Die junge Generation blickt allen Sorgen zum Trotz erheblich positiver in die Zukunft, als gemeinhin vermutet wurde. Eher konservative Werte stehen im Vordergrund, zeigt die Shell-Jugendstudie. Und es gibt klare Erwartungen an die künftige Arbeitswelt.
Schaut man sich das jüngste Zahlenwerk der Shell-Jugendstudie an, ist man fast geneigt zu sagen: Die heutige Jugend vertritt ungefähr die Ideale, wie zu den Zeiten, als die erste Erhebung ihrer Art 1953 vorgestellt wurde.
Menschen zwischen zwölf und 25 Jahren machen sich natürlich auch aktuell Gedanken über Krieg und Frieden in Europa, auch die wirtschaftlichen Verwerfungen beschäftigen sie, aber dennoch gibt es auch jede Menge Optimismus bei den Befragten. Was hervorsticht: Die Sorge vor drohender Arbeitslosigkeit hat weiter abgenommen. Ganz im Gegenteil, 84 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich ihre beruflichen Wünsche verwirklichen werden. Diese positive Annahme hat einen realen Hintergrund, den demografischen Wandel. In spätestens zehn Jahren gehen auch die letzten Baby-Boomer in die reguläre Rente.
Wenig Sorgen wegen Arbeitslosigkeit
Die heutigen Schüler und Auszubildenden wissen um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sie werden gebraucht. Selbst mit der Erwartung eines eher mäßigen Schulabschlusses sind sich die zukünftigen Abgänger sicher, einen Ausbildungsplatz zu finden, wenn dieser denn ihren Vorstellungen entspricht. Sollte es klappen, dann gehen 92 Prozent davon aus, dass sie nach der Ausbildung von ihrem Betrieb auch übernommen werden, ebenfalls ein Rekordwert, der auch der sich grundlegend verändernden Arbeitswelt geschuldet ist. Wenn heute ein Betrieb ausbildet, dann nicht, um einen preiswerten Azubi für Handlangerarbeiten anzuheuern, sondern weil er dringend Fachkräftenachwuchs braucht, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten oder auszuweiten.
Junge Menschen haben allerdings eine sehr spezifische Erwartung an ihr künftiges Arbeitsleben. Für sie reichen 30 Stunden Arbeit in der Woche, und zwar spätestens dann, wenn das erste Kind da ist. Das gilt zunehmend für junge Männer: 42 Prozent der Befragten jungen Männer wollen dann nur noch 30 Stunden arbeiten. Geht es nach ihnen, ist die viel diskutierte Vier-Tage-Woche schon in wenigen Jahren Realität. Die damit gewonnene freie Zeit soll der Familie gelten, die bei den abgefragten Werten auf Platz drei rangiert.
Freunde und Partner für erfülltes Leben
Zudem sieht es keineswegs so aus, als würde da eine neue Generation von Voll-Egomanen heranwachsen, die in erster Linie nur sich selbst sieht und dann erst mal eine ganze Weile gar nichts mehr. Bei den abgefragten Lebenszielen und Werten stehen gute Freunde ganz oben, gefolgt von vertrauensvoller Partnerschaft, woraus dann ein gutes Familienleben resultieren soll, was übrigens auch das Verhältnis zu Eltern und Großeltern einschließt. Diese wertkonservativen Vorstellungen der Mädchen und Jungen über ihre Zukunft werden dann noch bei der Erziehung untermauert. Bei der abgefragten „Erwerbsarbeit mit Kleinkind“ bevorzugt nahezu die Hälfte der 2.500 befragten Mädchen und Jungen zwischen zwölf und 25 Jahren das Modell „Mann als Allein- oder Hauptversorger“, bis das Kind aus dem Gröbsten raus ist.
Dieses sehr traditionell anmutende Verständnis beim überwiegenden Teil junger Menschen hatte schon bei früheren Studien für Irritation gesorgt, scheint es doch allen Vorstellungen über eine progressive Jugend zu widersprechen.
Deshalb dürfte viele besonders überrascht haben, was die Studie an Einstellungen zu Gendern zutage gebracht hat. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der jungen Menschen ist Gender-Sprache egal, beziehungsweise sie lehnen sie ab. Was sich aber wohl eher auf die sprachliche Darstellung bezieht und nicht zwingend als politische Aussage zu werten ist.
Immerhin bezeichnen sich etwas mehr als die Hälfte als eher links. Wobei traditionell weibliche Jugendliche etwas linker sind als die männlichen Befragten, doch insgesamt spielen sich die Parameter beinahe in der Mitte der abgefragten Skala ab. Eines ist allerdings neu: Junge Frauen und Männer sind erstmals gleich stark an Politik interessiert, ein Novum in 71 Jahren Shell-Jugendstudie: Bislang lagen hier immer die Jungs vorne.