Klagen über Umweltprobleme durch mobilen Verkehr hat es schon immer gegeben
In der Neuzeit begann der Ärger 1935, als die „Königlich privilegierte Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft" unter den Schwingen der ersten mit Dampf betriebenen Lokomotive „Adler" in Deutschland erstmals einen Eisenbahnzug von Nürnberg nach Fürth in Marsch setzte. Die fortschrittliche englische Industrie stand damals Pate. Damals glaubte man allen Ernstes, die „hohe" Geschwindigkeit des neuartigen Verkehrsvehikels wäre dem weiblichen Organismus unzuträglich und verursache Ohnmachtsanfälle und Fehlgeburten. Oder die Kühe auf der Weide, an denen der Zug auf seiner Fahrt vorbeidampfte, würden aus Schreck über das lärmende und stinkende Ungetüm keine Milch mehr geben.
Vor 125 Jahren war dann der Pferdemist das große Umweltproblem. Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs rasch die Bevölkerung in den USA und Europa aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung und großer Fortschritte in der Medizin. Es kam zu einem gewaltigen Zuzug in die Städte, deren Infrastruktur dem zunehmenden Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen war. Denn der innerstädtische Nah-Transportverkehr wurde zu 95 Prozent mit Pferdefuhrwerken durchgeführt, der öffentliche Personennahverkehr mit Pferdebahnen und die wohlhabenden Schichten bedienten sich eigener Pferdekutschen.
Das Ergebnis war abzusehen – und ähnelte fatal der Entwicklung, wie sie dem Automobil als Transportmittel in der heutigen Zeit beschieden ist: Pferdemist wurde um die Jahrhundertwende zum großen Verkehrs- und Umweltproblem. Die „Times" sagte 1894 voraus, dass die Straßen Londons bis 1950 mit einer drei Meter hohen Mistschicht bedeckt wären. Für New York errechnete ein Kolumnist, dass Pferdeäpfel dann bis zum dritten Stock der neuen Wolkenkratzer reichen würden.
Damals stellten die Pferde und ihre Hinterlassenschaften ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Fliegen und anderes Ungeziefer ließen sich die Pferdeäpfel wohl schmecken und verbreiteten viele Krankheiten wie Typhus. Um 1900 wurden allein 20.000 Todesfälle ursächlich mit dem Pferdemist in Verbindung gebracht.
Mit dem Aufkommen des Automobils, das sehr schnell für den Transportbereich entdeckt wurde, verschwand das Pferdemistproblem innerhalb weniger Jahre. Das Automobil wurde zur Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Doch der Siegeszug des Automobils schuf nach 125 Jahren neue Probleme: Die Kfz mit Verbrennungsmotoren, insbesondere Dieselfahrzeuge, werden aufgrund ihrer Schadstoffemissionen (CO2-, NOX und Feinstaub-Emissionen) in den Innenstädten als gesundheitsgefährdend an den Pranger gestellt.
Weder Dauer-Staus in den Innenstädten noch City-Maut und Ähnliches haben die Attraktivität des Automobils bislang schmälern können. Im Gegenteil: Die Staus nehmen weiter zu, Waren-Lieferdienste als Postersatz ebenso wie Uber und andere alternative Mobilitätsanbieter vergrößern die innerstädtischen Verkehrsprobleme. Absolute Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugkategorien, zum Beispiel ältere Dieselfahrzeuge, oder hohe drohende Strafzahlungen bei Grenzwert-Überschreitungen sind in der Diskussion. Das heißt Beschränkungen der Konsumentensouveränität durch den Staat mit dirigistischen Eingriffen.
Was ist die Lösung des Problems? Um die Jahrhundertwende war die Lösung des Pferdemistproblems die Erfindung des Automobils, das heißt Substitution des einen Verkehrsträgers durch einen völlig anderen. Aber nicht, weil der Staat die Pferdekutsche verboten hat, sondern weil das Automobil die bessere Alternative zur Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse war.
Eine Alternative zum Automobil als individuellem Transportmittel ist heute nicht in Sicht. Also bleibt als Alternative nur der Ersatz des Autos durch das Auto, sprich Ersatz des „schmutzigen" Antriebs durch einen „sauberen". Dies kann der Gesetzgeber aus Gründen des Gemeinwohls und der Volksgesundheit durch Ge- und Verbote vorschreiben, nicht aber das generelle Verbot der Nutzung bestimmter Automobile, zum Beispiel mit Dieselantrieb.
Räumt der Staat bei Verboten bestimmter Verbrennungsmotoren den Autonutzern ausreichende Reaktionszeiten ein, wird sowohl die Automobilindustrie saubere Autos anbieten, wie auch die Kunden diese freiwillig kaufen, wenn sie attraktiver sind.