Die längste Zipline der Alpen, waghalsige Aussichtsplattformen, ein E-Enduro-Bikepark und Jugend-Klettersteige: Die steirische Region rund um die Skihochburg Schladming ist auch im Sommer ein Topziel.


Ist das Braune hier am Felsen Einhornkacke?", witzelt Roland und setzt gleich nach: „Ach, und da hinten steht ja das dazugehörige Tierchen!" Die elfjährige Anna und ihre Freundin Mimi schauen von ihren Haltegriffen in der Steilwand auf. Und prusten los. Denn was da am Stein klebt, ist Erde und das Viech in einiger Entfernung ein eiserner Steinbock, der den Kinderklettersteig „Kali" schmückt. Hier beim Jugend-Pendant „Kala" geht es ohne solche Figuren, dafür klettertechnisch mehr zur Sache. Die Felswände sind steil, die Tritte recht weit auseinander, die Schwierigkeitsstufen überwiegend B, teils auch C bis D, also schwierig. Doch selbst diese Passagen meistern die Klettersteig-Novizen mit Bravour, mit ein Verdienst des 32-jährigen Bergführers, der als hauptberuflicher Lehrer weiß, wie man mit Kindern umgeht. Und so bleibt neben den Erklärungen des Gurt-Sets und dem Ausprobieren eines Flying Foxes eben auch Zeit für Einhornspäße. Nach eineinhalb Stunden teils entspannten, teils end-spannenden Kletterns kommen wir rund 150 Meter weiter oben am Sattelberg an. Der hat sich nicht nur dank der Junior-Klettersteige zum „Familienberg in der Ramsau" gemausert, sondern auch aufgrund des ersten österreichischen Natur- und Umweltlehrpfads sowie der Kinderalm samt Zwergerlbauernhof. Dafür sind die (Fast-)Teenies dann doch zu groß, also geht es zurück zum Parkplatz an der „Alten Mühle" und von dort zur 20 Autominuten entfernten Dachstein-Bahn.

Dank Sommercard, die alle Übernachtungsgäste in der Region erhalten und mit ihr bei rund 100 Freizeitattraktionen freien Zutritt und bei weiteren 100 satte Rabatte, ist die Fahrt gratis. Aber nicht umsonst! Die Aussicht auf 2.700 Metern Höhe und auf Hunderte Gipfel ist atemberaubend. Was auch an den wahrlich herausragenden Aussichtsplattformen liegt: dem Skywalk über dem Abgrund, der aus 63 Tonnen Stahl bestehenden Hängebrücke sowie der „Treppe ins Nichts", ein über 14 Stufen erreichbares, schmales Glaspodest 400 Meter über dem Wandfuß. Der Eispalast schließlich bietet statt Aus- Einblicke: in die Welt des ewigen Eises – mit illuminierten Schnitzfiguren, Eissäulen und einem Kristalldom. Brrrr, angesichts der Temperaturen um den Nullpunkt wäre eine Jacke gut gewesen, doch an die wollte im warmen Tal niemand so recht denken. Also drängt es uns nach einer schnellen Runde hinaus ins Freie und hinein ins warme Gipfelrestaurant. Gestärkt trauen wir uns bei der Talfahrt sogar auf den Freiluft-Balkon, den eine der beiden Großraumgondeln ziert. Auf der Open-Air-Standfläche auf dem Dach kommt Cabrio-Feeling auf und die Felswand, in der Anna und Mimi einen extraschweren Klettersteig entdecken, noch näher! Durch die Luft gondeln geht aber noch wilder, wie wir tags darauf in Gröbming am Stoderzinken erfahren. Dort befindet sich die mit zweieinhalb Kilometern längste Zipline der Alpen. Wie eine Fliegerstaffel schultern wir bei der Materialausgabe das rucksackartige Fluggerät samt Seilrolle und besteigen einen Bus, der uns nach 700 kurvigen Höhenmetern wieder ausspuckt. Nach kurzem Marsch werden wir an einer Plattform von einer Mitarbeiterin empfangen und instruiert, wie der Rucksack zum Sicherheitsanzug samt „Sitz" umgekrempelt wird. Dann hängt sie die mitgebrachten Rollen samt uns selbst in je eines der vier parallelen Seile ein. Auf Knopfdruck wird die Bremse gelöst und wir rauschen bis zu 120 Meter über dem Boden Richtung Tal – mit einem irren Blick über die Bergwelt. Einen irren Blick setzt auch meine Nachbarin auf, kommen ihr die Seile doch recht dünn vor. Dieser Blick verstärkt sich auf der zweiten Etappe noch, denn da zischen wir so nah an den Bäumen vorbei, dass Anna kreischt: „Ich glaub’, ich berühre die Wipfel!" Doch zum Nachdenken fehlt die Zeit – wir fliegen mit über 100 Stundenkilometern über die Bäume hinweg, um dann mit einem breiten Grinsen und sanft abgebremst an der Endstation zu „landen".
Zweieinhalb Kilometer durch die Luft

