Der Fortschritt macht Fahrräder technisch komplexer – aus rund 2.000 Einzelteilen besteht ein Bike mittlerweile. Doch man sollte sich nicht abschrecken lassen, vieles lässt sich noch selbst reparieren. Auch die Wartung lässt sich in Eigenregie erledigen.
Zisch! Der Reifen ist platt. Peng! Eine Speiche ist gebrochen. Knirsch! Der Bremszug franst aus. Zwitscher! Die Kette reißt gleich. Am Fahrrad kann vieles kaputtgehen. Da kommt man immer öfters ins Grübeln: Den Schlauch wechseln, das kriegt man doch hin, oder? Aber kann ich auch die Kette erneuern? Der Ölwechsel bei der Nabenschaltung ist doch gar nicht so tricky, oder? „Man kann noch sehr viel am Rad machen“, sagt Ulf Hoffmann, erfahrener Schrauber, Fahrrad-Weltreisender und Autor des Standardwerkes „Fahrradreparaturen“ der Stiftung Warentest.
Gutes Werkzeug sei das A und O. Lieber ein bisschen mehr Geld in Drehmomentschlüssel, Multitool, Inbusschlüssel, Schraubenschlüssel und Spezialwerkzeug investieren, sagt Hoffmann. Peter Remm, ehrenamtlicher Leiter einer ADFC-Selbsthilfewerkstatt in München, rät Hobbyschraubern auch zu einem Montageständer – allein, weil man damit die Bauteile besser sehe, als wenn das Fahrrad kopfüber steht und dann auch Klingel oder andere Anbauteile kaputt gehen können. „Auf Reisen können Sie das Fahrrad als Notbehelf mit dem Sattel auch an einen niedrigen Ast oder Weidezaun hängen.“ Wer Zweifel über die richtigen Hilfsmittel habe, frage im Fahrradladen einfach nach, rät Hoffmann.
Ketten und Ritzel zählen zu den vom Verschleiß am meisten betroffenen Komponenten am Fahrrad. Nur: Kaum einer traut sich ran. Die Missachtung zeigt sich oft an mangelnder Wartung. Ulf Hoffmann hat wenig Verständnis dafür, wenn Menschen mit quietschender Kette durch die Gegend radeln. Der Verschleiß steige drastisch an, wenn der Antrieb nicht regelmäßig gefettet oder geölt werde und: „Es tritt sich schwerer.“ Irgendwann ist es dann so weit: Die Kette ist verrostet oder rutscht durch, das heißt, sie greift nicht mehr richtig in die Zähne. Ob sie verschlissen ist, lässt sich mit einer Kettenverschleißlehre überprüfen. Muss Ersatz her, sollte man darauf achten, die passende Kette zu besorgen: „Früher gab es eine einzige Kettenbreite, heute gibt es bis zu fünf verschiedene – je nach Schaltung“, so ADFC-Mitarbeiter Remm.
Dementsprechend müsse man auch darauf achten, zum Verschließen der neuen Kette den passenden Kettennietdrücker beziehungsweise – bei Ketten mit Verschluss – das richtige Kettenschloss parat zu haben. Einzelne Fahrradketten werden in der Regel mit 114, 116 oder 126 Gliedern verkauft. Die richtige Anzahl fürs eigene Fahrrad lässt sich an der alten Kette abzählen – vorausgesetzt, so Remm, deren Spannung stimmte zuvor.
Übliche Materialkosten: Kette (7 bis 40 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: Verschleißlehre (5 bis 25 Euro), Kettennietdrücker (ab 6 Euro), Kettenverschluss (1,50 Euro bis 15 Euro), gegebenenfalls Rohrzange zum Öffnen des Kettenverschlusses; Zeitaufwand Kette wechseln: fünf bis zwölf Minuten
Rutscht die neue Kette immer noch durch, vertragen sich Kette und Ritzel nicht mehr. Das liege daran, sagt Remm, dass sich die Antriebskomponenten über die Zeit „aufeinander einspielen“. Deshalb kann es sinnvoll sein, Kette, Kettenblätter und Ritzel auf einmal zu tauschen.
Ritzel und Kettenblätter abzunehmen und wieder zu montieren, das sei kein Hexenwerk, meint Buchautor Hoffmann, und unter Anleitung gut zu erlernen. Verschleiß erkenne man an der typischen Abnutzung der Zähne, die mit der Zeit Haifischflossen immer ähnlicher werden. Auch hier gebe es spezielle Lehren, mit denen sich die Abnutzung messen lässt. „Am kompliziertesten ist es, das richtige Werkzeug zu finden.“ Der Ritzelabzieher, eine spezielle Nuss, mit der der Zahnkranz gelöst wird, müsse zum Zahnkranz passen. Bei Steckkränzen benötige man zudem eine Kettenpeitsche, mit der man bei der Demontage den Zahnkranz davon abhält sich mitzudrehen. Für die Reise empfiehlt Hoffmann spezielle leichtere Abzieher, die man am Rahmen festklemmt.
