Wasser, Luft und Boden zählen zu den wertvollsten Gütern für den Menschen. Nur zwei davon werden durch EU-Gesetze geschützt, der Boden ist auf EU-Ebene allerdings noch schutzlos. EU-Parlamentarierin Manuela Ripa (ÖDP) möchte das ändern.
Frau Ripa, wie kam es nach den gescheiterten Bemühungen der EU-Kommission um einen einheitlichen Bodenschutz auf europäischer Ebene zu der erneuten Resolution im April 2021?
Die Versuche sind allesamt am Europäischen Rat, also an den Mitgliedstaaten, gescheitert. Deutschland und Frankreich haben einen einheitlichen europäischen Bodenschutz acht Jahre lang im Rat blockiert. Wir haben in Europa eine Gesetzgebung zu Wasser, zu Luft, aber zu Boden haben wir keine. Deswegen hat das Parlament sich noch mal zu einer Resolution zusammengefunden und gefordert: Wir brauchen endlich einen verbindlichen europäischen Bodenschutz. Gemeinsam mit der EU-Umweltagentur ist das EU-Parlament der Meinung, dass es unseren Böden nicht besser geht, wenn man ihren Schutz den Mitgliedsstaaten allein überlässt. Wir brauchen eine europäische Gesetzgebung, damit wir das Problem einheitlich angehen. Es war mir wichtig, die entsprechende Resolution für meine Fraktion mitzugestalten.
Sind aktuell neue EU-Richtlinien zum Bodenschutz in Arbeit, beispielsweise im Rahmen des Green Deals?
Ich bin sehr froh, dass die EU-Kommission den Bodenschutz nicht, wie ursprünglich geplant, in die Biodiversitätsstrategie integrieren möchte, sondern eine eigene Gesetzgebung vorlegen will. Und das schon im nächsten Jahr. Auch der Koalitionsvertrag der Ampel bekennt sich zum europäischen Bodenschutz. Und deswegen hoffe ich, dass Deutschland seine Blockadehaltung im EU-Ministerrat aufgibt und es zur Verabschiedung eines EU-Bodenschutzgesetzes kommt. Meine Angst ist allerdings, dass wir das nicht mehr in dieser Legislaturperiode schaffen, die Mitte 2024 endet. Deswegen wäre es wichtig, das Gesetz Anfang 2023 vorzulegen, damit wir es noch rechtzeitig beraten können. Das Momentum ist jetzt, und wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren.
Die EU hat bereits Maßnahmen zum Thema Pestizidbelastung und Überdüngung eingeleitet. Welche wären das?
Am 22. Juni sind zwei Gesetze von der Kommission vorgeschlagen worden: Zur Renaturierung von landwirtschaftlichen Flächen und Meeresgebieten bis hin zu Wäldern und städtischen Gebieten und zum Einsatz weniger chemischer Pestizide in der Landwirtschaft. Die EU möchte bis 2030 die Verwendung dieser Pestizide um 50 Prozent verringern.
Anknüpfend daran wäre mehr ökologische Landwirtschaft besser für unsere Böden. Vielen in der Landwirtschaft ist die zu teuer. Woher das Geld dafür nehmen?

Allein am Geld mangelt es nicht, es muss nur richtig eingesetzt werden. Wir haben einen Riesenfördertopf für die Landwirtschaft, das ist der zweitgrößte Fördertopf der EU. Die EU-Agrarpolitik wird jeweils für sieben Jahre bestimmt. Aber die EU-Agrarpolitik basiert noch auf einem alten Modell: Man gibt den landwirtschaftlichen Betrieben Geld lediglich für die Größe ihrer Fläche. Das Geld wird aber nicht so verteilt, dass man beispielsweise ausreichend Umweltleistungen entlohnt, wie zum Beispiel beim ökologischen Landbau. Das heißt, es werden immer noch Anreize verteilt, Masse zu produzieren. Das verdrängt nach wie vor kleinbäuerliche Betriebe.
Für die Flächenzahlung werden im Jahr in Deutschland um die fünf Milliarden Euro ausgegeben, während für die zweite Säule, das wäre dann Ökolandbau, aus diesem Fördertopf nur 1,35 Milliarden Euro gezahlt werden. Beratung und Schulung, wie man mit weniger Pestiziden auskommt, ist auch ein wesentlicher Bestandteil der künftigen Strategie.
