Smartphones sind aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Wirklich handlich und „smart" sind die empfindlichen Geräte aber (noch) nicht. In den nächsten Jahren könnte sich das allerdings ändern.
Sie sehen schick aus, machen hochauflösende Fotos und bringen das Internet in die Hosentasche: Smartphones sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom nutzen 81 Prozent aller Deutschen zumindest hin und wieder ein internetfähiges Mobiltelefon. Allein in Deutschland machte die Branche von 2016 bis 2018 einen Umsatz von mehr als zehn Milliarden Euro. Ein Smartphone kostet im Schnitt 426 Euro.
Das Erstaunliche dabei: Ganz so praktisch, wie es die Werbung verspricht, ist die Technik aber mitnichten. Die Deutsche Telekom, die ihr Geld unter anderem mit Mobilfunkverträgen verdient, gibt das offen zu. „Das Smartphone zwingt uns heute in eine unnatürliche Haltung", erklärt Telekom-Sprecherin Verena Fulde. „Den Kopf nach vorne gebeugt, tippen wir auf ein kleines Display und müssen unser Verhalten der Technik anpassen." Ihre schonungslose Prognose: „Das Smartphone wird bald nur noch im Museum zu sehen sein." Ähnlich hatte sich in der Vergangenheit schon Telekom-Vorständin Claudia Nemat geäußert.
„Smartphone bald nur noch im Museum"
Tatsächlich beschäftigt Experten schon lange die Frage, ob Smartphones in ihrer heutigen Form in Zukunft noch existieren. Längst tüfteln die Hersteller an der übernächsten Generation, vielleicht sogar an Geräten, die komplett anders aussehen und funktionieren als heutige Handys. Eine Uhr mit Hologramm? Ein Implantat unter der Haut? Nichts scheint ausgeschlossen, wenngleich kaum ein Hersteller gerne über seine Pläne redet. Immerhin lässt sich mit der aktuellen Technik noch gutes Geld verdienen.
Eines der größten Probleme moderner Handys ist ihre Anfälligkeit. Fällt ein Gerät auf den Boden, ist der Bildschirm schnell zersprungen. Kontakt mit Wasser führt oft zum Totalverlust – angeblich nehmen vier von fünf Deutschen ihr Handy mit auf die Toilette, wo es immer wieder zu „Unfällen" kommt.
Der Materialforscher Bastian Rapp vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) will Smartphones deshalb widerstandsfähiger machen. Zum einen arbeitet er an einem hochreinen, bruchsicheren Glas, das Schutzfolien überflüssig machen könnte. Zum anderen forscht er an einem Wasserschutz, der auf dem Lotusblüten-Effekt basiert: Wasser bleibt daran nicht hängen, sondern perlt ab.
„Man kann Smartphones heute schon gut abdichten", sagt Rapp. „Trotzdem gibt es immer neuralgische Punkte, die anfällig sind. Zum Beispiel die Ladebuchse oder die Lautsprecher." Rapps wasserabweisende Oberfläche, genannt Fluoropor, würde dieses Problem lösen: Fällt ein Handy ins Wasser, bildet sich eine Luftblase und verhindert das Eindringen von Flüssigkeit. „Es funktioniert", versichert Rapp. „Jetzt müssen wir nur noch die Industrie überzeugen."
Doch genau da liegt das Problem. „Hersteller sehen Smartphones als Wegwerf-Produkt", sagt der Materialforscher. Die meisten hätten gar kein Interesse an langlebigeren Materialien – immerhin beruhe ihr Geschäft darauf, alle paar Monate ein neues Modell auf den Markt zu bringen. „Das ist ein extrem preissensibler Markt, in dem die Gewinnmargen sehr hoch sind. Wenn ich mit Herstellern spreche, soll immer alles doppelt so gut und halb so teuer sein."
Längere Haltbarkeit ist gar nicht gewünscht
Ähnlich verhält es sich mit dem bruchsicheren Glas. „Wir können dieses Material per 3D-Drucker herstellen", sagt Rapp, der diese Methode bereits 2017 in der Fachzeitschrift „Nature" vorgestellt hat. „Wenn ein Hersteller anbeißt, könnten wir in 18 bis 24 Monaten ein fertiges Produkt liefern." Am Ende läuft es aber auch bei dieser Innovation auf die Kosten hinaus: „Im Herstellungsprozess wird ein Handy durch das Glasdisplay um ein bis zwei Euro teurer", schätzt Rapp. „Die Frage ist: Ist es das den Kunden wert? Oder kaufen sie lieber alle paar Monate ein neues Gerät?"
