Die Salomonen sind ein vom Massentourismus verschont gebliebenes traumhaftes Archipel im Pazifik. Palmen, Lagunen und faszinierende Unterwasserwelten begeistern Badeurlauber und Sporttaucher. Doch allerorten ist Kriegsgeschichte lebendig.
Abgeschieden und artenreich: Unberührte Natur gibt es in Zeiten des Klimawandels nicht mehr, doch für Robinson-Crusoe-Feeling und einen beliebten Stereotyp reicht es dicke: Die Salomonen, eine Ansammlung von fast 900 Inseln und Inselchen in Melanesien, sind ein Südseetraum.
Farbenfrohe Korallenriffe beginnen mancherorts dort, wo die weißen, mit Palmen bestandenen Postkarten-Sandstrände in den türkisfarbenen Südpazifik übergehen. Der Ozean ist das ganze Jahr über warm und klar, die Sichtweiten unter Wasser liegen manchmal bei 70 Metern. Klingt zu schön, doch das kann auf einer Reise so aber erlebt werden.
„Aufgrund der Abgeschiedenheit der Inseln hat der Tourismus dieses Gebiet kaum beeinflusst“, sagt die deutsche Honorarkonsulin für die Salomonen, Claudia von Seutter, die jahrelang in dem Land gelebt hat. „Es ist wirklich eine noch nicht entdeckte Perle in der Südsee.“
Dichter Tropenwald
Die Hauptinseln der Salomonen sind vulkanischen Ursprungs und mit dichtem Tropenwald bedeckt, die Artenvielfalt ist groß. Auch unter Wasser tobt das pralle Leben. Fast 1.000 Fisch- und 500 Korallenarten hat man gezählt. Es zählt zum „Amazonas des Ozeans“ genannten Korallendreieck, ein Meeresgebiet, das sich bis zu den Philippinen im Nordwesten erstreckt.
Schlangenmahl und deutsche Sprachfetzen: Über den Archipel mit sechs größeren Hauptinseln verteilt leben rund 700.000 Menschen, 90.000 davon in der Hauptstadt Honiara auf Guadalcanal. 120 Sprachen werden gesprochen; Verkehrssprache ist die auf dem Englischen basierende Kreolsprache Pijin, die sich in der Kolonialzeit als Mittel zur Verständigung zwischen Kolonialmächten und der nativen Bevölkerung herausgebildet hat und auch deutsche Sprachfetzen aufweist – wie das Wort „Haus“, etwa in dem Schriftzug des Außenministeriums des Inselstaates „Melanesia Pacific Haus“.
Teile der Inselgruppe, seit 1978 eigenständiger Staat, waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts britisches beziehungsweise deutsches Schutzgebiet. Nach Tauschgeschäften der beiden Kolonialmächte untereinander wurden die Salomonen ab 1899 rein britisches Protektorat. Als Mitglied des Commonwealth of Nations ist heute König Charles III. das offizielle Staatsoberhaupt. Die Regierungsgeschäfte führt Premierminister Manasseh Sogavare.
Vor allem in den Dörfern ist das Leben ursprünglich geblieben. Die Menschen sind im Umgang mit Fremden unverstellt und erlegen als Selbstversorger Fische vom Einbaum aus mit Speeren. „Die Leute fischen noch nach jahrhundertealten Methoden“, sagt von Seutter. Reusen werden aus Bambusrohr in Handarbeit hergestellt, die Holzboote mit Pflanzenmus abgedichtet und mit Schnitzereien von Schutzgeistern verziert, um Haie abzuwehren. An Land werden Wildschweine und Echsen gejagt, als Delikatesse gelten Schilkrötenfleisch und -eier, auf dem Speiseplan stehen in mancher Gegend Schlangen.
