett zu stoppen sein, wenn sofort und wesentlich konsequenter als bisher gehandelt wird. Deshalb müsse es auch Teil des Naturschutzes in Deutschland sein, „Landschaften auf den Klimawandel vorzubereiten“, erklärt Riedl. Das heißt: „Wasser in der Landschaft halten“. Dazu müsse man die Fließgeschwindigkeit von Flüssen und Bächen drosseln. Das gehe am besten, indem man „Flussläufe wieder mäandernd, also die Begradigungen rückgängig macht“. Außerdem müsse man Uferbefestigungen entfernen, sodass das Wasser nicht wie durch einen Kanal durchrauscht, sondern sich in die Landschaft drückt. Diese Rückhalteflächen für Hochwasser, erklärt Riedl, haben einen weiteren positiven Effekt: „So kann gegen Dürren vorbeugt werden.“
„Seit März 2023 nicht viel vorangegangen“
In einem Nabu-Papier zur aktuellen Situation des Natur- und Hochwasserschutzes kann man sich in diesem Zusammenhang eine Spitze gegen das von der FDP geführte Bundesverkehrsministerium nicht verkneifen: „Vielleicht investiert man auch deshalb lieber in Flugtaxis, um damit später Menschen in Hochwassergebieten von ihren Hausdächern retten zu können.“
Statt Naturschutz auszubremsen, müsse man mehr Tempo machen. Aber genau das versuche eine starke Lobby zu verhindern, sagt Riedl. Bei Bürgerbefragungen in ganz Europa habe es eine große Zustimmung für ambitioniertere Naturschutzpläne gegeben. Auch in den Staaten, die immer wieder versuchen, Naturschutz auszubremsen. Manchmal sind diese Staaten erfolgreich. Eine EU-Verordnung, die den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft merklich verringern sollte, „ging nicht durch“, bedauert Riedl. Die Lobby der Landwirte und der Chemieindustrie war zu stark.
Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung von Ökosystemen ist zwar nun ganz knapp abgesegnet worden. Aber um die Arme zum Jubeln hochzureißen, ist es aus Riedls Sicht noch deutlich zu früh. In den EU-Staaten müsse nun erst mal „die Finanzierung sichergestellt werden“. Wie mühsam die Umsetzung von EU-Beschlüssen oft ist, zeige die Zielvorgabe der Biodiversitätsstrategie, bis zum Jahr 2030 in jedem Mitgliedsstaat 30 Prozent der Flächen zu „effektiven Schutzgebieten“ zu machen: „In Deutschland ist seit März 2023 nicht viel vorangegangen“, stellt der Nabu fest. Man habe noch nicht einmal geklärt, welche Flächen es in Deutschland sein sollen. Bisher wurden von Deutschland etwa 17 Prozent gemeldet.
Auch bei der Frage, wie es um die Qualität der bereits gemeldeten Schutzgebiete steht, habe Deutschland seine Hausaufgaben nicht gemacht. „Die Schutzgebiete innerhalb der 30 Prozent sollen alle klare Schutz- und Erhaltungsziele, ein gut geplantes und wirksames Management sowie ein zur Messung der Zielerfüllung angemessenes Monitoring erhalten. Davon sind die meisten Schutzgebiete in Deutschland noch weit entfernt“, sagt der Nabu. Aber dass alles nur schlecht ist, will Verena Riedl nicht sagen. Denn „erfreulich ist, dass die Wiederherstellung als unumgänglicher Teil der Lösung erkannt wurde“.