Insgesamt ist Bastian Rapp davon überzeugt, dass sich der Markt in Zukunft komplett wandeln wird. „Ich weiß nicht, ob es das Handy, wie wir es kennen, in ein paar
Jahren noch gibt", mutmaßt der Wissenschaftler. Sollten seine eigenen Erfindungen im Mobilfunk-Sektor keine Heimat finden, könne er immer noch ausweichen: „Auch für die Autoindustrie sind unsere Entwicklungen interessant."
Doch nicht nur am Gehäuse wird geforscht. Auch unter der Haube könnte sich in den kommenden Jahren einiges verändern. Smartphones werden nicht nur leichter zu bedienen sein, sondern über eine künstliche Intelligenz verfügen – zumindest in Maßen.
Verlässliche Prognosen sind kaum möglich
Akkus: Über die Hälfte der Handy-Nutzer wünscht sich bessere Akkus. Die Chancen, dass dieser Wunsch wahr wird, stehen nicht schlecht. Das Institut für Materialwissenschaft der Uni Kiel forscht an einem Akku, der zehnmal so viel Energie aufnehmen kann wie aktuelle Graphit-Anoden. Mit allzu schnellen Ergebnissen dürfte aber nicht zu rechnen sein, denn Akkus sind immer eine heikle Angelegenheit. 2016 gingen mehrere „Samsung S7"-Handys in Flammen auf, weil ihre Akkus überhitzt waren.
Ausstattung: Schneller, schneller, schneller. Die Prozessoren der nächsten Generationen gewinnen weiter an Leistung. Dadurch werden selbst komplexe Anwendungen (Spiele, Videobearbeitungen) auf einem Mobiltelefon reibungslos laufen. Auch die Auflösung der Kameras dürfte sich weiter erhöhen.
Bedienung: Biegbare Displays gibt es schon. Doch braucht man in Zukunft überhaupt noch einen Bildschirm? Weltweit arbeiten Wissenschaftler an neuen Eingabemöglichkeiten, zum Beispiel Tastaturen, die sich als „Tattoo" auf die Haut kleben lassen. Oder Computerchips, die unter die Haut implantiert werden. Auch Hologramme könnten eine wichtige Rolle spielen. In naher Zukunft werden es aber zunächst die Sprachassistenten sein, die deutlich an Bedeutung gewinnen. Alle großen IT-Unternehmen arbeiten an der Verbesserung ihrer Produkte.
Künstliche Intelligenz: Schon heute sind teure Smartphones mit einem Chip ausgestattet, der sie „intelligent" machen soll. So können manche Huawei-Geräte bestimmte Gegenstände auf Fotos erkennen und die Bilder automatisch bearbeiten. In Zukunft dürfte sich die Leistung noch deutlich erhöhen. Laut einem Bericht des Computermagazins „Chip" werden Smartphones schon bald in der Lage sein, Sprache und Mimik ihrer Nutzer ohne Zeitverzögerung zu analysieren. Dadurch ergeben sich völlig neue Anwendungsmöglichkeiten für Assistenten.
Schnelligkeit: Bis 2020 soll die fünfte Generation des Mobilfunks („5G") in Deutschland verfügbar sein. Die Übertragungsgeschwindigkeit wird etwa zehnmal so schnell sein wie das heutige LTE – praktisch nicht nur, um Serien zu schauen oder Videos live zu streamen, sondern auch für hochkomplexe Anwendungen. So können künftige Smartphones noch besser und direkter mit Autos kommunizieren – und diese vielleicht sogar steuern.
Ginge es allein nach den Verbrauchern, stünden erst einmal deutlich bodenständigere Verbesserungen auf dem Programm: Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom wünschen sich 53 Prozent der Befragten einen besseren Akku, 27 Prozent eine schnellere Lademöglichkeit und 45 Prozent mehr Speicherkapazität. Funktionen wie Wasserdichtigkeit (acht Prozent) oder biegsame Bildschirme (drei Prozent) spielen kaum eine Rolle. Eine NFC-Funktion (zum kontaktlosen Bezahlen) wünscht sich so gut wie niemand (zwei Prozent).
Wie auch immer wir in Zukunft kommunizieren: Mit allzu genauen Prognosen sollte man vorsichtig sein. Das zeigt das Beispiel des Zukunftsforschers Sven Janszky, der bereits 2016 das Ende der Smartphone-Apps prophezeite. In „zwei, drei Jahren", sagte Janszky damals, werde es die nützlichen Programme auf dem Handy nicht mehr geben – also heute. Immerhin: Auch wenn die Prognose nicht zutraf, hat der grobe Trend trotzdem gestimmt. Schon heute gewinnen Assistenz-Systeme (Apples „Siri", Microsofts „Cortana" oder Amazons „Echo") immer mehr an Bedeutung. Und sie werden mit jedem Entwicklungszyklus professioneller. Vielleicht kommt das Ende der Apps also doch noch. Nur etwas später.