Nach einem Seuchen-Jahr will Saarlands beste Leichtathletin wieder angreifen: 400-Meter-Sprinterin Laura Müller hat die WM fest im Blick und die Olympischen Spiele im Hinterkopf.
Die Freude ist hörbar. „Ich bin einfach froh, wieder gesund und fit zu sein und das volle Trainingspensum absolvieren zu können“, sagt Laura Müller und schiebt ein klares: „Mir geht es gut“ nach. Die 27-jährige 400-Meter-Sprinterin hat eine schwere Zeit hinter sich. Das vergangene Jahr war von Verletzungen geprägt: Wegen einer Rückenverletzung verpasste sie im Juli die Weltmeisterschaften in Eugene/USA und im August die spektakuläre Heim-Europameisterschaft in München. Erst bei den Deutschen Hallenmeisterschaften Ende Februar in Dortmund meldete sie sich zurück – und zwar mit dem Gewinn der Bronzemedaille im Einzel.
Gutes Comeback in Dortmund
„Der dritte Platz ist in Ordnung. Mit einer störungsfreieren Vorbereitung wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen, aber es ist schon schön, bei den Deutschen Meisterschaften um einen Medaillenplatz mitlaufen zu können“, findet sie, ergänzt aber nach kurzer Überlegung: „Vor dem Hintergrund der Widrigkeiten kann ich die Medaille aber eigentlich auch als Erfolg einordnen. Es war ein guter Zwischenschritt mit Blick auf den Sommer.“ Nach den gerade erst überstandenen Rückenbeschwerden meldete sich im Dezember 2022 die Achillessehne, hinzu kam eine langwierige Erkältungserkrankung im Januar 2023. „Das hat meine Vorbereitung auf die Wettkämpfe doch sehr gestört. Deshalb war auch lange nicht klar, ob ich überhaupt eine Hallensaison bestreite“, berichtet Müller. Die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften wollte sie sich aber nicht nehmen lassen. Statt sich, wie üblich, durch die Teilnahme an anderen Wettkämpfen darauf vorzubereiten, setzte sie den Fokus voll auf das Training – und wurde letztlich mit der Bronzemedaille belohnt.
Apropos Training. Das hat die gebürtige Dudweilerin vor Kurzem umgestellt. Sie wechselte zur besten Trainingsgruppe in Europa, die von Bram Peters und Laurent Meuwly trainierte niederländische Nationalmannschaft. Ihre Schützlinge gewinnen in Europa derzeit alles und sind auch auf Weltniveau stark unterwegs: Das bewiesen sie mit WM-Silber in der Mixed-Staffel und zuletzt durch den neuen Hallen-Weltrekord (49,26 Sekunden), den Müllers niederländische Trainingspartnerin Femke Bol vor wenigen Wochen aufstellte. Dass die Saarländerin, die zuvor mit Trainern in Amerika und zuletzt in Berlin zusammengearbeitet hatte, nun mit solchen Kalibern trainieren darf, macht sie „sehr dankbar. Das war für mich ein großer Schritt, der viele Veränderungen im Training nach sich gezogen hat“, sagt Müller und erklärt den Grund für ihren Trainerwechsel so: „2022 war so eine Saison, bei der ich einfach gemerkt habe, dass das Trainerkonzept nicht zu 100 Prozent zu mir passt. In dieser Zeit habe ich viel über meine Situation nachgedacht und mich gefragt, ob ich mit Blick auf die Spiele in Paris noch einmal etwas verändern wollte.“ Ihr war klar: Wenn sie das tun wollte, dann sofort. Und so kam es dann auch: Kontakt zur niederländischen Trainingsgruppe bestand schon länger, und so kam die eine zu den anderen.
Als ausländische Athletin und damit Konkurrentin der niederländischen Kaderathletinnen darf Laura Müller nicht deren Trainingsgelände und Stützpunkte nutzen. Nur im Rahmen von Trainingslagern außerhalb der Niederlande darf sie mit den Besten der Besten in Europa trainieren. Ab Ende März beispielsweise drei Wochen lang in Südafrika. Der Trainingsalltag findet hingegen mittels „Fernbetreuung“ in Saarbrücken statt, wo sie zusammen mit Landestrainer Sven Zimmermann die Trainingspläne von Bram Peters umsetzt. „Es war trainingstechnisch schon eine große Umstellung, weil ich viele neue Ansätze kennengelernt habe. Mein Körper brauchte seine Zeit, um sich daran zu gewöhnen, aber ich bin sicher, dass mich das neue Konzept weiterbringen wird“, sagt Müller.
Olympia ist eine große Motivation
Wie weit, wird die im Mai beginnende Wettkampfsaison zeigen. Deren Höhepunkt ist zweifellos die Weltmeisterschaft in Budapest (19. bis 27. August). An welchen Wettkämpfen sie bis dahin teilnehmen wird, steht noch nicht fest und wird zusammen mit ihrem Trainer in Südafrika besprochen. Fixpunkte sind neben der WM nur die Team-EM (21. bis 26. Juni in Chorzow/Polen) und die Deutschen Meisterschaften (8. und 9. Juli in Kassel). Demnach ist unklar, ob Müller dieses Jahr beim traditionellen Rehlinger Pfingstsportfest (28. Mai) dabei sein wird. Nach dem mittelfristigen Ziel der WM-Teilnahme gibt es auch schon ein langfristiges: die Olympischen Spiele in Paris, die sich nicht erst seit gestern in Müllers Hinterkopf eingenistet haben. Ende Juli 2023 beginnt der Qualifikationszeitraum. Teilnehmen darf nur, wer sich über die Erfüllung der Norm von 50,95 Sekunden qualifiziert oder mit einem Platz unter den besten 40 der bereinigten Weltrangliste. „Natürlich ist Paris schon jetzt ein Thema. Es wäre ein Traum und ich finde, man sollte niemals ‚nie‘ sagen“, gibt sich Laura Müller hoffnungsvoll. Die 400-Meter-Spezialistin betont aber auch: „Der Fokus liegt zunächst einmal darauf, sich mit der Staffel zu qualifizieren.“ So oder so zählt für die Saarländerin der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles.“ „Es ist schön, dass die Spiele wieder auf europäischem Boden stattfinden. In Tokio 2021 waren wir ja weit weg, und wegen der Pandemie waren auch keine Zuschauer da“, erinnert sich Müller: „Es waren einfach keine normalen Olympischen Spiele.“ Das wird in Paris anders sein. Und noch dazu quasi „vor der eigenen Haustür. Das ist eine große Motivation für mich“, sagt die Wirtschaftspsychologie-Studentin.
Um sich im Sommer 2023 in der Weltrangliste zurück auf die vorderen Plätze zu kämpfen, muss sie vor allem eines: verletzungsfrei bleiben. Die gesundheitlichen Probleme haben sie sogar aus der Top 100 rutschen lassen. Eine Qualifikation über das Knacken der Norm scheint angesichts ihrer 0,71 Sekunden darüber liegenden persönlichen Bestzeit von 51,69 Sekunden aber noch schwieriger: „Meine Bestzeit stammt immer noch aus dem Jahr 2016. Es wäre schon ganz schön, die mal anzugreifen“, gibt sich Müller kämpferisch.