Sänger Matthias Reim stieg 1990 mit einem Rekord in die Charts ein. Auch heute ist er nach einigen privaten Hürden immer noch Fanliebling. Besonders mit dem Osten Deutschlands verbindet er viele Erinnerungen.

Raue Stimme, großes Charisma und Songs, die seit Jahrzehnten Playlists in Radio und Social Media bestimmen: Mit 66 Lebensjahren ist Sänger und Komponist Matthias Reim schon heute eine Legende. Sein Mix aus Rock, Pop und Schlager vereint Fans mit ansonsten recht unterschiedlichen Musikgeschmäckern. Angefangen hat alles mit „Verdammt, ich lieb’ dich“, mit dem er 1990 vier Monate am Stück an der Chartspitze stand, nämlich vom 18. Mai bis zum 6. September. Ein Rekord! Zwischen 1971 und 2017 hatte keine Single ohne Unterbrechung den ersten Platz länger inne.
Aber auch privat war immer etwas los, seit er von der hessischen Kleinstadt Homberg

aus in seine Karriere startete: Vier Ehen, sieben Kinder, etliche Beziehungen, Villa in Florida und irgendwann der Absturz mit Insolvenz und zig Millionen Euro Schulden. Mehr Drama und Erfolg in einem gehen im Showbiz wohl kaum. Matthias Reim nahm alles mit. Dazu kamen gesundheitliche Probleme inklusive Herzmuskelentzündung und Lebensgefahr. Im Jubiläumsjahr 2015, 25 Jahre nach seinem Erfolg mit „Verdammt ich lieb’ Dich“, ging es nach einem seiner Konzerte für den Musiker direkt ins Krankenhaus. Seine Herzleistung betrug da gerade noch 20 Prozent. Doch das ist lange her. Schon seit 2010 ist Reim schuldenfrei. An einer besseren Gesundheit und Fitness arbeite er noch, so der Workaholic. Gerade hat er sich im heimischen Stockach unweit des Bodensees (Baden-Württemberg) ein zweites Haus gekauft und darin ein Tonstudio eingerichtet. Matthias Reim macht einiges selbst, schreibt Lieder, mischt und spielt vieles selbst ein.

Aktuell ist er nicht im Tonstudio, sondern auf Tour. Im Sommer spielt er viele Konzerte draußen auf besonderen Bühnen in ganz Deutschland: in Burgen, am Wasser und auf Schlossbühnen. Am 13. Juli ist er als Gast des „Berliner Rundfunk Open Air“ in der Berliner Parkbühne Wuhlheide live zu erleben. Hier gab er 2023 auch sein umjubeltes 1.500. Konzert. Gleich zweimal tritt der Süddeutsche 2024 dann auch noch in Brandenburg auf, am 7. September in Oranienburg und am 20. Dezember in Cottbus. Im Herbst und Winter geht es dann auch wieder quer durch Deutschland. Frankfurt und Trier stehen etwa auf dem Tourplan im Südwesten. Am 29. Dezember lässt der Familienvater das Jahr dann in der Berliner Uber-Arena ausklingen. Es ist seine vorletzte Show im Jahr. Darauf freut er sich schon heute, wie er im Interview verrät: „Konzerte am Jahresende sind für mich die schönsten überhaupt. Dann auch noch Berlin – das ist für mich Kult“, so der Künstler, der über die Jahre für viele Fans zu einem echten Berlin-Hero wurde.
Fans im Norden sind etwas reservierter
„Es ist doch so: Zwischen den Jahren herrscht gefühlt Stillstand: Oft ist mieses Wetter, die Glotze läuft, ein Braten folgt auf den nächsten und viele Leute wissen nicht, was sie noch machen sollen“, so der Musiker. Da komme ein Matthias-Reim-Konzert zwischen Weihnachten und Neujahr doch gerade recht, lächelt der Star. Berlin biete zudem einige der schönsten Konzertarenen des Landes sowie das benachbarte Brandenburg ein großes Einzugsgebiet, aus dem seine Fans kommen.

