Nach starkem Start ist Hertha BSC II in der Regionalliga Nordost seit zehn Spielen ohne Sieg. Aus dieser Misere soll nun ein alter Bekannter helfen.
Die Situation schien vor drei Monaten vielleicht nicht undenkbar, aber doch schwer vorzustellen: Damals hatte Hertha BSC II schließlich selbst nach der ersten nicht so guten Darbietung etwas glücklich mit 1:0 durch einen Treffer kurz vor Spielende beim Berliner AK am vierten Spieltag seinen vierten Saisonsieg gefeiert. Auch, weil die Defensive unter Druck weitgehend sattelfest geblieben war – nun, im November gegen Viktoria Berlin, hatte man nach einigen vergebenen Torchancen letztlich noch das 0:1 kassiert, weil Dominik Schickersinsky ein kapitaler Fehlpass unterlaufen war. Es war somit das zehnte Spiel ohne Sieg für die „Hertha-Bubis“ bei ganzen drei Punkten Ausbeute – die Mannschaft rutschte in der Regionalliga Nordost weiter ab auf Rang 13. Insofern kam die länderspielbedingte Ligapause möglicherweise ganz recht, denn schon beim 0:2 in Luckenwalde Ende Oktober hatte Trainer Stephan Schmidt seiner Mannschaft eine „Nicht-Leistung“ attestiert und daraufhin angekündigt: „Wir werden uns zusammenfinden und darüber reden müssen.“ Inwiefern dies dann stattgefunden hat, ist dabei allerdings nicht ganz klar: Denn Schmidt fehlte bei den Partien in Chemnitz (1:4) und eben gegen Viktoria. Ursache sollen persönliche Gründe (Krankheitsfall in der Familie) sein, die Verantwortlichen von Hertha BSC gestatteten dem 47-Jährigen so eine persönliche Auszeit, deren Dauer noch unklar ist. Ein weiterer Mosaikstein also in der aktuell problematischen Situation bei der Zweitligareserve – Schmidts Assistent, der Ex-Profi Oliver Schröder, stand so zuletzt in der Verantwortung. Doch woran lässt sich der Negativtrend festmachen? Klar ist: Eigentlich alle U23-Teams unterliegen auf diesem Niveau deutlichen Schwankungen – und Herthas Zweite stellt in dieser Spielzeit wieder mal das jüngste Team der Liga (Schnitt: 21,7 Jahre). Der „klassische“ Fall ist dabei, dass die Mannschaften wegen der regelmäßigen Fluktuation im Kader gerade zu Saisonbeginn Schwierigkeiten haben und sich dann mit zunehmender Eingespieltheit auch in der Tabelle konsolidieren.
Abgerutscht auf Rang 13
Letzte Saison hatte Hertha BSC II – noch unter Schmidts langjährigem Vorgänger Ante Čović – nach dem elften Spieltag Anfang November erst elf Punkte auf der Haben-Seite. Zum Ende der Hinrunde waren es dann bereits beinahe doppelt so viele, und im gesamten zweiten Halbjahr konnte man noch mal 30 Punkte „obendrauf“ sammeln. Für den in der Jugendarbeit erfahrenen Covic war somit der schwache Start seinerzeit kein Grund zur Beunruhigung. Doch natürlich ließ der „Kickstart“ der blau-weißen U23 dieses Jahr aufhorchen – vor dem besagten Spiel beim BAK hatten die Talente bereits Chemie Leipzig (3:0) und die VSG Altglienicke (6:2) abgefertigt und beim 4:3 gegen Drittligaabsteiger FSV Zwickau Stehvermögen bewiesen. Nach vier Runden fünf Punkte vor den selbsternannten Aufstiegskandidaten Energie Cottbus oder BFC Dynamo an der Spitze zu stehen, das sorgte in der Öffentlichkeit natürlich für gesteigerte Aufmerksamkeit.
