Das Bundesverfassungsgericht soll besser vor Bestrebungen geschützt werden, die seine Unabhängigkeit untergraben oder die Arbeit lähmen könnten. Ampel-Koalition und Union haben sich auf eine Grundgesetzänderung verständigt.
Die Sorge ist nicht unberechtigt. Beispiele aus Polen oder Ungarn zeigen, wie Verfassungsgerichte mit vergleichsweise einfachen Mitteln ausgehöhlt oder lahmgelegt werden können. In der derzeitigen Konstruktion wäre das beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durchaus auch denkbar. Zwar ist das oberste deutsche Gericht mit seinen Aufgaben im Grundgesetz verankert, Regelungen über Zusammensetzung und Arbeitsweise stehen aber lediglich in einem einfachen Gesetz. Und das könnte jederzeit mit einfacher parlamentarischer Mehrheit im Bundestag geändert werden. Eine Absicherung im Grundgesetz würde eine deutlich höhere Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern.
Die Diskussion um eine bessere Absicherung der Unabhängigkeit im Grundgesetz gegen einen möglichen Zugriff autoritärer politischer Kräfte hat nun zumindest zu einer ersten Einigung zwischen der Ampel-Koalition und der Union geführt, deren Stimmen für eine entsprechende Änderung gebraucht werden.
Geplant ist jetzt, die Zahl der Senate (zwei) und die Zahl der Richterinnen und Richter (je acht) sowie deren Amtszeit (zwölf Jahre) und Altersgrenze (68 Jahre) explizit ins Grundgesetz zu schreiben – also das, was bisher in einem einfachen Gesetz stand, in Verfassungsrang zu erheben. Das würde dann auch für die bindende Wirkung von Entscheidungen gelten.
Regeln ins Grundgesetz
Ein in der Diskussion umstrittener Punkt ist bislang ausgeklammert, nämlich die Regelung, dass die Wahl der Richterinnen und Richter mit Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgen muss. Diese Vorschrift bleibt dem Entwurf zufolge im einfachen Gesetz, was aber nach Ansicht von Kritikern die Gefahr birgt, dass es mit anderen Mehrheiten geändert werden könnte.
Der jetzt vorliegende Entwurf ist wohl das, worauf man sich derzeit verständigen konnte. Die Union hatte es sich zumindest in Teilen zwischenzeitlich etwas schwer gemacht, auch wenn viele die Notwendigkeit gesehen haben, wie beispielsweise der Rechtsexperte der CDU-Bundestagsfraktion Ansgar Heveling aus Nordrhein-Westfalen: „Wenn Sie nur ein Bundesgesetz haben, dann können Sie dieses mit einfacher Regierungsmehrheit im Bundestag ändern. Da braucht es nur die einfache Mehrheit, und damit können Sie grundlegende Verfahrensweisen des höchsten deutschen Verfassungsorgans umbauen.“ Jurist Heveling musste allerdings in seiner Partei einige Zeit kämpfen, bis sich auch CDU-Chef Friedrich Merz bewegte und auf die Ampelregierung zuging, um über die Grundgesetzänderung zu verhandeln.
Nicht anders erging es Andrea Lindholz in ihrer CSU-Landesgruppe im Bundestag. Sie ist ebenfalls Volljuristin. „Das Bundesverfassungsgericht ist ein sehr starkes Gericht, aber wir haben gesehen, was sich in Polen und Ungarn abgespielt hat, da wurden die Verfassungsgerichte von den Regierungen in weiten Teilen ausgehöhlt. Darum ist das nun ein starkes Zeichen, dass zukünftig die Verwaltungswege nicht durch Blockaden im Bundestag oder Bundesrat einfach unterwandert werden können. Es geht darum, die Verfassung zu schützen, und dazu gehört auch, dass Verfassungsrichter gewählt werden können, egal, wie schwierig die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag oder Bundesrat sind.“ Die 53-Jährige aus Aschaffenburg ist sicher, dass der Kompromiss zwischen ihrer Unions-Fraktion und den Ampel-Koalitionen im Bundestag spätestens im Herbst im Bundestag die Mehrheit finden wird.