Beim Modefestival "Plus Size Fashion Days" geben sich immer Labels und Plus-Size-Designer ein Stelldichein. Tanja Marfo ist das Multitalent, das dieses Event für Mode jenseits von Kleidergröße 42 ins Leben rief. Außerdem führt sie einen Blog und die gleichnamige Model-Agentur "Kurvenrausch". Welche weiteren Aktivitäten in Sachen Curvy Fashion on- und offline in diesem Jahr anstehen, verriet die 37-Jährige im Gespräch.
Frau Marfo, welche Eindrücke haben Sie von der kürzlich in Berlin gelaufenen Fashion Week in Sachen Plus-Size-Mode mitgenommen?
Wenn wir ehrlich sind, dann sind Plus-size-Größen auf der Fashion Week leider Mangelware. Ich habe mir mehrere Shows angeschaut, und die gezeigte Mode ließe sich durchaus auch in großen Größen zeigen. Aber auf den regulären Shows der Mercedes Benz Fashion Week waren wir nicht vertreten. Besonders gefallen haben mir insgesamt die Shows von Anja Gockel, Leonie Mergen und Maria Hoermanseder.
Wir sind im Plus-Size-Mode-Bereich zwar weitergekommen, allerdings ist noch unendlich viel Luft nach oben. Von der Panorama war ich positiv überrascht, wenngleich ich die angebotene Modenschau unspektakulär fand. Wo ist der Glamour hin? Warum wird so wenig Wert gelegt auf ein tolles Styling und den richtigen Gang? Ich wundere mich, denn gerade bei den Labels, die über ein gewisses Budget verfügen, wird offenbar gespart. Ein weiterer Punkt verwunderte mich: Adam Brody war der einzige Designer für Plus-Size-Mode auf der gesamten Panorama. Es gab insgesamt wenige Labels in Plus Size dort und wirklich innovatives Design sieht anders aus. Aber die Panorama ist ein Schritt in die richtige Richtung. Große Größen sind sichtbar, nur haben wir nach wie vor ein schlechtes Image.
Wirkt sich das auf die Plus Size Fashion Days aus?
Ja, ich wünsche mir, dass wir noch viel mehr Aufmerksamkeit für mein Anliegen erzielen, gute Mode für Frauen im Plus-Size-Bereich zu bekommen. Ich möchte noch mehr Designer bei den Plus Size Fashion Days an Bord haben. Im vergangenen Jahr hat Thomas Hanisch ein schwarz-weißes Abendkleid eigens für uns designt. Das ist sehr gut angekommen und war eine Mega-Ehre für mich. Ich möchte noch mehr Designer hinein- und die Plus-Size-Mode für uns Frauen aus ihrer manchmal doch recht trutschigen Ecke herausholen.
Was wünschen Sie sich konkret von den Designern?
Wir brauchen Designer, die ihre Modelle ebenso in größeren Größen und nicht nur in "Straight Fashion" entwerfen. Mode für größere Größen ist weitaus mehr, als bestimmte Muster und Raffungen zu empfehlen, die "kaschieren". Wir wollen das ganze Spektrum der Mode, mit ihren neuen Ideen und Haute Couture und guter Qualität, nur eben auch in größeren Größen.
Es geht Ihnen letztlich um Mode in allen Größen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Wir werden die Model-Castings für die Plus Size Fashion Days noch einmal verändern. Zusätzlich zu den Profis, die seit drei Jahren durch meine Agentur mitlaufen, werden wir noch mehr Nicht-Profis ansprechen, um das ganze Spektrum von Körperformen und -größen abzubilden. Kürzlich hat das bereits sehr gut funktioniert. Wir haben mit Carolin eine neue Frau in der Agentur und sie ist gleich für ein erstes Shooting für den Onlineshop von "Navabi" gebucht worden.
Sie starten in diesem Jahr ebenfalls mit "Project Plus". Was haben Sie vor?
Ich plane umfänglichere Aktionen, um Frauen sichtbarer zu machen. Dicke Frauen existieren nicht im positiven Sinne in den Medien, im Sport oder als verführerische Frauen. Da kann sich noch vieles tun. Kampagnen wie die "BodyLove"-Kampagne von Silvana Denker oder die aktuelle Dove-Kampagne "Meine Schönheit ist meine Entscheidung" setzen dem etwas entgegen. Wir könnten mit "Project Plus" ganze Modestrecken mit unterschiedlichen Frauen produzieren und den Medien anbieten. Oder wir können Videos produzieren, in denen Frauen einfach tanzen. In meinem Netzwerk sind viele Frauen aktiv. Da geht auch ein Streetfotografie-Shooting in New York oder Amsterdam. Wir müssen mit den Bildern in unseren Köpfen und in der Öffentlichkeit aufräumen und dazu mangelt es mir nicht an Ideen. Letztlich wollen wir schon die Kinder und Jugendlichen erreichen. Niemand sollte diesen enormen Druck verspüren, wie ein Mädchen oder Junge auszusehen hätte oder sich hässlich finden.
Was brachte Sie dazu, vor vier Jahren selbst die Plus Size Fashion Days in Hamburg ins Leben zu rufen?