Rückblickend muss man feststellen: Mehr als die Hälfte der 14 Tore in den ersten vier Partien ging etwa auf das Konto von Spielern, die der „Zweiten“ inzwischen nicht mehr zur Verfügung stehen. Der 19-jährige Gustav Christensen (drei Einsätze, drei Tore) war eigentlich als Neuzugang zu den Profis geholt worden und holte sich bei den „Bubis“ Spiel- und in seinem Fall auch „Abschlusspraxis“. Auch Stürmer Smail Prevljak kam zu einem Einsatz in der Regionalliga Nordost und traf auf Anhieb, bevor er wieder zu Pál Dárdais Zweitligateam zurückkehrte. Ensar Aksakal (zwei Tore) wiederum wechselte nach dem sechsten Spieltag auf Leihbasis zum türkischen Zweitligisten Göztepe Izmir – und nicht zuletzt Derry Scherhant (insgesamt fünf Tore in fünf Einsätzen) traf dreimal in der erfolgreichen Startphase. Der 21-Jährige ist aber spätestens seit den Verletzungen von Offensivspielern wie Palko Dárdai oder Ibrahim Maza „oben“ längst kein Pendler mehr zwischen den Hertha-Teams, sondern beim Profikader fest eingeplant. Von den aktuell noch zur Verfügung stehenden Torschützen haben dabei mit Mustafa Abdullatif (vier), dem von den Profis herabbeorderten Myziane Maolida und Ruwen Werthmüller (je drei) nur drei Spieler mehr als ein Erfolgserlebnis 2023/24 vorzuweisen. So ließ der Schnitt der geschossenen Tore im Vergleich zwischen dem starken Anfang und dem weiteren Verlauf um nahezu zwei Drittel nach. Der Schnitt der Gegentore verdoppelte sich hingegen, aus der drittbesten Defensive wurde so die zweitschlechteste der Regionalliga Nordost.
Gersbeck blieb nicht zu null
Selbst der erfahrene Profi-Torwart Marius Gersbeck fing sich dabei nach Aufhebung seiner Suspendierung in zwei Partien für die Wettkampfpraxis bei der U23 vier Tore – in Luckenwalde dabei sogar eins aus der gegnerischen Hälfte. Schmidt-Vertreter Oliver Schröder brachte es so bereits nach der 1:4-Pleite beim damaligen Tabellen-14. Chemnitzer FC auf den Punkt: „Klar geht’s darum, dass wir Spieler entwickeln für oben – aber es wäre natürlich wichtig, dass die Jungs auch mal wieder ein Erfolgserlebnis haben.“ So rückt nun ein buchstäblich „alter Bekannter“ in den Mittelpunkt bei Hertha BSC II: Ex-Profi Änis Ben-Hatira (über 100 Bundesligapartien). Der frühere Spieler der Ersten Mannschaft (77 Einsätze) hielt sich wegen des guten Drahts zur neuen Führungsriege der „Alten Dame“ bereits seit Januar bei der Reserve fit. Im September wurde dann ein Einjahresvertrag mit dem inzwischen 35-Jährigen fixiert, seit dem Heimspiel gegen den BFC Dynamo (20. Oktober) kam der Deutsch-Tunesier zu vier Teileinsätzen mit steigender Spielzeit. Man darf gespannt sein, ob der Oldie – rund acht Jahre älter als der bislang reifste Stammspieler im Team, Nader El-Jindaoui (26) – den „Bubis“ auf dem Platz mehr Stabilität und Ordnung geben kann. In den letzten Partien der Hinrunde stehen dabei als Gegner noch Rot-Weiß Erfurt (zuletzt nur ein Sieg aus neun Spielen), Hansa Rostock II (Aufsteiger mit bislang nur zwei Saisonsiegen) und der zweitplatzierte FC Energie Cottbus auf dem Programm. Eine Woche vor Heiligabend geht es dann bereits zum Rückrundenauftakt zu Chemie Leipzig, die noch ein Hühnchen zu rupfen haben mit dem blau-weißen Talenteschuppen – wegen des Hinspiels, als bei Hertha BSC II noch alles rundlief.