In Schladming, das im Rahmen des Travellers Choice Awards 2017 des weltgrößten Reiseportals Trip Advisor nach Wien den zweiten Platz bei Österreichs beliebtesten Urlaubszielen belegte, mögen sie offenbar schnelle Geschwindigkeiten. Beispiel Rafting in der Enns, Mountain Gokart-Fahren auf der Hochwurzenstraße und Biken: Wo im Winter Skifahrer die (WM-)Hänge hinunterflitzen, tun das in der Sommersaison die Biker. 50 Mountainbike-Strecken versprechen echten Hochgenuss, schließlich wurden die abwechslungsreichen Routen von Experten ausgetüftelt, bestens ausgeschildert und in übersichtliches Kartenmaterial übertragen, wobei sich Technikfreaks die GPS-Koordinaten einfach downloaden. Mit den Trails und Downhill-Strecken des Bikeparks auf der Planai lassen sich 930 Kilometer respektive 25.000 Höhenmeter unter die Räder nehmen. Wer etwas Anschub braucht, steigt auf ein E-Bike um, das Angebot wurde mit nun 24 Bike-and-Hike-Stationen weiter ausgebaut. „Wir bieten unseren Gästen 250 Leih-E-Bikes", erzählt Mathias Schattleitner, Geschäftsführer der Schladming-Dachstein Tourismusmarketing GmbH, als wir ihn in bester Laune antreffen. Und er hat ja auch gut lachen. Nicht nur, dass die Übernachtungszahlen von einem Rekord zum nächsten eilen, auch die Saisonverteilung entwickelt sich positiv. Schattleitner: „Rund 43 Prozent der Gäste sind Sommertouristen" – ein deutlich besserer Wert als etwa Ischgl und andere Wintersportzentren. Woran es liegt? „Wir haben so viel zu bieten: Hochseilgärten, Paragliding, Golfplätze, ein 3D-Bogenschießpark und jüngst hat auf der Riesneralm auch noch der erste E-Enduro-Bikepark Österreichs eröffnet", erklärt Schattleitner. Wer nun meint, dass angesichts derart viel Halligalli kein Platz für klassisches Wandern bleibt, irrt gewaltig. Wir überzeugen uns selbst davon, bei einer Tour zum hochromantischen Spiegelsee, einem von rund 300 Seen in der Region. Woher das Gewässer seinen Namen hat, wird rasch klar, als wir im Seespiegel den „doppelten Dachstein" sehen – ein Anblick, der aber nur bei absolut ruhigem Wasser möglich ist.

Den einfachen Dachstein erblicken wir jeden Tag auf unserer Terrasse in der „Almwelt Austria" auf der Reiteralm – ein Selbstversorger-Hüttendorf mit Traumlage hoch über dem Ennstal. Das mag ein Grund für den Erfolg sein, aber Besitzer Siegfried Keinprecht kennt noch weitere: „Der Gast kann bei uns wählen – will er Gesellschaft, kommt er zur zentralen ‚Schnepf’n Alm‘ zum Frühstück, Kaffee oder Abendessen. Will er lieber in seinen eigenen Hüttenwänden bleiben, findet er dort alle Annehmlichkeiten, die er braucht." Was Familien schätzen: die unkomplizierten Kontaktmöglichkeiten. Dazu muss man nur die Tür aufstoßen – nebenan findet sich garantiert jemand auf derselben Wellenlänge. Sei es beim Esel- und Ziegengehege, Riesentrampolin oder in der „Herzerl Alm". Und wer sein Herz langfristig verschenken will, kann hier oben, der vermutlich schönsten Außenstelle eines Standesamtes, sogar heiraten. Das ist dann ein Adrenalinrausch der ganz besonderen Art.