Eine Reise in das Land der Fjorde ist dank einzigartiger Produkte, regionaler Traditionen und deren moderner Interpretationen stets auch ein kulinarisches Ereignis. Hinzu kommen die atemberaubend spektakulären Landschaften. All das zusammen ergibt ein ganz besonderes Erlebnis.

Die Naturverbundenheit der Norweger macht auch vor ihrem Essen nicht halt. Und so paaren sich spektakuläre Landschaften aus langer Küste und hohen Bergen mit einzigartigen Zutaten aus dem Meer und den großen landwirtschaftlichen Regionen. Kein Wunder also, dass Norwegen die meisten Auszeichnungen im gastronomischen Wettbewerb Bocuse d’Or besitzt. Stavanger kann sich sogar mehrerer Michelin-Sterne-Restaurants rühmen und führt das auch auf die von mildem und feuchtem Klima verwöhnte Umgebung zurück, in der viele der norwegischen Lebensmittel gedeihen, allein 80 Prozent aller inländischen Gurken. Die Gaststätten profitieren von der Frische, der hohen Qualität und den kurzen Lieferwegen.
Region ist berühmt für ihre Produkte
Auch ohne Sterne verblüffen viele Köche mit ihrer Meisterschaft, lokale Produkte zu kulinarischen Hochgenüssen zu verarbeiten, doch der Clou sind die jeweils gratis dazu servierten spektakulären Aussichten aufs Meer, auf Wasserfälle, Fjorde, Berge, Heidelandschaften oder alles gemeinsam.
Also hat auch der leidenschaftliche Koch Sebastian Schläwicke im Jahr 2020 direkt am Fjord sein Restaurant „Smaken av Ryfylke“ eröffnet. Doch nicht nur der Lage wegen, denn übersetzt heißt es „Der Geschmack von Ryfylke“. Das ist der Name der Gegend nördlich von Stavanger, die weit über ihre Grenzen hinaus für hochwertige Produkte berühmt ist. Das schon gepriesene milde Klima und fruchtbare Böden sorgen für von allen Käufern gleichermaßen begehrtes aromatisches Obst und Gemüse, ob Profi oder nicht. Große, nachhaltige Apfelplantagen liefern preisgekrönte Apfelsäfte und köstlich-prickelnden Cidre.

Direkt an den Fjorden wird traditionell viel Fischfang betrieben. Familiengeführte Betriebe bieten in ihren Hofläden frischen, getrockneten, eingelegten, gebeizten und geräucherten Fisch an. Allen voran Lachs und Heilbutt, Leng, Dorsch und Lumb. Der Leng mit seinem schneeweißen Filet, das leicht nach Krustentieren schmeckt, ist ein Geheimtipp vieler norwegischer Fischer. Während nordischer Räucherlachs kaum noch aus der internationalen Esskultur wegzudenken ist, hat sich die Qualität des Lengs noch nicht überall durchgesetzt. Doch er gehört auch zu den Lieblingsfischen Sebastian Schläwickes.

Bis der ihn allerdings in Spezialitäten verwandeln konnte, dauerte es eine Weile. Seine Familie zog 2008 aus dem brandenburgischen Liebenwalde nach Norwegen, um eine andere Kultur kennenzulernen. Die Begeisterung des Jungen hielt sich zunächst in Grenzen, doch als er seine kreative Ader entdeckte, ließ er sich zum Koch ausbilden und vervollkommnete danach sein Können bei verschiedenen Meistern ihres Fachs in Stavanger und in Bergen. Bei ihnen lernte er, lokale Traditionen mit frischen Zutaten aus der Region zu bewahren und trotzdem seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Inzwischen bildet er selbst Lehrlinge aus und entwickelt mit ihnen gemeinsam neue Rezepte: „Am liebsten kreiere und serviere ich Gerichte, die zuerst bei mir im Kopf entstehen und dann mit unseren tollen lokalen Rohwaren in die Realität umgesetzt werden“, sagt der 34-Jährige.
Dafür kooperiert er mit Bauern, Fischern und Schäfern der Umgebung, die ihm regelmäßig Frisches liefern können, und tüftelt auch gemeinsam mit ihnen an neuen Produkten. Saisonabhängig verändert er alle vier bis sechs Wochen das Menü in seinem Restaurant und überrascht stets mit noch unbekannten Geschmackserlebnissen, die dennoch Traditionen aufgreifen.
Ursprung liegt im bäuerlichen Alltag