Materialkosten: Kassette (ab 15 Euro, je nach Komponente aber teils auch über 200 Euro); Kettenblatt (10 Euro bis mehr als 80 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: Für Kettenblatt: Kurbelabzieher (ab 5 Euro), gegebenenfalls Kettenblattschraubenschlüssel (ab 5 Euro), Inbusschlüssel oder Torx-Schraubendreher, gegebenenfalls Schraubendreher und Drehmomentschlüssel; Für Ritzel: Ring- oder Gabelschlüssel für Achsmuttern falls vorhanden; Zahnkranz- oder Ritzelabzieher (ab 5 Euro); Kettenpeitsche (ab 10 Euro); Zeitaufwand Kettenblatt wechseln: 15 Minuten; Ritzelpaket wechseln: 20 Minuten
Die Bremskomponenten zählen zu den Klassikern unter den Verschleißteilen. Bremszüge für Felgen- oder mechanische Scheibenbremsen zu wechseln, sei kein großes Problem, sagt Hoffmann. Handeln solle man spätestens, wenn es im Bremshebel anfängt zu knirschen: „Beim Zug reißt ein Draht nach dem anderen, deshalb sollte man ihn nicht erst austauschen, wenn er am letzten Draht hängt.“
Aufpassen müsse man erneut bei den Ersatzteilen: „Was brauche ich für ein Bremsseil? Wie sieht der Kopf aus?“ Da gebe es Unterschiede, sagt Hoffmann. Wichtig: Für Vorder- und Hinterradbremse benötige man verschieden lange Züge. Das Einfädeln selbst sei einfach zu bewerkstelligen, könne aber fummelig werden, wenn Züge im Rahmen verlegt sind. Tipp von Werkstattleiter Remm: Mit einer Spritze etwas Silikonöl in die Hüllen geben, damit die Seile gut gleiten.
Materialkosten: Bremszug (ab 1,50 Euro), Quetschhülse (0,30 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: Inbusschlüssel, Drehmomentschlüssel, Gabelschlüssel, Seitenschneider, spitze Zange; Zeitaufwand Bremsinnenzug wechseln: 15 Minuten
Bei hydraulischen Bremsen gibt es kein Bremsseil, das reißen könnte, aber das System kann Luft ziehen – dann leidet die Funktion. „Man bemerkt das daran, dass sich der Bremshebel ohne merklichen Effekt bis zum Griff durchdrücken lässt“, sagt Hoffmann. Dann müsse das System entlüftet werden. Der erforderliche Wechsel der Bremsflüssigkeit sei, nach Anleitung durchgeführt, zwar kein Akt. Doch benötige man dazu eine spezielle Spritze und Spezialöl, das sich die Hersteller teuer bezahlen ließen.
Materialkosten: spezielles Hersteller-Kit mit Öl, Spritze et cetera (ab 20 Euro); Werkzeug (und Kosten) und Hilfsmittel: Inbusschlüssel oder Torx-Dreher, Gabelschlüssel; Zeitaufwand Bremse entlüften: 20 bis 25 Minuten
Auch die Bremsbeläge einer Felgenbremse sind ADFC-Techniker Remm zufolge mit etwas Übung schnell ausgetauscht: Bremszug aushängen, an den Bremsarmen mittels passendem Schlüssel die Beläge lösen, den neuen Belag einsetzen und dann alles wieder zusammensetzen. Dabei sollte man sich die Reihenfolge von Muttern und Unterlegscheibchen merken. Dass die Beläge ihrem Ende entgegensehen, lasse sich an Einkerbungen im Bremsbelag erkennen, die von oben sichtbar sind.
Bei hydraulischen und mechanischen Scheibenbremsen liege der Fall anders, das Laufrad müsse dafür ausgebaut werden. Handlungsbedarf kündige sich spätestens an, wenn es beim Bremsen knirscht. Zur Sichtprüfung muss das Bremspad laut Hoffmann aber entnommen werden. Letzte Gewissheit bringe eine Verschleißlehre. Und eine Falle drohe: Denn wer mit öligen oder schmierigen Fingern Bremsbeläge oder Bremsscheiben berührt, ruiniert die Teile. „Man bekommt sie nie wieder richtig gereinigt.“ Bremsscheiben verschleißen aber grundsätzlich nur langsam und müssen nicht regelmäßig getauscht werden – außer man ist Downhill-Biker oder notorischer Radreisender.
