Depression ist eine schwere psychische Erkrankung, die bis hin zum Selbstmord führen kann. Es gibt neben Medikamenten andere Wege, die zur Heilung beitragen können. Ein Überblick.
Im „Deutschland-Barometer Depression" der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutsche Bahn Stiftung gaben 37 Prozent der Bundesbürger an, dass ein Arzt bei einem Angehörigen oder Bekannten schon einmal die Diagnose Depression stellte. Die Studie habe zum Teil erhebliche Wissenslücken bei den Angehörigen gezeigt, berichtet Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: „Jeder dritte Angehörige glaubt fälschlicherweise, dass Depression ein Resultat von Charakterschwäche sei, während es bei den Betroffenen 22 Prozent der Befragten sind." 85 Prozent der Angehörigen seien der Meinung, dass Antidepressiva süchtig machten – im Vergleich zu 60 Prozent der Betroffenen. „Diese Vorurteile und Wissensdefizite können dazu führen, dass Angehörige die Betroffenen nicht optimal unterstützen", sagt Hegerl. Deshalb sei es wichtig, dass sie sich gut über die Erkrankung informieren könnten.
Es gibt einige Mittel und Wege, eine Depression zu lindern oder sogar zu vermeiden, ohne gleich zu Antidepressiva greifen zu müssen. Das Problem von vielen sei es zunächst, sich die Krankheit überhaupt einzugestehen, sagt der Psychiater Martin Kaiser: „Es gibt unterschiedliche Warnsignale. Beim einen sind es Magenschmerzen, die kommen, beim anderen ist es eine dauernde Grübelneigung. Der andere merkt: Ich habe jetzt wieder mit diesen Rückenbeschwerden zu tun. Der nächste hat eine Schlaflosigkeit und sagt dann: Moment, ich geh’ zum Doktor oder ich gehe vielleicht gleich zu meinem Psychiater." Dieser Schritt falle vielen schwer. Eine Psychotherapie sei dann aber der erste Weg aus der Depression.
Ein gesunder Lebensstil hilft vorzubeugen
Bevor eine Depression beginnt, hilft ein gesunder Lebensstil dabei vorzubeugen. Eine internationale Studie von Forschern der australischen Universität in New South Wales hat nachgewiesen, dass eine Stunde Bewegung in der Woche das Risiko mindert, an einer Depression zu erkranken. Die Wissenschaftler analysierten dafür Daten von 250.000 Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Altersklassen. Der Merziger Buchautor Peter Brill, der den Weg aus der Depression geschafft hat, bestätigt: „Ich habe in schwierigen Zeiten meine Sachen geschnappt, mich umgezogen und bin eine Stunde laufen gegangen. Danach fühlt man sich viel leichter und freier", sagt er. Auch auf die Frage, woran diese Leichtigkeit liegt, haben die Wissenschaftler eine Antwort: Beim Sport sendet das Gehirn Botenstoffe aus, die für Wohlbefinden sorgen. Der Mensch aktiviert beim Laufen sein Belohnungssystem.
Apropos: Dieses System gibt es auch beim Essen. Der Klassiker sind zweifellos Süßigkeiten, die es einem oft besser gehen lassen, wenn man traurig ist. Umgekehrt kann die falsche Ernährung Depressionen begünstigen. Eine Studie aus Taiwan dokumentierte das Ernährungsverhalten von 1.609 gesunden Testpersonen, die älter als 65 Jahre sind. Als man die Menschen vier Jahre später auf erste Anzeichen einer Depression untersuchte, erkannte man einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Auftreten solcher Anzeichen. Einzige Nahrungsmittel, die einen positiven Einfluss hatten und sich als Schutzfaktor erwiesen, waren Obst und Gemüse (62 und 60 Prozent weniger Anzeichen einer Depression). Fisch oder Hülsenfrüchte hatten keinen schützenden Einfluss. Die Wissenschaftler vermuten, dass eine ausreichende Versorgung mit antioxidativen Vitalstoffen für die Wirkungen erforderlich ist. In der Studie hatte erst eine Menge von mehr als 250 Gramm Obst und 250 Gramm Gemüse einen positiven Einfluss auf die seelische Gesundheit.
Eine weitere Studie zeigt, dass auch der Darm Einfluss auf das Gehirn hat. Forscher sprechen von der Darm-Gehirn-Achse, einer Verbindung zwischen Darm und Gehirn, die in beide Richtungen arbeitet. „Der Darm beeinflusst unsere Emotionen und unser Verhalten viel stärker, als wir uns das haben je träumen lassen", sagt Peter Holzer, Professor für Experimentelle Neurogastroenterologie am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz. „Die Entstehung mancher Depressionen könnte vom Darm ausgehen", sagt Holzer. Um das zu vermeiden, gibt es einfache Möglichkeiten, sagt der Ernährungsexperte Michael Megerle. Er gründete vor 16 Jahren den Onlinehandel Topfruits, nachdem seine Frau eine schwere Erkrankung dank einer Ernährungsumstellung überstand: „Traditionell fermentierte Speisen wie sauer eingelegtes Gemüse, Kombucha-Tee, selbst gemachter Joghurt und Kefir stellen eine sinnvolle Ergänzung im täglichen Speiseplan dar", rät er. Wichtig sei zudem der regelmäßige Verzehr präbiotischer Naturstoffe wie Inulin aus Chicorree. Sollte eine Depression bereits entstanden sein, gilt in der Naturheilkunde Johanniskraut als Antidepressivum. Es hat eine beruhigende Wirkung – die hat auch eine Entspannungstherapie.