Ein neues Konzept, das Schule macht und das auch Philipp Hukal sehr zu schätzen weiß. Der gebürtige Berliner, der seit zwei Jahren als Dozent an einer Osloer Uni arbeitet, schätzt diesen Trend zu „New Nordic” mit der Konzentration auf lokale, saisonale und nachhaltige Küche auf hohem Niveau. Das schlägt sich allerdings auch im Preis nieder, weshalb es in Norwegen nicht eine so große Anzahl an Restaurants in unterschiedlichen Preisklassen gibt wie in Deutschland und dafür mehr zu Hause gekocht wird. Auch da kommt viel Fisch auf den Tisch, „in einer Vielfalt und Qualität, die in Deutschland kaum zu finden ist, zumal Fisch in Norwegen relativ günstig erhältlich ist.“ Am meisten schwärmt Philipp von Dorsch und Fjordforelle, die in ihrer Farbe dem Lachs ähnelt, aber fester und etwas fettiger ist.

Dass Fischgerichte Spitzenreiter in der Küche sind, verwundert bei immerhin 25.000 Kilometern Küste des nordischen Landes nicht wirklich. Neben den erwähnten Fischen und dem beliebten Bacalao – gesalzenem, zwei Jahre getrockneten Kabeljau – zählen auch „King Crabs“, Königskrabben, aus kaltem Ozeangewässer zu den Delikatessen. Von alters her besonders beliebt ist Sursild, auf verschiedene Art und Weise eingelegter Hering. Zur Weihnachtszeit hingegen muss es unbedingt Lutefisk geben. Das ist ein Stockfisch, der in Wasser eingeweicht, dann in eine Lauge (Lute) aus Buchen- oder Birkenasche oder Ätznatron gelegt und anschließend nochmals eingeweicht wird. Dafür eignet sich traditionell am besten Skrei, der arktische Kabeljau. Auf diese beschriebene Art präpariert und vorbereitet, wird der Lutefisk in Butter gebraten und mit Salzkartoffeln, gebratenem Speck und braunem Käse aufgetischt.

Im Grunde sei das norwegische Essen, ähnlich der deutschen Küche, recht einfach, findet Philipp Hukal, denn viele Gerichte haben ihren Ursprung im bäuerlichen Alltag und der einst nur eingeschränkt möglichen Vorratshaltung. Deshalb wurde schon immer lokal und saisonal gekocht. Fleisch kam und kommt selten auf den Tisch und ist vor allem dem Sonntag oder den Feiertagen vorbehalten. Dann gibt’s zum Beispiel Fårikål. Der würzige Eintopf aus Hammelfleisch und Kohl ist eines der wenigen Gerichte, die sich nicht nur lokaler Beliebtheit erfreuen, sondern im ganzen Land gegessen und mit Vorliebe zu Festen gereicht werden.
Brunost schmeckt leicht nach Karamell

Auch das Grundnahrungsmittel der Finnmark, gesundes und geschmacksintensives Rentierfleisch, steht inzwischen genauso wie Elchfleisch immer häufiger auf dem Speiseplan des nordischen Volkes. Von diesen beiden Zutaten abgesehen, ähneln viele Gerichte, die die Norweger mit Vorliebe kochen und verspeisen, tatsächlich denen der deutschen Küche. Die Palette reicht von Hackbällchen über deftige Eintöpfe und Lammbraten bis zu einer Variante des Labskaus.
Doch eher gewöhnungsbedürftig ist der bei Einheimischen beliebte braune Käse namens Brunost, der auch den Lutefisk abrundet. Hergestellt aus Kuh-, Ziegen- und/oder Schafsmilch und Sahne schmeckt er süßlich und leicht nach Karamell. Am liebsten wird er per Käsehobel auf Knäckebrot oder frischem Brot serviert und so auch für die Pause mit in die Schule gegeben. Cremig, wie der Brunost ist, eignet er sich ebenfalls prima zum Kochen von Soßen und Suppen.
„Richtigen“ Käse gibt’s natürlich auch, meist gut gereifte Sorten mit Salzkristallen. Viele sind den bei Wind und Seeluft auf Heideflächen lebenden Wildschafen zu verdanken, die dafür eine aromatische Milch beisteuern. Doch der Brunost, erhältlich in verschiedenen Intensitätsstufen, hat es Philipp Hukal am meisten angetan. Er liebt ihn vor allem auf frischen Waffeln. Ein Fastfood made in Norway.