Materialkosten: Bremsbeläge (ab 3 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: Schraubendreher, Zange, Inbusschlüssel; Zeitaufwand Bremsbeläge wechseln: 15 bis 20 Minuten
Falscher Luftdruck stelle ein gängiges Problem dar, das ein weiteres nach sich ziehe, sagt Hoffmann: Denn wer mit zu schlaffen Reifen umherradele, erhöhe nicht nur den Verschleiß am Reifen, sondern riskiere einen Platten. Denn geht es über Hindernisse, werde der Schlauch nicht nur gequetscht. Bei zu wenig Druck sitze er auch im Mantel nicht fest genug und könne sich an den Flanken aufreiben und platzen. „Auch das Ventil kann abreißen.“
Den Schlauch zu flicken, das ist der Klassiker unter den Dingen, die man am Fahrrad gut selbst fixen kann. Doch in den Werkstätten ist diese Fahrrad-Kulturtechnik längst ausgestorben. „Der Händler macht das nicht, weil es umständlicher und teurer ist als einen neuen Schlauch einzuziehen“, sagt Hoffmann. Wer aber mit dem richtigen Luftdruck und Pannenschutzreifen fahre, könne meist mehrere tausend Kilometer ohne Platten unterwegs sein.
Materialkosten: Flickzeug (ab 2 Euro); neuer Schlauch (ab 4 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: zwei bis drei Reifenheber; Schale mit Wasser; Luftpumpe; Zeitaufwand Schlauch flicken und Reifen wechseln: je 20 bis 25 Minuten
„Ein Speichenbruch kann einem die Tour vermiesen“, sagt Ulf Hoffmann. Mit ein bisschen Übung sei der Schaden aber in 30 Minuten behoben. Typischerweise mache es am Hinterrad auf der Antriebsseite peng, denn dort sei die Belastung für die Speichen am größten. Dann dauere das Fixen etwas länger, weil das Hinterrad ausgebaut und der Zahnkranz entfernt werden müsse. Er empfiehlt für längere Touren, passende Speichen dabei zu haben und einen Speichen- oder Nippelspanner (Achtung: Hier gibt es verschiedene Größen) sowie einen Zahnkranzabzieher.
Materialkosten: Ersatzspeiche (ab 50 Cent); Speichennippel (zehn Stück ab 0,50 Cent); Werkzeug und Hilfsmittel: Nippelspanner (ab 2 Euro); Klebeband oder Kabelbinder; Schraubendreher für Speichennippel; Zeitaufwand Speiche wechseln: 20 bis 30 Minuten
Die Kettenschaltung wechselt nicht mehr präzise die Gänge oder sie hält nicht mehr die ursprüngliche Bandbreite? Dann lassen sich manche Gänge nicht mehr einlegen. Das erforderliche Nachjustieren von Schaltwerk und gegebenenfalls Umwerfer sei gut erlernbar, aber nicht in drei Sätzen erklärt. Die Herausforderung liege darin, so Hoffmann, die Kette in Position zu bringen. Das geschehe über je zwei Anschlagsschrauben an Schaltwerk und Umwerfer, über die man den Abstand zum Laufrad oder Rahmen einstellen kann, sodass die Kette später beim Schalten nicht abgeworfen wird.
Materialkosten: keine; Werkzeug und Hilfsmittel: Inbusschlüssel, kleiner Kreuzschlitz-Schraubendreher; Zeitaufwand Schaltwerk und Umwerfer einstellen: 15 bis 20 Minuten
Mit der Zeit längen sich die Züge von Kettenschaltungen. Sie seien ähnlich simpel zu wechseln wie die an der Bremse, sagt Hoffmann. Bei Nabenschaltungen könne es komplizierter werden, da beispielsweise die Kabel auf den Millimeter genau zugeschnitten werden müssten. Einfacher funktioniere der Ölwechsel, den Nabenschaltungen wie die Shimano Alfine, die Rohloff Speedhub oder das Rahmengetriebe Pinion turnusmäßig erfordern. „Man benötigt nur Tülle, Spritze und das Öl.“ Hoffmann rät dazu, Original-Öl vom Hersteller zu verwenden.
Materialkosten: Ölwechselset (12 bis 25 Euro); Werkzeug und Hilfsmittel: Inbusschlüssel; Zeitaufwand Ölwechsel: 25 bis 30 Minuten