15 Menschen kamen ums Leben, 24 weitere wurden zum Teil schwer verletzt, als am 20. April 1999 die beiden Schüler Eric Harris und Dylan Klebold mit Maschinenpistolen die Columbine High School stürmten. Es war die bis dahin schlimmste Schulschießerei in der Geschichte der USA. Leider sollte es nicht die letzte bleiben.
Am 17. April 1999 wurde an der Columbine High School Abschlussball gefeiert. Auch der 17-Jährige Dylan Klebold war dabei, er trug einen feinen Smoking und flirtete ausgiebig mit seiner Begleiterin. Auf der After-Party gesellte sich später auch noch der ein Jahr ältere Eric Harris dazu, gemeinsam feierte man bis in die frühen Morgenstunden. Zu Hause erzählte Klebold seinen Eltern, es sei der beste Tag seines Lebens gewesen. Seine Begleiterin berichtete später, sie seien förmlich in den Abend hineingeschwebt: „Alles war weit weg. Die Schule, der Ärger mit den Mitschülern, und vor uns lag nur eines: eine strahlende Zukunft."
Drei Tage später waren Dylan Klebold und Eric Harris tot und mit ihnen zwölf Mitschüler und ein Lehrer ihrer Schule. Bewaffnet mit Maschinenpistolen sowie insgesamt fast 100 selbst hergestellten Molotowcocktails, Kohlenstoffdioxid- und Rohrbomben hatten die beiden Teenager das Schulgebäude gestürmt und das Feuer eröffnet. 24 weitere Personen wurden bei dem Amoklauf zum Teil schwer verletzt, einige sind dauerhaft gelähmt. Viele der Überlebenden leiden zudem bis heute unter posttraumatischen Störungen.
Es war die bis dahin schlimmste Schulschießerei in der Geschichte der USA und sorgte weltweit für Bestürzung. Seitdem ist „Columbine" zum Synonym für solche Taten geworden – die Generation der amerikanischen Schüler, die nach dem 20. April 1999 geboren wurden, wird als „Generation Columbine" bezeichnet. In den USA generierte die Tat ein größeres öffentliches Interesse als beispielsweise die Präsidentschaftswahlen 1992 und 1996 oder auch der Tod von Prinzessin Diana 1997.
Täter hatten Vorhaben ein Jahr lang geplant
Die intensive Berichterstattung der Medien und ihr Fokus auf die beiden Täter wurden auch vielfach kritisiert. Nachdem das „Time"-Magazin die Geschichte über Klebold und Harris auf die Titelseite gebracht hatte, kommentierte etwa Rockmusiker Marilyn Manson, der mit seiner von beiden Tätern gern gehörten düsteren Musik zum Teil mitverantwortlich für das Massaker gemacht wurde: „Es ist eine traurige Tatsache, dass Amerika Mörder auf das Cover des ‚Time‘-Magazins bringt und ihnen so viel Bekanntheit wie unseren Lieblingsfilmstars verleiht. Von Jesse James bis Charles Manson haben die Medien seit ihren Anfängen Kriminelle zu Volkshelden gemacht. Gerade haben sie zwei neue geschaffen, indem sie die Frontseite jeder Zeitung mit den Bildern von Dylan Klebold und Eric Harris zukleisterten. Es sollte niemanden überraschen, wenn jedes Kind, das herumgeschubst wird, zwei neue Idole hat." Tatsächlich haben sich spätere Täter immer wieder auf die beiden Protagonisten aus Columbine berufen. Im Internet ist um Klebold und Harris sogar ein regelrechter Fankult entstanden.
Die beiden Täter hatten ihr Vorhaben über ein Jahr lang geplant. Der Plan sah ursprünglich vor, zunächst die Schulcafeteria mithilfe zweier selbstgebauter Propangasbomben explodieren zu lassen; anschließend wollten sie möglichst viele Überlebende der Explosion bei deren Flucht aus dem Schulgebäude erschießen und schließlich mit weiteren Zeitbomben in ihren Autos auf dem Schulparkplatz die eintreffenden Polizisten, Rettungskräfte und Reporter töten. Insgesamt beabsichtigten sie so den Tod mehrerer Hundert Menschen.
Die Waffen hatten sie sich über bereits volljährige Freunde besorgen lassen, die von den Absichten der beiden jedoch ebenso wenig ahnten wie deren Eltern. „Er war launischer. Stiller, zog sich mehr zurück. Er sagte, er habe so viel für die Schule zu tun. Alles typische Dinge für Teenager, die sich von ihren Eltern abnabeln. Seine Stimme war gereizter, aber nichts ließ uns ahnen, dass er etwas Monströses plante", gab später etwa die Mutter von Dylan Klebold im Interview mit dem „Stern" zu Protokoll. Auch als ihr Sohn und Harris Anfang 1998 bei einem Diebstahl festgenommen wurden, konnte das keiner richtig deuten. Anstatt einer Haftstrafe nahmen die beiden an einem zwölfmonatigen Programm für jugendliche Ersttäter teil, das sie wegen guter Prognose vorzeitig beenden durften. Im Abschlussbericht hieß es über Harris noch: „Eric ist ein sehr intelligenter junger Mann, der wahrscheinlich Erfolg im Leben haben wird." Eine fatale Fehleinschätzung.