Das Leben ist ursprünglich
Auch der einfache Hausbau hat an Tradition kaum eingebüßt, wovon man sich auf den weiter abgelegenen Inseln am besten überzeugen kann. Dabei wird ein einfaches Gerüst mit Laub oder Gras bedeckt, die Seiten mit Holzstücken und Rinde gefüllt. Nur mit Muschelgeld zahlen auch die Eingeborenen nicht mehr – doch um Streitigkeiten zu schlichten oder ein Brautgeld zu entrichten, werden die zu Perlen geschliffenen Muschelstücke aus der Langalanga-Lagune der Insel Malaita noch eingesetzt.
„Aus europäischer Sicht erscheinen manche Regeln der in Clans organisierten Einheimischen abstrus“, sagt Konsulin von Seutter. Was auch für manches Verhalten gilt. Beispiel: die neue und erste Asphaltstraße auf der Hauptinsel. Obwohl die Clans, über deren Territorium sie verläuft, vor dem Bau entschädigt worden seien, hacken Clanmitglieder den Asphalt immer wieder auf, um von der Regierung Kompensationsleistungen zu erhalten. „Danach werden die Straßenlöcher wieder aufgefüllt, und zwei Tage später fährt man an anderer Stelle erneut durch ein Loch.“
Wrackschnorcheln auf Kriegsspuren: Wracktauchen ist ein Begriff, doch in den oft flachen Gewässern braucht man vielerorts keine Flasche auf den Rücken zu schnallen, um gesunkene Schiffe zu erkunden – Wrackschnorcheln ist dann das Stichwort. Und das beklommene Gefühl, das einen beschleichen kann, wenn Militärgeschichte so hautnah erlebbar wird, ist vergleichbar.
Beispiel: das Grumman F6F Hellcat-Jagdflugzeug im Flachwasser bei der kleinen Insel Ghizo in der Western-Provinz, die man ab der Hauptstadt Honiara mit dem Flugzeug erreicht. Zum Spot fährt man mit dem Boot, dann liegt das US-Flugzeug in sieben Metern Tiefe da, „ein denkwürdiger Schnorchelspot“, sagt von Seutter, die schon vor Ort war: „Es war ein echter Nervenkitzel“. Das weitgehend intakte Flugzeug, nunmehr bewachsen von Blumenkohl- und Geweihkorallen, liegt seit fast 80 Jahren im klaren Südseewasser in einem Graben.
Schauplatz im Zweiten Weltkrieg
Auch die „Kinugawa Maru“ ist ideal für Schnorchler. Das unter der Flagge der Kaiserlich Japanischen Marine agierende Frachtschiff wurde von der US-Marine am 15. November 1942 während der Seeschlacht von Guadalcanal versenkt. Das auch „Bonegi Two“ genannte Wrack ist über 130 Meter lang und liegt direkt unter der Wasseroberfläche bis in eine Tiefe von 28 Metern.
Im Zweiten Weltkrieg war die Hauptinsel Guadalcanal für die Amerikaner strategisch bedeutsam. Vor hier aus operierten sie im Pazifikkrieg gegen die Japaner. „Die Kämpfe hinterließen einige der größten Wracks der Welt – Flugzeuge, Schiffswracks und U-Boote“, sagt von Seutter. Manche von ihnen ragen sogar aus dem Meer heraus. Der heute Iron Bottom Sound genannte Schiffsfriedhof vor Guadalcanal gilt als einer der besten Orte für Wracktauchen weltweit.
Trekking zum Kraterrand: Der Blick aus der Vogelperspektive offenbart einen fast perfekten Kreis: Rund und grün ist die von saftigem Urwald überzogene Insel Kolombangara von oben betrachtet. Sie zählt zum New-Georgia-Archipel in der Western-Provinz und ist ein ruhender Vulkan, der Trekking-Erlebnisse vom Feinsten bietet.
