Kleine Label haben es oftmals schwer, am Markt wahrgenommen zu werden. Das "Vielfach Berlin Das Kreativkaufhaus" bietet Einzelunternehmen die Möglichkeit, ihre Kreationen zu präsentieren. Und das zu einem fairen Preis.
Carsten Schirrmeister sprüht vor Begeisterung, wenn man ihn in seinem Laden antrifft. Viele Jahre hatte der Groß- und Außenhandelskaufmann aus der Stahlindustrie eine visionäre Idee. Bevor er die realisierte, ist er ein Jahr lang kreuz und quer durch Berlin gelaufen, um auf Handmade-Märkten, Messen und Design-Plattformen die Kreativen der Stadt zu treffen, um mit ihnen seine Vision zu teilen. Er möchte "freiberuflichen Künstlern, Jungdesignern und selbstständigen Kunsthandwerkern aus allen kreativen Bereichen des Handwerks einen begehbaren Raum in Berlin schaffen", der Showroom, Pop-up-Store, Galerie und Verkaufsraum in einem ist.
Auf der Grenzlinie zwischen Mitte und Kreuzberg nahe des Checkpoint Charly hat Schirrmeister vor drei Jahren sein "Vielfach Berlin Das Kreativkaufhaus" eröffnet. Auf 140 Quadratmeter und zweieinhalb Etagen vermietet er temporär (ab drei Monaten) oder auch langfristig zu fairen Mietpreisen an die 250 Verkaufsflächen an kleine Gewerke. Shoppinglustige finden bei "Vielfach Berlin" in kleinen und großen Fächern, Bekleidungsboxen sowie auf Bodenflächen Design, Kunst und Fotografie, Home und Living, Fashion und Accessoires. Alles handgemacht fast alles aus Berlin.
"Viele der kreativen Einzelunternehmen sind zu klein, um einen eigenen Laden zu eröffnen. Die meisten Artefakte, darunter viele Unikate, werden dann auf Märkten, Messen, Design-Ausstellungen und über Online-Portale verkauft. Diese kleinen Herzblutgewerbe sind zwar dynamisch und voller Tatendrang, gleichzeitig ist ihr Weg aber ein sehr existenzieller. Einige sind wie ich selbst aus anderen Berufsfeldern oder Lebensumständen aus- und umgestiegen und starten bei uns einen Testballon, andere sind aber auch schon sehr lange dabei", sagt Schirrmeister. Mit viel Empathie und seinem Know-how berät Schirrmeister seine kreativen Zulieferer auf Wunsch auch in Präsentationsdesign und bei der Preisfindung. "Die Preise sind hier die selben wie auf den Märkten. Fair für den Endkäufer und den Aussteller das ist die Devise", betont Schirrmeister, der die emotionale und wirtschaftlich denkende Naht- und Nabelstelle zur Außenwelt ist. Dabei bleiben die deutschen und internationalen Künstler, von denen 60 Prozent ihre Schaffensstätten in Berlin und Brandenburg haben, weiterhin unabhängig und haben zu ihren mobilen auch einen festen Verkaufsstandort. Künftig sind auch Atelierbesichtigungen geplant. Auch Labels aus Hamburg, Erfurt, München oder Saarbrücken finden mittlerweile den Weg in den Hauptstadtladen. Voraussetzung: Ihre Macher legen selbst Hand an.
Individueller geht es kaum
Obwohl die vielen liebevollen Artefakte der zahlreichen Handmade-Labels voll im Trend sind, hält sich das Kreativkaufhaus wie ein bunter Fels in der Brandung. Schirrmeister war unter den Pionieren, dem es durch seine Verbundstrategie gelungen ist, die Berliner Handmade-Kultur anfass- und erlebbar zu machen. "Über die Jahre haben sich die Techniken verfeinert. Nur hohe Qualität und Originalität bewähren sich", erklärt der Ladeninhaber. Ein bisschen Stricken, Häkeln und Nähen zu können, reiche nicht mehr aus. Da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Upcycling sei immer noch ein großes Thema und ist mit etwa zehn Prozent im Sortiment vertreten. Aber auch andere Trends und Tendenzen in der nachhaltigen Szene spiegeln sich in den Produkten.
So haben durch die Reduzierung des Plastiktütenverbrauchs Beutel, Schultertaschen, Gym bags (Turnbeutel) oder Rucksäcke ihr großes Revival. Bunt bedruckte Beutel und Unikattaschen mit Obligations-Zipper von Mylulabag und Nikollektion gesellen sich zu spacigen Rucksäcken mit wasserabweisendem Unisex-Außenmaterial von Ashley Jones und Stoffwittchen oder Etuis aus plastifizierten, geflochtenen Zeitungen von transFormate.
