Das kleine Örtchen Vic-sur-Seille ist ein echtes Schmuckstück mit einer langen, interessanten Historie im sogenannten Lothringer Salzland. Immer im Mai gibt es hier einen Weinmarkt, „La fête des Vins de Moselle“, der sich lohnt.
Seit gut zehn Jahren verfolge ich mit großem Interesse die Entwicklung des lothringischen Weins. Früher fand ich ihn eher in kleinen Brasserien und Bistrots. Doch in letzter Zeit steht er auch immer häufiger auf den Weinkarten der großen Restaurants. Zwischen Weinbergen und Weihern liegt das Saulnois, das sogenannte Lothringer Salzland, gut 80 Kilometer von Saarbrücken entfernt in Richtung Nancy. Schon in der Antike wurde dort Salz abgebaut. Davon zeugen Salinen, die heute noch besichtigt werden können. Auch die kleine Gemeinde Vic-sur-Seille, mit ihren etwa 1.300 Einwohnern gelegen im Zentrum des Saulnois, war einst durch Salz, aber auch durch Wein reich geworden. Im 13. Jahrhundert machten die Bischöfe von Metz Vic zu ihrem Sitz.
Der Markt erstreckt sich über zwei Plätze
Zurückgeblieben ist ein Schmuckstück mit dem Gütezeichen „Petite Cité de caractère“, also „kleiner Ort mit Charakter“. Bei einem Rundgang findet man bis heute charmante Gebäude aus dem Mittelalter. So etwa die Kirche Saint-Marien oder das „Hôtel de la Monnaie“, heute der Sitz des Office de Tourisme du pays du Saulnois. Und im „Musée Georges de la Tour“ hängen die Gemälde des namensgebenden Künstlers, dem berühmtesten Sohn von Vic-sur-Seille. Georges de La Tour gilt der modernen Kunstkritik als Lichtgestalt unter den alten Meistern Frankreichs. Er wurde 1593 in Vic-sur-Seille geboren. Deshalb gibt es in seiner Heimatstadt dieses Museum.
Der Anlass unseres Besuchs in Vic-sur-Seille ist der regionale Weinmarkt, der jedes Jahr im Mai hier stattfindet. Wir betreten den Markt von der Seite der Seille aus, dem Nebenflüsschen der Mosel, das dem Ort seinen Namen gibt. Wir halten uns rechts und stehen gleich vor dem Restaurant „Event“, einem Haus über das ich in einem späteren Artikel mehr erzählen werde. Der Markt erstreckt sich über zwei große Plätze, den Place Jeanne d’ Arc und den Place du Palais. Natürlich aber auch in vielen kleinen Straßen rund um die Plätze.
Neben zahlreichen Winzern, finden sich viele weitere schmackhafte Angebote – von Honig über Edelbrände bis zu Käse und regionalem Bier. Gekocht, gebacken und gebraten wird auch – von Crêpes bis zu Gegrilltem und vieles andere mehr. Auch mancher Bauer bietet seine köstlichen Waren feil: Eier, Geflügel oder Nudeln. Alles in allem gibt es sicher an die 40 Stände. Mein Ziel ist es, möglichst viele davon zu besuchen, denn es gibt jede Menge Interessantes zu entdecken. Die Domaine Régina etwa, deren Weine ich schon in verschiedenen Restaurants getrunken habe. Zwei Goldmedaillen haben sie bereits in Paris auf dem Concours général damit gewonnen.
Bei Rémi Gauthier, einem jungen Winzer aus Vic-sur-Seille, werde ich ebenfalls fündig. Sein drei Hektar großer Betrieb befindet sich auf den Anhöhen von Vic-sur-Seille. Seine Produktion ist vollständig biologisch und trägt die Bezeichnung AOC Moselle. Wie viele hier trägt auch er das Qualitätssiegel Qualité MOSL. Ein Siegel, auf das Sie als Kunde durchaus vertrauen dürfen. Die Domaine Rémi Gauthier bietet geschmackvolle Pinot Noir, Pinot Blanc und Auxerrois an. Auch von ihm habe ich schon zuvor einige Tropfen in einem guten Restaurant getrunken.
Die Weine aus Lothringen wachsen nicht an einer langen Weinstraße, wie das andernorts üblich ist. Weine aus Lothringen stammen von der Meuse, der Mosel, der Seille und rund um Toul. Die Weine der Côtes de Meuse werden auf rund 35 Hektar Rebfläche in 15 Weindörfern produziert. Hier werden – im Gegensatz zu den anderen lothringischen Weinregionen – auch die Rebsorten Chardonnay und Aligoté kultiviert.
