Die finanzielle Situation bei Hertha BSC ist mehr als ungewiss. Dennoch muss der Hauptstadtclub die Kaderplanung für die Zweite Liga vorantreiben.
Die Zeit drängt – doch während die ersten Personalien den Kader betreffend bereits entschieden worden waren, dauerte es mit der Verkündung der wichtigsten Entscheidung bei Hertha BSC etwas länger. Dann aber war klar: Pal Dardai wird auch in der 2. Liga Trainer bei „seinem“ Verein bleiben. Der Ungar hatte ohnehin verkündet, der „Alten Dame“ – ob nun als Cheftrainer der 1. Männer oder wieder im Nachwuchsbereich – treu bleiben zu wollen. Dazu hatte er sich noch ein paar Tage nach dem letzten Spieltag erbeten, um eine sportliche Analyse der Situation beziehungsweise des Kaders zu erstellen. Zu spät hatte er seine dritte Rettungsmission bei Hertha BSC übernommen – so die Meinung vieler Experten. Und sicher hätte er, wenn man die leichten Verbesserungen der letzten Bundesligapartien sieht, noch etwas mehr Zeit gut gebrauchen können. Doch war es auch nicht sein Kader, er fremdelte mit der Zusammenstellung und der Mentalität – spätestens seit der 2:4-Heimniederlage gegen Bremen zu Beginn seines Sechs-Spiele-Noteinsatzes. Andere Trainer waren dabei durchaus für den Neuanfang gehandelt worden – so etwa aus den eigenen Reihen der U17-Coach Stephan Schmidt oder – als externer Kandidat – Florian Kohfeldt (zuvor Bremen, Wolfsburg). Doch bei den Verantwortlichen dürfte die Erkenntnis nicht fern gewesen sein, dass in dieser schwierigen Lage für die Zweitligamission einmal mehr Pal Dardai die Lösung Nummer eins ist. Kein anderer darf bei den Blau-Weißen schließlich so den „Realitätsvorschlagshammer“ schwingen wie der 47-Jährige, ohne sich über kurz oder lang missliebig zu machen. Als Vereinsikone und Rekordspieler ist er schlicht über jeden Zweifel hinsichtlich seiner Identifizierung erhaben. Damit dürfte er auch die Ideallösung für den grauen Alltag der 2. Liga sein – für die der Verein zwar selbstredend den direkten Wiederaufstieg als Ziel formuliert hat, dessen Umsetzung allerdings alles andere als ein Kinderspiel wird. Das liegt anhand des Umbruchs im Kader und der angespannten wirtschaftlichen Lage auf der Hand. Dazu kommt natürlich auch, dass Dardai den Verein im Fall einer dennoch vollzogenen vorzeitigen Trennung nicht viel weiteres Geld kosten würde.
Dardai als Nummer eins in dieser Lage
Wie nun aber einen neuen zweitligatauglichen Kader basteln, bevor man überhaupt die Sicherheit hat, dort die Lizenz zum Mitspielen zu erhalten? Eine Vielzahl neuer Spieler auf jene Weise zu verpflichten, wie es offenbar im Fall von Diego Demme (31) vereinbart wurde, ist angesichts der endgültigen DFL-Entscheidung über die Lizenzerteilung und des Starts der 2. Liga Ende Juli kaum möglich. Der einmalige deutsche Nationalspieler, früher in Diensten von RB Leipzig, kam 2022/23 für den neuen Italienischen Meister SSC Neapel nur zu sechs Kurzeinsätzen. Daher zeigte er sich offenbar nicht nur bereit, in die 2. Liga zu wechseln – sondern mit dem Abschluss zu warten, bis die positive Nachricht des Lizenzverfahrens von Hertha BSC vorliegt. Die kolportierte Ablösesumme von vier Millionen Euro könnte dabei durch einen Tausch mit Hertha-Profi Lucas Tousart (Vertrag bis 2025) inklusive Ausgleichszahlung finanzierbar werden. Der