Nach dem SC Paderborn besiegt der 1. FC Kaiserslautern auch das nächste Top-Team der Zweiten Liga. Vor allem die Moral ist beeindruckend.
Welch eine Moral! Aber Spitzenreiter Fortuna Düsseldorf konnte sein Missgeschick kaum fassen. Die Rheinländer haben einen wichtigen Sieg im Zweitliga-Topspiel regelrecht verschenkt. Die Fortuna führte gegen den 1. FC Kaiserslautern kurz nach der Pause 2:1 – doch der FCK drehte das Spiel innerhalb weniger Minuten und gewann 4:3 (1:1). Düsseldorf hätte sich mit einem Sieg vier Punkte vom ersten Verfolger absetzen können, stattdessen zeichnet sich ein Heimkomplex ab: Nur einen Punkt holte die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune aus den vergangenen drei Heimspielen – bei 5:9 Toren. Lautern liegt fünf Punkte hinter Platz eins. „Das ist nicht unser Anspruch. Wenn man in dieser Liga vier Dinger bekommt, holt man keinen Sieg“, sagte der Düsseldorfer Verteidiger Andre Hoffmann bei Sky: „Wir bekommen die Tore viel zu einfach. Das ist zu viel, vor allem im eigenen Stadion.“
Kurioser Spielverlauf
Die Fortuna begann vor 44.557 Zuschauern stark und aggressiv, aber das Tor erzielte der FCK. Daniel Hanslik (14.) traf mit der ersten nennenswerten Gelegenheit aus kurzer Distanz. Der Tabellenführer war beeindruckt und kam erst zurück ins Spiel, nachdem FCK-Torhüter Julian Krahl Fortuna-Stürmer Dawid Kownacki bei einer Flanke beide Fäuste ins Gesicht gerammt hatte. Isak Bergmann Johannesson verwandelte den folgenden Elfmeter sicher (35.), Krahl kam mit Gelb davon. Kownacki verließ kurz darauf unter Tränen den Platz, augenscheinlich mit einer schweren Knieverletzung.
Kaiserslautern geriet zunehmend unter Druck und hielt nicht mehr stand: Myron van Brederode (49.) zog in die Mitte und schoss den Ball gezielt ins lange Eck. Die Fortuna drängte und drängte, aber kuriose zehn Sekunden drehten das Spiel entscheidend. Denn unmittelbar nach einem Düsseldorfer Pfostenschuss von Giovanni Haag traf Daisuke Yokota (57.) für den FCK traumhaft zum 2:2. Vier Minuten später nutzte Ragnar Ache einen Doppelfehler von Haag und Torhüter Florian Kastenmeier sogar zur Führung, die Hanslik (67.) per Kopf ausbaute. Die Fortuna hatte die Entscheidung auf dem Fuß gehabt und lag zehn Minuten später 2:4 hinten. Der Anschluss durch Felix Klaus (90.+4) kam zu spät. „Wir haben heute ein richtig gutes Spiel von beiden Mannschaften gesehen“, bescheinigte Markus Anfang. Als Schlüsselszene sah der Trainer des 1. FC Kaiserslautern den Pfostenschuss beim Stand von 2:1 für Fortuna Düsseldorf: Im Gegenzug machen wir das 2:2 und können dann auch noch das 3:2 nachlegen. Heute haben wir vielleicht das Quäntchen Glück mehr auf unserer Seite gehabt. Aber wir haben beim Tabellenführer vier Tore geschossen. Und die Fortuna steht zu Recht da oben.“
Torschütze Ache schwärmte von einem „geilen Gefühl“ und großen Emotionen, die nach dem Torjubel aus ihm rausbrachen. Beim Duell in Düsseldorf im Vorjahr, als Lautern nach einer 3:0-Führung noch dramatisch 3:4 verloren hatte, war Ache von einer Flasche aus dem Zuschauerbereich getroffen worden. Ob er daher besonders motiviert war? „Eigentlich nicht. Aber dann hört man in der Woche solche Sachen wie ,Rache für Ache‘, da wird man doch wieder dran erinnert. So ein bisschen hat es also schon im Hinterkopf gespielt. Aber jetzt ist das total abgeschlossen für mich“, erklärte der FCK-Torjäger nach dem Spiel gegenüber dem Portal „Der Betze brennt“. Sein 3:2 hatte den Weg zum Auswärtssieg geebnet: „Wir hatten im Vorfeld analysiert, dass Torwart Kastenmeier so weit vor seinem Tor steht. Deshalb sagten wir: Wenn man das sieht, einfach drauf schießen. Dann war es schwer für ihn, er ist ja rückwärts gelaufen und der Ball hat geflattert. Aber auch das hatte ich die letzten Wochen im Training einige Male geübt.“ Nach dem in der Entstehung etwas glücklichen Heimsieg gegen den SC Paderborn ließen die Roten Teufel nun ein weiteres Top-Team alt aussehen. „In der Vergangenheit sind wir oft kollabiert, wenn wir mit 1:2 in Rückstand gegangen sind. Heute haben wir hingegen richtig gut reagiert. Letzte Woche das 3:0 gegen Paderborn, nun dieses 4:3 gegen Düsseldorf - da nehmen wir jetzt natürlich sehr viel Selbstvertrauen mit“, sagte Ache.
Hanslik führt Scorerliste an
Vor Selbstvertrauen strotzt derzeit Daniel Hanslik, der lange Zeit um einen neuen Vertrag kämpfen musste und nun die interne Scorerliste des FCK anführt. Mit drei Torbeteiligungen schraubte er in Düsseldorf seine Zwischenbilanz auf drei Treffer und vier Vorlagen hoch. „Ich freue mich, dass ich das Vertrauen vom Trainer bekomme. Das versuche ich einfach so gut wie möglich zurückzugeben. Wenn man sieht, wie viele Leute hinter uns stehen und auch heute wieder hierher reisen. Da lohnt sich einfach jeder Meter auf und neben dem Platz“, sagte der doppelte Torschütze und Vorlagengeber.
Vor dem Düsseldorfer Pfostenschuss leistete sich der 28-Jährige aber einen Fehlpass, der um ein Haar sehr teuer geworden wäre. „Das sind halt die Momente im Fußball, wo du sagst: Okay, das Glück ist heute auf unserer Seite. Wenn man beim Tabellenführer auswärts vier Tore schießt, dann hat man aber auch nicht zu Unrecht gewonnen. Und jetzt ist vielleicht auch die Rechnung vom letzten Jahr ausgeglichen.“
Auf dem Betzenberg ist wieder Ruhe eingekehrt. Sportchef Thomas Hengen hatte nach dem bitteren 0:1 in Elversberg vor drei Wochen die Charakterfrage gestellt. „Es ist keine Genugtuung, sondern die Bestätigung unserer Arbeit. Zum Fußballspielen gehören Intensität, Kampf und Laufbereitschaft dazu. Wenn dann noch Fußball dazu kommt, dann kommen solche Ergebnisse wie heute raus. Unsere Sinne sind geschärft. Wir wissen, worum es geht. Es sind immer nur ein paar Prozent, die darüber entscheiden, ob du die Spiele auf deine Seite kriegst. Das Glück musst du dir aber auch erzwingen. Es ist ein Prozess und es wird langsam besser, auch wenn es heute wieder ein Auf und Ab war“, sagte Hengen.