Nur um Metz gibt es eine kleine Weinstraße mit einladenden Winzerdörfern. Die Weine wachsen im Pays des trois Frontières, also im Dreiländereck von Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Rund um Sierck-les-Bains, in der Metzer Gegend und an der Seille. Dies betrifft das Département 57, Moselle. Wobei es eine Ausnahme in der Metzer Gegend gibt: Das kleine Weindorf Arnaville liegt schon im Département Meurthe-et-Moselle. Die Weine rund um Toul wachsen im Département 54, Meurthe-et-Moselle. Hier bauen sie vor allem die Rebe Gamay an, die Rebe des Beaujolais! Allerdings machen sie rund um Toul leichte Rosé-Weine daraus. Den Gris de Toul, seiner grauen Farbe wegen. Den gibt es auch in Vic-sur-Seille. Eine Spezialität ist der Gris de Vic, ein Rosé in der Art des Gris de Toul. Mit diesem Wein wurde der einst aufgegebene Weinbau im Saulnois inzwischen wiederbelebt.
Weinbau in Lothringen hat lange Tradition
Wenn man Winzer im Dreiländereck besucht, erlebt man Überraschendes. Da hat ein Luxemburger Winzer auch mal eine Parzelle in Deutschland oder ein deutscher Winzer eine Parzelle in Lothringen. Und umgekehrt. Vive L’Europe! Nach vielen Jahren großer Anstrengungen der Winzer erhielten zwei Weinregionen die geschützte Herkunftsbezeichnung AOC, 1998 Côtes de Toul und 2011 Les Vins de Moselle. Dieses Gütesiegel ist in Frankreich sehr bedeutend. Das bekommen nur Weinbaugebiete in Frankreich, die gute Qualität produzieren.
Der Weinbau in Lothringen hat eine lange Tradition. Bereits die Römer brachten die ersten Reben hierher. Im 19. Jahrhundert wütete hier allerdings die Reblaus. Zusätzlich gab es mehrere Kriege, und auch die Industrialisierung wirkte sich negativ auf den Weinbau aus. Denn in Bergwerken und Stahlwerken ließ sich mehr Geld verdienen. So erlebte der Weinbau über Jahrzehnte eine sehr schwere Zeit. Erst jetzt, im 21. Jahrhundert, geht es mit dem Thema Weinbau wieder aufwärts. Mittlerweile finden sich auch wieder große lothringische Weine auf den Weinkarten der Spitzenrestaurants, und sie sind auch bei Weinkennern wieder angesagt.
Auxerrois, Elbling, Gamay, Müller-Thurgau, Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Noir und Gewürztraminer sind die Rebsorten, die überwiegend hier zu finden sind. Für eine französische Region nichts Ungewöhnliches, bis auf eine Rebsorte: Müller-Thurgau. Diese Rebe ist eine Züchtung aus Riesling und Silvaner, 1882 vom Schweizer Hermann Müller-Thurgau in Geisenheim im Rheingau gezüchtet. In Deutschland kommt sie auch unter dem Namen Rivaner auf den Markt.
Weinmarkt findet jedes Jahr im Mai statt
Die Weingärten an den Hügelflanken des Moselufers im Tal von Sierck-les-Bains wachsen in den Gemeinden Sierck-les-Bains, Contz-les-Bains und Haute-Kontz. Rund um Metz heißen die Weinbaugemeinden: Ancy-sur-Moselle, Arnaville, Ars-sur-Moselle, Dornot, Féy, Jussy, Lessy, Lorry-Mardigny, Marange-Silvange, Marieulles, Novéant-sur-Moselle, Plappeville, Rozérieulles, Scy-Chazelles et Vaux. Und im Süden des Départements Moselle wachsen Weine an der Seille, und zwar in der Gemeinde Vic-sur-Seille. Meine ersten Weine in Lothringen, die mich überzeugten, stammten aus Vaux, Lessy, Plappeville, Jussy, Rozérieulles und Vic-sur-Seille.
Wieder zurück in Saarbrücken, besuche ich das Restaurant „Neue Mohr’sche Anlage“. Der Betreiber und Koch dort ist Antony Moller und gebürtiger Franzose aus Lothringen. Zusammen probieren wir Auxerrois von Rémi Gauthier, den ich aus Vic-Sur-Seille mitgebracht habe. Antony Moller ist begeistert und sagt: „Gib mir mal bitte die Adresse, den bestelle ich sofort.“
Probieren Sie es doch selbst einmal aus. Machen Sie sich im Kalender eine Notiz für den Mai kommenden Jahres und fahren einmal selbst zum Weinmarkt nach Vic-Sur-Seille. Es lohnt sich!