Ich habe auf der ersten Curvy-Messe bei der Fashion Week 2013 in Berlin gesehen, dass eine 38er-Frau in 44er-Kleidung über den Laufsteg lief. Ich habe mir gedacht: Das kann doch nicht sein. Kann ich das ebenso sein, mit meiner Kleidergröße? Bei der Full Figured Fashion Week in New York hatte ich gesehen, welch eine große Vielfalt von Frauen es auf dem Laufsteg gab. Das hat mir gut gefallen und mir so einen Anstoß gegeben, mit Hilfe von vielen, vielen Freunden innerhalb von drei Monaten im September 2013 die ersten Plus Size Fashion Days auf die Beine zu stellen. Jetzt gehen wir bereits ins vierte Jahr.
Außerdem bin ich selbst als Visagistin und Kosmetikerin in der Branche tätig gewesen. Da habe ich mitbekommen, was abgeht. Ich wollte schon immer etwas mit Menschen gemeinsam bewegen. Das mache ich nun, wenn auch ganz anders als ich mir das gedacht hatte, als ich angefangen hatte, Sozialökonomie zu studieren. Mein jetziger Beruf hat mich als Person und mein ganzes Sein sehr verändert.
Sie selbst sind eine große, stattliche Frau. Was waren die überraschendsten Entwicklungen für Sie persönlich durch dieses Engagement?
Ich habe so viel Neues ausprobiert. Das kann ich jeder Frau nur empfehlen. Einfach mal neue Kleidungsstücke oder einen neuen Stil ausprobieren, der mir steht. Damit ausgehen und sei es nur bis zum Supermarkt. Das heißt, ich schaue genau hin und versuche herauszufinden, was mir genau mit meiner Figur steht. Viele dicke Frauen trauen sich nicht an Röcke, Kleider oder kurze Jacken heran. Das ist Quatsch. Es ist eine Frage der eigenen Proportionen und Vorzüge, zu erkennen, was gut für mich ist und zu mir passt. Es geht nicht um neue Vorschriften. Wenn eine Frau eine Taille, eine Brust oder schöne Lippen hat, dann sollte sie das herausstellen. Ich wäre zum Beispiel früher nie auf die Idee gekommen, mit roten Lippen rauszugehen, obwohl ich als Make-up-Artistin eigentlich Expertin bin. Das hat sich glücklicherweise komplett bei mir geändert.
Was empfehlen Sie Frauen, die Mode in großen Größen suchen? Wo finden sie die?
In Hamburg, wo ich lebe, gibt es das "Kurvenhaus" und für die jüngeren Labels, etwa von Zizzi oder Junarose, das "Crispy Kurvenhaus". Das sind Design Concept Stores, so wie auch der "Les Soeurs Shop", den es seit einem Jahr in Berlin gibt. Ich persönlich finde Online-shopping super, zum Beispiel auf www.navabi.com. Da gibts die Kleider von Manon Baptiste, die immer super sitzen.
Wie sieht es eigentlich für die Plus-Size-Männer aus?
Die Männer sind noch einmal eine Nische in der Nische. Aber es gibt einige, die über die Catwalks oder auch übers Bloggen mehr präsent werden. Auch ein dicker Mann möchte nicht auf modische Kleidung verzichten. Wir hatten bei den Plus Size Fashion Days 2016 das erste Mal sechs Männer auf dem Laufsteg. Es sollen aber noch mehr werden.
Sehen Sie Änderungen bei den Firmen, mit denen Sie arbeiten? Kommt die Botschaft an, dass Mode in jeder Größe gefragt ist?
Ich kooperiere mit vielen Firmen. Diejenigen, mit denen ich arbeite, haben erkannt, dass es einen Markt gibt und wie Plus-Size-Frauen angesprochen werden möchten. Ich berate aber auch Unternehmen, die in diesen Bereich hineinwollen. Die verstehen manchmal die Kundinnen gar nicht. Sind das sehr traditionelle Unternehmen, herrschen manchmal noch sehr alte Denkweisen zu Kleidergrößen und Mode vor und etwa die Social-Media-Welt ist ziemlich unbekannt. In vielen Köpfen herrschen noch alte Denkweisen und Schubladen, in die niemand passt. Außerdem habe ich durch meine Zusammenarbeit mit Bloggern, Influencern und Kundinnen einen anderen Blickwinkel, den ich gern teile. Der Plus-Size-Bereich hat viel mit Emotionen zu tun. Da ist es gut, dass ich mich in Kundinnen einfühlen kann. Das Anderssein durch Größe und Gewicht zieht sich durch mein ganzes Leben.
Die Erfahrung, nicht gut genug zu sein und zu denken, sich ständig optimieren zu müssen, haben aber beinah alle Frauen gemacht. Wenn wir Frauen unterschiedlicher Konfektionsgrößen in einen Raum sperren, werden wir feststellen, dass wir alle unterschiedlich sind. Aber wir alle haben dieselben Dinge, die uns beschäftigen, wie Beruf oder Familie. Wir sollten uns von unseren Unterschieden nicht aufhalten oder ausbremsen lassen.
Interview: Ute Schirmack
Weitere Informationen unter:
www.kurvenrausch-hamburg.de
www.plussizefashiondays.de
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