Peter Franke ist gelernter Koch. Wenn er nicht kocht, gibt er in seiner Kräutermanufaktur Kurse und damit Interessierten das Wissen um die Schätze unserer Natur weiter. Regionalität ist für ihn keine Modeerscheinung, sondern Anspruch an sich selbst.
Wie ein selbst gekrönter König des Natürlichen trägt Peter Franke einen Wiesenblumenkranz auf dem Kopf. Der umrankt einen Strohhut und ist sein Markenzeichen. Franke kennt Gott und die Welt. Vor allem aber kennt er sich aus mit dem, was in seiner Welt, dem Spreewald, wächst und wie man das am besten verarbeitet. Nach dem Lebensmotto "vorwärts zurück zur Natur" hat der in Sachsen geborene Wahl-Thüringer sich in 30 Jahren den Spreewald erobert. Heute ist er kulinarischer Botschafter seiner Wahlregion. Die Liebe hatte den umtriebigen Mann Anfang der 90er-Jahre hergebracht. Die große Liebe zum Spreewald kam erst später. Seine Frau Antje ist Teil einer 400 Jahre alten Familiengeschichte. Sie betreibt in langer Tradition das Landgasthof-Hotel "Zum Stern" in Werben. Kein leichter Stand. Denn Franke, ein Zugezogener, musste sich erst in der Region positionieren, ein Stück auch emanzipieren. Als gelernter Koch unterstützte er zunächst das Familienunternehmen und schlug neue Wurzeln.
Der weltoffene Franke sieht gern über den eigenen Tellerrand und will den Spreewald auch überregional bekannter machen. Er wirbt als "der Spreewaldkoch" auf Empfängen, Messen, Kochshows, -akademien und Kongressen für seine Wahlheimat. Auch die Medien umgarnen ihn, und für kurze Zeit schwingt er als TV-Koch an der Seite von Johann Lafer den Kochlöffel. Aber Franke will noch etwas Anderes vom Leben. Er liebt es, sein Wissen im überschaubaren Kreis weiterzugeben. Denn Trubel wird ihm oft zu viel. Als er Mitte der 90er-Jahre im nahe gelegenen Burg ein 200 Jahre altes Bauernhaus entdeckte, erfüllte er sich seinen Lebenstraum und eröffnete in dem nach Originalplänen rekonstruierten, regionaltypischen Doppelstubenhaus seine "Spreewälder Kräutermanufaktur". Die Kochmütze wurde in seinem neuen Refugium zum Blumenstrohhut, und Franke fühlte sich angekommen. "Ich brauchte einen Ausgleich zu meinem Aktivismus. Und hier war und ist der Ort, wo Körper und Geist wieder in Balance kommen." Drinnen herrscht der Geist der Spreewald-Tradition am offenen Herd, und im Garten locken die Düfte und Aromen. Beim Eintreten in Frankes "Gute Kräuter- und Koch-Stube" fühlt man sich wie ein Zauberlehrling. Neben all dem Urtümlichen liegen vielfältige Aromen in der Luft. 1.001 Gläser mit Eingelegtem, Getrocknetem oder zu Tinkturen verarbeiteten Kräutern, Blumen, Beeren, Stängeln oder Knospen stehen auf langen Holzregalen. Fast triebgesteuert nimmt man Witterung auf. Will gern sofort ein Glas öffnen, die Nase hineinstecken, den Inhalt zwischen den Fingerspitzen zerreiben oder direkt auf die Zunge schieben.
Peter Franke bezeichnet sich selbst als Genusshandwerker und hat für sich und seine Gäste, die auch gerne schnell und offenherzig zu Freunden werden, einen Ort erschaffen, wo man sich trifft und austauscht, aber vor allem selbst an Töpfe und Schüsseln Hand anlegt, Kräuter und andere Zutaten sammelt und gemeinsam verarbeitet. Am Ende isst man zusammen am großen Tisch und nimmt sich die selbst gefertigten Köstlichkeiten mit nach Hause. Immer mit im Topf: Frankes Wissen, Geschichten, Küchenweisheiten und sein unschlagbar ehrlich-herzlicher Humor. "Denn der beste Vorrat ist der gute Rat!", sagt Franke.
Die Manufaktur ist auch eine wertvolle Nachbarschaftsanlaufstelle und Tauschbörse für Naturalien. So gibt jeder seine Ingredienzien in ein gemeinsames Endprodukt. "Ich sehe die Kochkunst als eine Einheit aus Menschen, Geschichten und Ritualen", philosophiert der 62-Jährige mit dem Guter-Onkel-von-Nebenan-Erscheinungsbild.
"Der beste Vorrat
ist der gute Rat"
Alles, was der Erde sanft entrissen wurde, kommt nachhaltig in einen kulinarischen Verwertungskreislauf. Die Schätze der Wiesen werden zu Wildkräuterbutter, -Quark- oder -Meerrettich-Variationen für "die Bemme" verarbeitet. So heißt bei Franke und in seiner Heimat Thüringen das Butterbrot. Auch in aromatisierten Essig, Gelee und Pesto wandern die wilden Grünpflanzen, die nach Ansicht Frankes natürlich auch in jeden grünen Smoothie gehören.
