Wenn Janice Jakait selbstkritisch von ihrem Ego-Trip spricht, handelt es sich um nichts Geringeres als um die Überquerung des Atlantiks in einem Ruderboot ganz allein. Damit ist die ehemalige IT-Beraterin die erste Deutsche, der das gelungen ist. Und das, obwohl sie Rudern gar nicht mag und Wasser eigentlich nicht ihr Element ist. Es geht um höhere Ziele. Um die Suche nach Glück und Sinn. Statt darüber gemütlich auf der Couch eines Psychoanalytikers nachzudenken, sucht die 39-Jähige Extremsportlerin lieber die ganz große Herausforderung und ist bereit, dafür ihr Leben zu riskieren. Während sie ein Weltmeer überquert, kreisen die Gedanken um sie selbst. Doch wer sie ist und welche Probleme sie bewegen, lässt sich nur zwischen den Zeilen erahnen. Aber sie rudert nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Projekt "Row for silence" (Rudern für die Stille), welches auf den Unterwasserlärm aufmerksam machen soll, der dramatische Folgen für viele Meeresbewohner hat. Doch die Stille, die sie in den Weiten des Ozeans sucht, will sich lange nicht einstellen. Zu laut sind die Wellen, die klappernden Ruder und vor allem der Lärm im Kopf.
Baden geht sie während der dreimonatigen Expedition kaum. Zu groß die Angst davor, was unter der Oberfläche verborgen sein könnte. Zu groß die inneren Dämonen. Im Äußeren manifestieren diese sich in Gestalt von Haien oder haushohen Wellen. Als Gesprächspartner in schweren Stunden stehen ihr nur Krishna, Jesus oder Nietzsche zur Seite. Ganz appetitlich geht es an Bord nicht zu. Der Schlafsack schimmelt in der Feuchtigkeit, ihr selbst dreht sich im Wellengang der Magen um. Die Träume werden prosaisch. Sie halluziniert non Senf, Eisbein und Bierschinken. Doch sie wird auch belohnt: mit doppelten Regenbogen, springenden Delphinen oder einem tête-à-tête mit einem Walfisch. Als ihr Boot, die "Bifröst", im 6.500 Kilometer entfernten karibischen Barbados anlegt, hat Janice Jakait "viel verstanden, doch nur wenig begriffen".
Daniela Noack