französische Nationalspieler befindet sich ohnehin als einer der Großverdiener im Kader ganz oben auf Herthas Streichliste. Aus finanziellen Gründen gehören auch Dodi Lukebakio (2024) und Suat Serdar (2026) in diese Kategorie – eine gewisse Ablösesumme wäre dabei noch für alle drei Profis zu erzielen, jeder Euro hilft Hertha BSC aktuell schließlich. Die Zeichen stehen auch in den Fällen von Jonjoe Kenny, der in einem Jahr in der Hauptstadt nicht zu überzeugen wusste, und Marvin Plattenhardt auf Trennung. Der Vertrag des 31-Jährigen, vor der Saison sogar zum Kapitän befördert, läuft diesen Sommer aus – doch seit neun Jahren im Verein, steht gerade er auch für den langjährigen Niedergang. Dazu hätte Hertha BSC – Stichwort „Berliner Weg“ – mit Julian Eitschberger (19) einen jungen Kandidaten aus dem eigenen Stall als Nachfolgekandidaten auf der linken Abwehrseite. Auch für Stürmer Wilfried Kanga und Abwehrspieler Agustín Rogel (beide bis 2026) sucht der Verein Abnehmer, ebenso wie für eine Reihe von verliehenen Spielern mit Vertrag noch bis 2025. Diese drohen zur neuen Saison und zum Teil sogar nicht zum ersten Mal in Berlin wieder auf der Matte zu stehen. Dabei wurde Torwart Alexander Schwolow (zuletzt verliehen an Schalke 04) zumindest mit seinem früheren Club SC Freiburg in Verbindung gebracht – für Myziane Maolida (Stade Reims), Krzysztof Piatek (US Salernitana), Luca Wollschläger (RW Essen) oder Deyovaisio Zeefuik (Hellas Verona) hält sich das Interesse aber bislang noch in Grenzen. Die „Leihrückkehrer“ Linus Gechter (Braunschweig) und Marten Winkler (SV Waldhof) sollen jedoch bleiben.
Anstrengungen groß, um Spieler zu halten
In die Kategorie derer, die man vonseiten des Vereins durchaus gern behalten würde, zählen die beiden Innenverteidiger Marc Kempf und Filip Uremovic, Mittelfeldspieler Jean-Paul Boetius, sowie die Offensivspieler Marco Richter und Derry Scherhant. Doch auch wie im Fall von Maximilian Mittelstadt, der obendrein eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag besitzt, und dem von Torwart Oliver Christensen gilt im Prinzip die Aussage, dass jeder Spieler bei entsprechendem Angebot zum Verkauf steht. Zwischen den Pfosten hatte dazu Tjark Ernst (20) zuletzt sein Talent bewiesen – und auch Eigengewächs Marius Gersbeck (27) jüngst mit einer Rückkehr vom Karlsruher SC öffentlich kokettiert. Als „echte“ Neuzugänge stehen dazu Gustav Christensen (18, FC Midtjylland) und der bereits im Winter vorzeitig gebundene Fabian Reese (25, Holstein Kiel) fest, auch Pascal Klemens (U19) erhielt einen Profivertrag. Routinier Peter Pekarik soll außerdem ein Jahr dranhängen, bevor er eine Position im Verein erhält. Um den Verbleib von Marton Dardai und Jessic Ngankam ist man dazu bemüht, weniger allerdings um den von Winterzugang Tolga Cigerci – während „Dauerpatient“ Kelian Nsona (seit anderthalb Jahren bisher verletzungsbedingt ohne Einsatz) mangels Abnehmer wohl bleiben wird. Last but not least wird auch der erst im Januar gekommene Florian Niederlechner seine Gelegenheit zur Wiedergutmachung bekommen – schließlich hatte der 32-jährige Kämpfertyp nach dem endgültigen Abstieg bekannt: „Ich werde auf alle Fälle Spieler sein: Wir haben Scheiße gebaut – und ich bin einer, der versucht, den Fehler auszubügeln, den wir gemacht haben.“