Wanderungen ins Innere des Kraters sind möglich. Highlight aber ist der Trek zum Kraterrand des Mount Tepalamenggutu auf 1.708 Metern Höhe, für den man ab der „Imbu Rano Lodge“, eine Art Basecamp für Selbstversorger auf gut 300 Metern, einen Tag einplanen sollte. Höchster Berg ist der Mount Veve (1.779 Meter), bis zu dem man einen weiteren halben Tag benötigt. Entlang der Route bieten drei einfache Lager frisches Wasser und Unterschlupf für die Nacht. Oben angekommen ist das Südpazifik-Panorama atemberaubend.
Wer auf Kolombangara wandert, benötigt Fitness, Ausdauer und Abenteuerlust: Es geht durch Palmen- und Nebelwälder mit Mammutbäumen, durch Flusstäler, eine tropische Natur. Es kann wolkenbruchartig regnen, die Nächte in den Höhen werden empfindlich kühl. Viele bunte Vögel leben nur auf der 30-Kilometer-Durchmesser-Insel, etwa der Kolombangara white-eye, ein Brillenvogel. Auch einer endemischen Froschart kann man begegnen, mit geschlossenen Schuhen schützen sollte man sich gegen angriffslustige Ameisen.
Neben der „Imbu Rano Lodge“ ist auch die „Riggi Guest House“ mit Bewirtung ideal, um von dort zu Regenwald- und Vogelbeobachtungstouren oder Flusswanderungen aufzubrechen. Um nach Kolombangara zu gelangen, setzt man von Gizo in 50 Minuten mit dem Boot zur Ringgi Cove über. Trekking-Guides begleiten bis zu fünf Personen und nehmen dafür pro Tag ab knapp 20 Euro.
„Für alle, die sich für den Pazifikkrieg interessieren, sind die Salomonen ein Muss, denn hier wird Kriegsgeschichte lebendig“, sagt Honorarkonsulin von Seutter. Schätzungsweise 10.600 Männer verloren die Alliierten, 800 Flugzeuge wurden zerstört und mehr als 40 Kriegsschiffe versenkt. „Die japanischen Verluste waren mit mehr als 50 versenkten Schiffen, 1.500 abgeschossenen Flugzeugen und 80.000 getöteten Soldaten noch horrender.“
Kriegsdenkmäler wurden an vielen Orten aufgestellt, auch Überbleibsel des tragischen Abschnitts der Geschichte der Salomonen sind nicht zu übersehen. Östlich der Hauptstadt landeten die Alliierten am Red Beach, wo ein japanisches Denkmal und unweit davon auf dem Gelände des „Tetere Beach WWII Museums“ die amphibischen Landungsboote, US-Amtracks, daran erinnern.
Etwa 50 Kilometer westlich von Honiara hat das Vilu War Museum zahlreiche Flugzeugwracks und Waffen zusammengetragen. Verlassenes Kriegsgerät steht vielerorten aber auch noch auf den ehemaligen Schlachtfeldern herum – Panzer und andere Militärfahrzeuge auf den Inseln Tahitu oder New Georgia, wo einheimische Führer Touristen zu den versteckten Schauplätzen im Dschungel führen. Im „Peter Joseph WWII Museum“ im Inselhauptort Munda ist vieles zu sehen, das von den Schlachtfeldern aufgesammelt wurde: Helme, Maschinengewehre, Patronenhülsen, Gewehrreste, rostige Wasserflaschen.
Das vielleicht eindrücklichste Mahnmal aber ist Hell’s Point östlich von Honiara – ein großes Munitionslager. Für Besucher ist es tabu, da diese teils immer noch scharf ist. Von der noch bevorstehenden Kriegsgeschichte ahnte der spanische Seefahrer Álvaro de Mendaña der Neyra nichts, als er 1568 die Salomonen erreichte. Einem damaligen Südsee-Klischee zufolge nahm er an, die Einwohner seien unermesslich reich – wie der biblische König Salomon, nachdem er den Archipel benannte. In Honiara ist auch er mit einem Denkmal verewigt.