Die Entspannungspädagogin Jutta Klein rät zu einem generell stressfreien Leben. „Der Stressabbau beugt Depressionen vor, weil man durch ein Entspannungstraining loslassen und Kräfte tanken kann." Dabei würden klassische Verfahren helfen wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga. Die Krankenkasse zahle Zuschüsse dazu. „Auch während einer Therapie helfen Entspannungsverfahren in den Kliniken", sagt Jutta Klein, die selbst viele Kurse gibt. „Entspannungsmethoden sind wertvolle Präventivmaßnahmen im Alltag", sagt sie.
Autogenes Training oder Yoga können helfen
Ob es nun eine Entspannungstherapie ist oder eine Psychotherapie – entscheidend bei einer Depression ist, dass man sich Hilfe holt. Martin Kaiser: „Man muss mit der Krankheit umgehen lernen. Es muss nicht immer eine professionelle Hilfe sein, aber irgendeine Art menschlicher Hilfe braucht man." Petra Otto von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland weiß das nur zu gut: „Niemand ist alleine krank. Eine Depression betrifft auch immer die Menschen im Umfeld, Familien, Kollegen, Freunde", sagt sie. Petra Otto ist auch die Projektleiterin beim Bündnis gegen Depression im Saarland und kennt sich mit Selbsthilfegruppen aus. 730 gibt es allein im Saarland zu den unterschiedlichsten Themen. Mehr als 30 davon beschäftigen sich vorrangig mit Depressionen. „Inzwischen haben wir in jedem Landkreis im Saarland mindestens eine Selbsthilfegruppe, sodass der Austausch untereinander, sei es von Angehörigen oder Betroffenen, relativ wohnortnah erfolgen kann", sagt Petra Otto. Wichtig sei vor allem, sich nicht ins stille Kämmerlein zurückzuziehen, sondern seine Erfahrungen mit anderen zu teilen. „Selbsthilfegruppen sind Orte der Begegnung, des gegenseitigen Unterstützens und voneinander Lernens. Es gibt dort meistens Menschen, die in unterschiedlichen Phasen der Krankheitsbewältigung sind." So können Betroffene, die vielleicht gerade die Diagnose Depression bekommen haben, von solchen, die für sich einen Weg gefunden haben, mit der Krankheit umzugehen, profitieren.
Selbsthilfe auch online bei der AOK
Eine Selbsthilfegruppe allein ist aber meistens nicht ausreichend. „Sie kann eine sinnvolle Ergänzung zu einer Therapie sein, aber keine notwendige Therapie beziehungsweise Behandlung ersetzen. Bei den ersten Anzeichen einer Depression ist es deshalb ratsam, einen Arzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen." Zudem sei eine Selbsthilfegruppe immer auch ein Geben und Nehmen. Das bedeutet, dass wer dort hingeht, die Bereitschaft haben muss, sich mitzuteilen, aber auch zuhören zu wollen und zu können.
Neuerdings gibt es auch technische Hilfsmittel. Etwa den Kummer-Chatbot „Woebot". Psychologen der Universität Stanford in Kalifornien haben ihn programmiert. Der Chatbot führt eine Art Verhaltenstherapie durch. Er stellt sich dem Betroffenen vor, stellt Fragen zu Stimmung und Befinden. Der virtuelle Therapeut meldet sich täglich und fragt, wie es geht. Dann gibt er Tipps, damit der Mensch lernt, sich wieder besser zu fühlen. Etwa: drei Dinge aufzuschreiben, die gut liefen, oder seine Stärken zu benennen. Die medizinische Fachwelt warnt zwar davor, mit solch technischen Hilfsmitteln einen Psychotherapeuten zu ersetzen, inzwischen springen aber immer mehr Mediziner auf den Zug der technischen Möglichkeiten auf. Die Krankenkasse AOK stellt im Internet das von australischen Wissenschaftlern entwickelte Online-Selbsthilfeprogramm „Moodgym" zur Verfügung. Es ist anonym nutzbar und leitet einen depressiven Menschen in fünf Bausteinen durch ein Trainingsprogramm, das ihnen helfen soll, Probleme im Alltag zu lösen, Gefühle und alternative Gedanken zu entwickeln. „Weg mit dem Stress" und „Beziehungen" heißen die Bereiche, die das Programm behandelt.
Ergänzend dazu entwickelte die Freiburger Professorin Elisabeth Schramm ein weiteres Programm für Angehörige. Der „Familiencoach Depression" richtet sich mit einem ähnlichen Angebot an diejenigen, die den Erkrankten unterstützen wollen. „Es ist aber empfehlenswert, parallel zur Nutzung oder im Anschluss daran den Austausch mit anderen betroffenen Angehörigen zu suchen", sagt Elisabeth Schramm.
Auch hier helfen wieder regionale Selbsthilfegruppen. Es bleibt dabei: Den persönlichen Kontakt mit anderen Menschen kann bei einer Depression nichts ersetzen.