Stichwort Flächenversiegelung: Auch Sie haben Druck auf die EU ausgeübt, wegen der Baupläne der Batteriefabrik SVolt und dem Bau der Gigafactory Tesla in Grünheide. Was kam dabei heraus?
Gegen SVolt gehen viele Bürger auf die Straße, weil sie sich Sorgen machen, was mit der fruchtbaren Ackerfläche passiert, auf der die Fabrik gebaut werden soll. Mir ist trotzdem noch einmal wichtig zu betonen: Es geht nicht darum, Arbeitsplätze für das Saarland zu verhindern, denn diese sind enorm wichtig. Aber es geht um das Gesamtbild. Das Saarland ist nach Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit der am meisten versiegelten Fläche. Wir haben so viele Brachflächen zur Verfügung, beispielsweise vom Kraftwerk Ensdorf, die man wunderbar nutzen könnte. Die Unternehmen sind an schnellen Genehmigungsverfahren interessiert. Dann wäre es doch eine super Gelegenheit für das Saarland zu sagen: Kommt in unser Bundesland. Hier könnt ihr nachhaltig agieren und euch auf einer Brachfläche ansiedeln, und dafür ermöglichen wir euch schnelle Genehmigungsverfahren.
Bei Tesla und auch SVolt gibt es die Gemeinsamkeit, dass beides im Wasserschutzgebiet gebaut beziehungsweise geplant wurde. Bei Tesla wurde noch dazu mit Vorabgenehmigung gebaut. Ich bin nicht gegen die Ansiedlung solcher Unternehmen, denn wir brauchen klimafreundliche Technologien. Ich frage mich nur, warum Wiesen- und Ackerflächen genommen werden müssen, wenn Industriebrachflächen in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stehen. Und da sehe ich auch Europa in der Verantwortung. Langfristig gesehen macht es viel mehr Sinn, alte Gebäude entsprechend aufzubereiten, anstatt immer neue Flächen zu versiegeln.
Wie löst man das Dilemma zwischen schädlicher Flächenversiegelung und städtischer Wohnungsnot?
Da können wir gut zu unserem Nachbar Frankreich schauen. Durch die Pandemie und das zunehmende Home-Working stehen viele Büros in bester Stadtlage leer. Frankreich nutzt das jetzt und baut diese Büros in Wohnraum um. Allerdings hat es auch eine Quote festgelegt für Sozialwohnungen innerhalb dieses Umbauvorhabens. Damit gehen diese Wohnungen in bester Lage nicht nur an den Meistbietenden. Auch wir müssten viel mehr an die Leerstände gehen und nicht ständig bloß neu bauen.
Wie können Bürgerinnen und Bürger sich für mehr Bodenschutz engagieren?
Es braucht die Direktdemokratie, die als Korrektiv handelt, beispielsweise, wenn Politiker Entscheidungen hinauszögern. Dann fängt Bodenschutz natürlich im eigenen Garten an, beispielsweise mit insektenfreundlicher Bepflanzung. Es hilft auch zu protestieren, wenn zum Beispiel mal wieder ein Wald direkt vor der Haustür für einen Parkplatz plattgemacht werden soll. Im Saarland haben wir zwar Volksinitiativen und Volksbegehren, aber die Anforderungen sind sehr hoch. Bei der Volksinitiative braucht man 5.000 Unterschriften, damit der Landtag sich mit einem Thema beschäftigt, und auch das ist sehr aufwendig. Natürlich könnte man, wenn man wirklich am Bürgerwillen interessiert ist, das Verfahren der Bürgerbeteiligung auch in diesem Bereich viel mehr vereinfachen und vor allem digitalisieren. Auf europäischer Ebene haben wir die europäischen Bürgerinitiativen, wo Bürger aus ganz Europa die Kommission mit einer Million Unterschriften auffordern können zu handeln. Auch hier würde ich mir eine Verschärfung dieses Instrumentes wünschen. Denn wenn man es schon schafft, in sieben Mitgliedsstaaten mehr als eine Million Bürger dazu zu bringen, für etwas einzutreten, dann sollte daraus auch eine Gesetzesinitiative entstehen, wie wir sie zum Beispiel in Bayern haben.