Für den Fall, dass keine Sonne scheint und der Wind nicht weht, arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an einem Anti-Blackout-Verfahren im Bereich erneuerbarer Energien. Mithilfe bereits gewonnener Energie wird neue hergestellt. Dazu braucht es lediglich eine Carnot-Batterie und Salz.
Dunkelflauten, Lastspitzen? Beides steht für die Angst vor Stromausfällen einerseits sowie für Massen an umweltfreundlichen erneuerbaren Energien andererseits. Statt die Power, die Sonne und den Wind freigiebig ungenutzt zu verschwenden, sollen Speichersysteme ran, die Energie für später aufheben. So wie ein Kühlschrank zu viel gekochtes Essen.
Die Zutatenliste für Batterien und Akkus ist überraschend vielfältig. Zugunsten umweltfreundlicher Energiespeicher wird mit interessanten Materialien geforscht. Man nehme die Schalen von Krebsen, Altpapier, Zink und Eisen oder – durch ein EU-Projekt gefördert – Salz. Selbst Klimapessimisten werden ihre Freude am Energiewende-Projekt auf Salz-Basis finden, an dem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt im Forschungsprojekt Chester (komprimierte Wärmespeicherung für Energie aus erneuerbaren Quellen) mit anderen Beteiligten arbeitet. Es soll die Aufnahme speicherbarer Energie bestenfalls verdoppeln. Aus Forschung und Industrie sind dabei: Tecnalia als Projektkoordinator, Iren, die Universität Stuttgart, PlanEnergi, Aiguasol, Encontech B.V., die Universität Ghent, die Polytechnische Universität Valencia, die Universität Ulster, PNO Innovation und Goi-Ener.
Durchgängig klimaneutral erzeugter Strom
Als besonderen Part hat das DLR-Institut für Technische Thermodynamik einen Latent-Wärmespeicher mit Wärmeüberträgern entwickelt. Sie erinnern vom Design her an Schneeflocken. Er ist mit rund zwei Kubikmetern Nitratsalzen gefüllt. Eine Hochtemperatur-Wärmepumpe erhitzt mit dem zu speichernden Strom das Salz auf 150 Grad.
Für einen effizienten Energietransfer zwischen den Dampfkreisläufen und dem Salz haben die Wärmeüberträger einen rippenartigen Querschnitt. Dadurch ergibt sich für das Salz eine möglichst große Kontaktoberfläche. Die Rohre im Speicherbehälter bieten Raum für zwei Kanäle und den Betrieb mit unterschiedlichen Kältemitteln. Neben Aufladen und Entladen des Wärmespeichers, können so verschiedene Prozessteile des Speichersystems miteinander gekoppelt werden.
Typischerweise liegt die Speicherzeit für Carnot-Batterien bei einigen Stunden bis Tagen: So lange können sie üblicherweise die eingelagerte Energie in Form von Wärme speichern. Ein zweiter Kreislauf überträgt die Wärme zu einer Wärmekraftmaschine, die eine Turbine mit Generator antreibt, wenn der Strom benötigt und der Speicher dafür entladen wird. Der durchgängig klimaneutral erzeugte Strom wird dann wieder ins Netz eingespeist.
Doch Salz ist nicht gleich Salz: Abhängig von der jeweiligen chemischen Verbindung könnten Latent-Wärmespeicher bei Chester aufgrund des beschriebenen Schneeflocken-Designs rund doppelt so viel Energie aufnehmen wie Wärmespeicher ohne Schmelzvorgang. „Latent deswegen, weil das Salz beim Erwärmen schmilzt. Ein Teil der zugeführten Heizwärme steckt scheinbar verborgen, also latent, im Lösen der Bindungen der Salzkristalle“, erklärt Projektbetreuerin Maike Johnson.
Carnot-Batterien lassen sich fallgemäß anpassen
Eine Eigenschaft, die sich mit geeigneten Verfahren klimafreundlich nutzen lässt. So könnten Versorger Schwankungen in Angebot und Nachfrage regenerativer Energien ausgleichen. Die Erneuerbaren bekommen dadurch die Möglichkeit, verlässlich und regelbar Strom zu liefern. Carnot-Batterien liefern sogar zugleich Wärme und Strom. Stichwort Sektorenkopplung: Dadurch dass sie sich leicht mit anderen Energiesystemen verbinden lassen, kann die gespeicherte Wärme in vielen Industrieprozessen direkt genutzt werden. Davon profitieren Industrie wie auch Wohn- und Arbeitsbereiche: Wenn Wohnsiedlungen oder Büroparks über lokale Strom- und Wärmenetze mit Energie versorgt werden, lassen sich Carnot-Batterien fallgemäß anpassen: in Größe, Kapazität und Energiemanagement.
„Carnot-Batterien haben das Potenzial für einen flächendeckenden Einsatz in einer nachhaltigen Energiewirtschaft. Wir erwarten, dass industriefähige Systeme in rund zehn Jahren am Markt verfügbar sind. Diese sind dann für längere Speicherzeiten und Leistungen von mehreren Megawatt ausgelegt“, erklärt Dr. Andrea Gutierrez, Leiterin der Fachgruppe Thermische Speicher mit Phasenwechsel am DLR-Institut für Technische Thermodynamik.
Die Lösung liegt bei Strom aus Salz im Detail: „Für einen stabilen Wärmeübertrag zwischen Wärmepumpe und Speicher und dann zur Wärmekraftmaschine müssen alle Komponenten zeitlich und mit der passenden Leistung zusammenspielen“, erzählt Diplom-Ingenieurin Maike Johnson von aufwendigen Tests, in denen erforscht wird, wie die Betriebsparameter optimal eingestellt werden müssen. Die Fragestellungen dahinter: Welche Mengen an Kühlmittel sind nötig? Wie schnell lässt sich das Salz aufheizen und abkühlen? Welche Leistung können wir aus dem Speicher herausholen?
In Stuttgart haben die an dem Chester-Projekt Beteiligten eine solche Carnot-Batterie bereits in Betrieb genommen, um die Technologie möglichst gut auf ihre Anwendung in der Praxis einzustellen. Mithilfe der Pilotanlage werden die Systemgrenzen bei unterschiedlichen Lastszenarien, Wärmeflüssen und Temperaturverläufen erforscht, damit sie dann in rund zehn Jahren hoffentlich breitflächig zum Einsatz kommen können.