Ein beeindruckendes Spiel mit Upcycling-Materialen beherrscht Designer Thomas Heer, der mit seinem Label Fawwi aus ehemaligen Luftmatratzen, Fahrradschläuchen oder Lastwagenplanen ebenso schöne, wie robuste Taschen handfertigt. Die halten auch dem Geschmack der Männer stand, die sich mehr für technische Präsente wie die zu Lautsprechern umgebauten Heizlüfter oder DDR-Höhensonnen von urmurks, die aus Fahrradteilen zusammengesetzte "Monbijou Lampe" von BerlinReCycling, die Handyhüllen aus Holz von Beykov (in acht Echtholzarten) oder den Pokketmixer (Mini-DJ-Mischpult) in Smartphone-Größe mit Berlinmotiven interessieren. Schirrmeister will das analoge "Offline-Shopping" forcieren. "Auf unserer Website findet man zwar das gesamte, oft wechselnde Produktspektrum, aber es soll kein weiterer Onlineshop entstehen. Wir setzen auf individuelle Vielfalt. Die hohe Qualität der Verarbeitung nimmt auf die authentische und individuelle Ausstrahlung der Produkte keinen Einfluss." Vorbeikommen ist die Devise.
Von Vorteil sind natürlich auch die gute touristische Lage und die Preisgestaltung. Kleine, feine Mitbringsel sind bereits für fünf Euro erhältlich. Größere Werke aus dem "Home & Living"-Segment wie die patinierten Ölwannenspiegel gehen preislich bis zu 800 Euro. Neben den Touristen kommen gerne auch mal Lehrer vorbei, um ihren Schülern mit den Fragekarten des beliebten Schnitzeljagd-Sets die Geschichte rund um den Checkpoint Charly zu veranschaulichen.
Reichlich Platz zum Stöbern auf 140 Quadratmeter
Die ganz kleinen Erdenbürger freuen sich über ein knautschig-weiches Wahrzeichen. Die bunte Fernsehturm-Babyrassel aus Stoff von "7Lieblingssachen" könnten neben Holz-U-Bahnen (Bauer & Sohn) das kleine Hauptstadt-Mitbringsel sein, eine farbenfrohe Rutschtier-Holzkatze oder ein Holz-Känguru von Tede Family mit Baby Mimmi, das große.
Und alle Mamas und Nichtmamas (90 Prozent der Käuferschaft sind Frauen) freuen sich über "Handmade jewellery with real flowers!". Das Label Kiezelfen kreiert aus echten Blumen & Blüten der Berliner Stadtnatur "Wiesenjuwelen". Aufgrund der großen Nachfrage belegt die "Made by my hands"-Schmuckdesignerin Cathy Thica aus Saarbrücken gleich sechs Fächer im Kreativkaufhaus. Neben Armbändern, filigranen Motiv-Ohrsteckern fertigt sie auch Perlen-Armbänder mit Edelstein-Wirkkrafthinweisen. ZwillingsZwirn ergreift mit seiner wunderhübschen Taschen-Kollektion "Ankerliebe zu jeder Jahreszeit" fernwehstillende Maßnahmen.
Ein besonderes Leuchten steht in Schirrmeisters Gesicht, wenn er die Geschichten rund um seine Labels erzählt, die er wie knisterndes Geschenkpapier um seine Produktschätze wickelt. Selbst wenn sie wie die mechanischen Armbanduhren-Unikate von Uhrgesicht in edlen Echtholzboxen aus Klavierlack präsentiert werden. Der autodidaktische Uhrenmacher Oliver Leß aus Hohenneudorf fertigt aus antiken Taschenuhren wunderschöne Manufaktur-Unikate. Im Zifferblatt werden die silbernen Gehäusedeckel wieder zum Leben erweckt.
Im Untergeschoss wartet dann noch die Mode der Jungdesigner. Von Mützen, Schals und Babystramplern über Oberbekleidung wie die handgedruckten Karl-Marx-Revival-Shirts von Karlskopf ist für kurze bis große Menschen garantiert etwas dabei. Und dann wären da ja noch die schrillen Frühstücksbrettchen Art is soul by Jutta Poppe oder Holztafelfotos von Caro Berliner Art. Das Fragile zum Schluss: Wie wäre es mit einem kleinen Herz aus handaufgefädelten Perlen (sweet nothings), einem Porzellan-Schneemann von Edelweiss oder einem Ministein-Urbangarden-Kunstwerklein von Natursinn by Julia Fabian?
Das Kreativkaufhaus ist ein Ort, in dem man sich die Zeit zum Stöbern und Staunen nehmen sollte. Schirrmeister hat die Berliner Handmadekultur erlebbar gemacht und einen Ort erschaffen, dem die Aura einer großen Liebe zum Detail innewohnt. Wer ein Unikat-Geschenk sucht, ist hier richtig. Individueller gehts nicht.
Anke Sademann
Info
Vielfach Berlin
Das Kreativkaufhaus
Zimmerstraße 11
10969 Berlin
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