Unter dem Motto "Selbst ernten, zubereiten und genießen" lädt er bereits jedes Jahr von März bis Anfang Oktober immer mittwochs von 14 bis 16 Uhr zu einem geführten Wildkräuter-Spaziergang ein und gibt für 20 Euro Einblicke in seine grüne Welt. Die Teilnehmer dürfen sich erst mal ordentlich bücken und selbst auf Entdeckungs- und Erntetour im nah gelegenen Gartengrundstück gehen. Dann öffnet Franke seine Wissensschatztruhe und verrät allerlei über Geschmack, Heilkraft sowie Verarbeitung.
Zehn Kräuter stehen jeweils auf dem Programm. "Wildkräuter sollte man vorzugsweise immer vor 12 Uhr pflücken, da ist die Wirkungskraft am stärksten, und im Stängel, da liegt die Kraft", lautet der fachliche Rat Frankes.In der Lehrstube ist das wildkrautige Bouquet dann auf zehn Tellern verteilt. Müsste er zwischen Schafgarbe, Gundermann, Hirtentäschel, Heckenrosen, Holunder, Vogelmiere, Gänseblümchen, Hagebutten, Löwenzahn, Birkenblättern und all den anderen sein Lieblingskraut wählen, würde bei Franke der Giersch das Rennen machen.
"Der liegt im Trend, wächst hier überall und ist bald der neue Bärlauch. Mit Orangensaft und Banane schmeckt er nicht nur kräftig, sondern ist auch gut gegen Rheuma und für die Gelenke. Der prallblättrige Gundermann ist auch köstlich, aber der wächst eher selten. Schafgarbe oder Löwenzahn tun es auch", erklärt der Kräuterexperte, der je zehn Stängel pro Kraut mit einem Liter Apfelsaft zu seiner berühmten Unkrautbowle mixt.
Am meisten fasziniert ihn die viel zu sehr in Vergessenheit geratene Klosterheilkunde. In seinem nächsten Leben würde er am liebsten auch die Kosmetik einbeziehen. Aber dafür hat er jetzt noch keine Zeit. Die widmet er vielleicht lieber mal wieder einem neuen Kräuterkochbuch, das demnächst erscheinen soll. Denn in der Frankschen Kräuterschmiede kommen natürlich die Küchenkräuter zum Einsatz, die dem Essen die Würze, Schärfe, Milde oder Bitterkeit geben. In ganztägigen Kochseminaren für nicht mehr als zwölf Teilnehmer und einer Preisspanne von 30 bis 100 Euro wird das Wissen rund um das Spreewälder Kochen vertieft."Das Authentische steht vielen Menschen in ihrem operativen Geschäft oft im Weg. Das funktioniert irgendwann nicht mehr. Am Ende kehrt man zu seinen Vorlieben aus der Kindheit zurück." Dabei denkt Franke an seine Mutter, die ihm früh mit ihrem Wissen die Liebe zu den Kräutern vermittelt hat. "Das Zusammen-Tun ist das Prinzip meiner Werkstätten, mit einfachen und natürlichen Mitteln Freude schenken und sich einen ehrlichen Moment teilen." Bei Peter Franke findet man Dinge aus Eigenproduktion, die man woanders nicht kaufen kann. Hinzu kommen seine "Nach-Lust-und-Laune-Produkte", die er spontan vor Ort zubereitet. Der Renner: die einfachen Schnellgurken, die im Sommer gern neben Dill auch mal mit Blütenblättern vermengt werden. Selbst vertreibt der Kräutermann im Direktvertrieb nur noch seine herrlichen Wildkräuter- und Blütensalze. Früher waren es an die 50 Produkte, aber manchmal ist weniger so viel mehr.
Auch fleischliche Genüsse kommen in der Genusswerkstatt nicht zu kurz. Der Herbst wird Anfang Oktober mit einem Schlachtfest eingeleitet, wo man an vier Terminen allerlei über die Fleischverarbeitung erfährt. Wem diese Schweinereien nicht liegen sollten, der kann immer noch an einer Fisch-Werkstadt teilnehmen, die Franke in Zusammenarbeit mit Fischer Karl Winkelgrund von der Teichwirtschaft Stradow veranstaltet. Neben Aal, Schlei, Barsch und Forelle trifft man dort natürlich auch auf den Hecht in Spreewaldsoße oder erfährt, dass der Stradower Karpfen als Wasserschwein betitelt wird.
Auch fleischliche Genüsse und Fisch kommen nicht zu kurz
Vom Kurzbraten, Garen in Folie, Pochieren im Sud oder Räuchern bis zur Herstellung eines ordentlichen Fischfonds hier wird nichts ausgelassen. Und man erfährt eine Menge über die traditionelle Fischkultur der Region. Wer schließlich noch die Königsdisziplin des nachhaltigen Kochens erlernen möchte, der gehe mit Franke ans Eingemachte und lege seine saisonal geernteten Schätze in Öl, Essig oder Senf ein. Unterm Weihnachtsbaum ist jedem tosender Applaus ob der selbstgemachten Geschenke sicher. Ein ordentlicher Tropfen Herzblut ist immer mit im Glas.
Eines muss man bei der Anmeldung beachten: Es wird schwer, diese genüssliche Parallelwelt zu verlassen. Denn ohne dass man sich versieht, wird man von Onkel Peter als Familienmitglied der Spreewälder Kräutermanufaktur adoptiert.
Anke Sademann
INFO:
Spreewälder Kräutermanufaktur
Byhlegurer Straße 17
03096 Burg/Spreewald
Telefon 035603-660
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