Zehn Opfer wurden in Bibliothek erschossen
Am Morgen des 20. April 1999 erschienen Klebold und Harris nicht zum Bowlingunterricht ihrer Schule (darauf bezieht sich der Titel des mit dem Oscar ausgezeichneten Dokumentarfilms „Bowling for Columbine" von Michael Moore), sondern besorgten sich stattdessen die Propangasflaschen für ihre Bomben. Um 11.10 Uhr erreichten sie die Schule und deponierten zwei Sporttaschen mit dem Sprengstoff in der Cafeteria. Nachdem die Bomben jedoch nicht zündeten, änderten sie ihren Plan und eröffneten das Feuer. Ihr erstes Opfer war die 17-jährige Rachel Scott. Panisch flüchteten die Schüler aus dem Gebäude, suchten Schutz unter Tischen und Stühlen oder verschanzten sich in den Klassenräumen. Der Lehrer Dave Sanders versuchte die Schüler zu warnen und sie in Sicherheit zu bringen, dabei wurde er angeschossen und verblutete, bevor Rettungskräfte ihn in ein Krankenhaus bringen konnten. Die meisten Opfer, insgesamt zehn, wurden in der Bibliothek ermordet. Vielen von ihnen schossen die Täter direkt ins Gesicht. Dabei verhöhnten und schikanierten sie ihre Opfer lachend und laut grölend. Einem Mädchen rief Harris noch „Kuckuck!" entgegen, bevor er abdrückte. Um kurz nach 12 Uhr – die Polizei hatte das Gebäude bereits umstellt – richteten die Täter die Waffen gegen sich selbst und begingen Selbstmord. Sie hätten noch genug Munition gehabt, um auch noch die anderen Schüler in der Bibliothek zu erschießen. Autor Dave Cullen, der ein Buch über die Ereignisse in Columbine geschrieben hat, glaubt daher, dass Eric Harris zu diesem Zeitpunkt das Interesse am Töten verloren habe und Dylan Klebold bereits alles gleichgültig gewesen sei.
Bei beiden Tätern wurden nachträglich schwere psychische Störungen diagnostiziert. Das FBI erklärte, Harris sei ein homizidaler Psychopath gewesen, Klebold hingegen depressiv und suizidal. Der leitende Ermittler Dwayne Fuselier sagte: „Eric ging zur Schule, um Menschen zu töten, und es war ihm egal, ob er sterben würde, während Dylan sterben wollte und es ihm egal war, ob andere ebenfalls sterben würden" – eine Darstellung, die später allerdings als vereinfacht kritisiert wurde.
Die Motive für den Amoklauf konnten jedenfalls nie abschließend geklärt werden. Am wahrscheinlichsten ist aber wohl eine Mischung aus Rache und Ruhm. Auch wenn beide keine Einzelgänger waren, wurden sie in der Schule doch regelmäßig gemobbt. Viele Schüler der Highschool berichteten nach dem Amoklauf, dass Mobbing an ihrer Schule zum Alltag gehörte, aber von der Schulleitung und Lehrerschaft weitgehend ignoriert wurde. Ein gemeinsamer Freund beider Täter meinte dazu später, Eric und Dylan seien zwar für diese Tragödie verantwortlich, „aber Columbine ist verantwortlich für Eric und Dylan". Im Nachgang wurde außerdem diskutiert, inwieweit gewaltsame Computerspiele, wie sie von den beiden gern gespielt wurden, solche Rachefantasien beförderten.
Tagebücher voll mit verstörenden Notizen
Die von den Tätern hinterlassenen Tagebuch- und Videoaufzeichnungen lassen aber darauf schließen, dass es ihnen zu einem großen Teil vor allem darum ging, berühmt zu werden. In einer Episode der sogenannten „Kellervideos" diskutierten sie darüber, welcher große Hollywood-Regisseur ihre Geschichte verfilmen solle –
Steven Spielberg oder doch lieber Quentin Tarantino. Am Tag der Tat trugen sie selbstdesignte T-Shirts. Der FBI-Agent Mark Holstlow sagte: „Sie wollten sich unsterblich machen. Sie wollten berühmt sein. Und das sind sie. Sie sind berüchtigt."
Auch der deutsche Wissenschaftler und Autor André Grzeszyk kam später zu dem Schluss, dass sie im Bewusstsein dessen, was passieren würde, durch ihre Aufzeichnungen quasi schon vor ihrem Tod ihr Erbe verwalteten – „das eigene Bild, wie sie es später medial rekonstruiert sehen wollten. Dass ihre Tagebücher von der Polizei veröffentlicht wurden, tat ein Übriges, um sie weltweit bekannt zu machen."
In einem der letzten Einträge in Klebolds Tagebuch ist der geplante Tathergang noch einmal minutiös skizziert. Ganz am Ende heißt es: „Wenn die ersten Bomben hochgehen, greife an. Viel Spaß dabei!" •