Mit Berlin verbindet Matthias Reim eine lange Geschichte. „Außerdem hab’ ich nach meiner Rückkehr aus Amerika in den 90ern auch mal zwei Jahre in Berlin gelebt. Das war am nördlichen Stadtrand am Tegeler See in Reinickendorf“, erinnert sich der gebürtige Hesse. Der Kontrast zwischen dem seenreichen Umland und der quirligen City habe ihm schon damals sehr gefallen. Auch wenn sich in den letzten zwei Jahrzehnten viel verändert habe, stehe er nach wie vor auf die Metropole und ihre Vielfalt. Die nächste Station hieß später Köln, wo er zur neuen Freundin, der Sängerin Michelle, zog. Nach zweijähriger Beziehung trennte sich das Paar, das gemeinsam die Tochter Marie Reim hat, die auch Schlagersängerin ist. Michelle und Matthias Reim sind auch heute noch befreundet und verfolgen musikalische Projekte zusammen.
Seit einigen Jahren lebt Reim nun mit seiner vierten Ehefrau, Schlagersängerin Christin Stark (33), am Bodensee. Kommt er heute zu Auftritten nach Berlin, bleibe leider meist keine Zeit, sich umzuschauen: „Mittags essen wir ein schönes Filetsteak, danach schnapp’ ich mir im Hotel ein Buch.“ Am Konzertort geht’s nach dem Soundcheck in die Garderobe. Mit Spielen auf dem iPad und zwei Gläsern Bier bekämpft der Künstler sein Lampenfieber, wie er sagt. Wenn es endlich losgeht, folgt ein Hit-Feuerwerk, das in Deutschland nicht viele Sänger liefern können. Dabei bemerkt Matthias Reim auch lokale Unterschiede. „In Sachsen, Berlin oder Köln geht die Party sofort los. Im Norden kann es dagegen schon mal zwei, drei Songs dauern, bis die Leute auftauen.“ Das sei aber kein Drama, sondern einfach Mentalitätssache.
„Antennen stehen immer auf Empfang“

Rund 600 Lieder komponierte Matthias Reim bislang, darunter Songs für Bernhard Brink, Jürgen Drews und Roy Black. Da ist es, auch was Texte angeht, gar nicht so leicht, neue Themen zu finden. „Liebe, Leid, Elend, Schicksal – vieles ist schon abgearbeitet“, so der Musiker. „Doch meine Antennen stehen immer auf Empfang. Ideen liefert ja das ganz normale Leben.“ Auch mithilfe eines Autorenteams findet Matthias Reim seinen eigenen Worten nach immer wieder neue Inspiration.
So war es auch beim jüngsten Album „Zeppelin“, das Bezug nimmt auf die Luftschifffahrt am Bodensee. Bis heute schweben hier Luftschiffe über die Region. „Mein Opa war Flugzeugingenieur in Friedrichshafen und erzählte immer Storys über den Zeppelinbau. Viele Urlaube verbrachten wir bei den Großeltern. Von oben könnte ich heute die Orte meiner Kindheit sehen.“ Reims Gedanken hierzu kann jeder auf der neuen CD „Zeppelin“ hören.

Zwischen Rügen und Thüringen schätzen viele sein Faible für Ostrock. Mehrfach trat Matthias Reim mit Karat sowie den früheren Bands Puhdys und City auf. Mit Toni Krahl (ehemals City) und Dieter Birr (ehemals Puhdys) sei er sogar befreundet. „Ich schätze sie sehr. Hier gibt’s keinen Neid, keine Missgunst.“ Vielmehr gelte: „Wer Respekt gibt, erhält auch Respekt zurück!“
„Irgendwann spielten die Puhdys in einer Disko bei uns in Nordhessen. Zwar war ich nicht beim Konzert, doch Songs wie ‚Lebenszeit‘ oder ‚Alt wie ein Baum‘ liefen auch im Radio. Ich war davon total geflasht. Deutschsprachigen Rock gab’s in der Form bei uns damals nicht, höchstens Schlager“, erinnert sich Matthias Reim. Dann muss er los zu einer Verabredung. Mit einem seiner Vintage-Motorräder rollt er die vier Kilometer von Stockach runter zum Bodensee. Dort genehmigt er sich erst mal einen Espresso, wie er sagt. „Vielleicht aber auch ein Bier.“