Das Ende des goldenen Jahrzehnts in Deutschland
O dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!" So wie Friedrich Schiller im Lied von der Glocke dürfte mancher Zeitgenosse die Fortsetzung des Booms der vergangenen Jahre herbeisehnen. Doch wohl vergeblich, denn Deutschlands goldenes Jahrzehnt neigt sich dem Ende zu.
Still und unmerklich erlebte die Bundesrepublik seit 2009 den längsten Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit, die Arbeitslosigkeit halbierte sich auf unter zwei Millionen, die Beschäftigung stieg von 39 Millionen auf einen bis dahin nie gekannten Höchststand von mehr als 45 Millionen.
Dabei war der Start in die 2010er-Jahre keinesfalls berauschend. Am Anfang galt Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas sogar durchaus als Problemkind. Denn am Anfang war das Chaos, das Chaos der globalen Finanzkrise, die Deutschland stärker als andere Länder Europas an den Abgrund brachte. Die hohe Abhängigkeit vom Export der deutschen Wirtschaft, vor allem ihrer Schlüsselindustrien Maschinenbau und Autoindustrie, schlug jetzt voll negativ zu Buche.
Doch dank des beherzten Eingreifens von Angela Merkel und Peer Steinbrück ging die Krise schnell vorbei, ab 2010 wuchs die Wirtschaft wieder stark – meist mit Zuwachsraten von mehr als zwei Prozent. Eine beachtliche Rate für eine reife Volkswirtschaft mit schrumpfender Bevölkerung – zumindest in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre. Insbesondere, da viele südeuropäische Volkswirtschaften wie Griechenland, Spanien, Portugal und zuletzt Italien ohne Umweg aus der meist hausgemachten Banken- und Finanzkrise in die Staatsverschuldungskrise abrutschten und damit zu Problemkindern der Eurozone wurden.
Die deutsche Wirtschaft jedoch wuchs wacker weiter, gestützt auf den Export und einen unvorhergesehenen Konsum- und Bauboom, den die Welle von über einer Millionen Migranten quasi über Nacht ins Land spülte. Der Aufschwung wurde dadurch erst richtig angeheizt und nicht etwa gebremst, wie wir heute wissen. Die Wirtschaft brummte, die Steuereinnahmen flossen reichlich, Schuldenberge und Immobilienblasen waren für den deutschen Finanzminister Fremdworte, die schwarze Null war die gängigste Finanzvokabel. Hinzu kam die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank, die den Euro schwach und die deutsche Exportwirtschaft stark machte, stärker jedenfalls als die anderen europäischen Volkswirtschaften mit geringerem Exportanteil.
Aber hinterher ist man bekanntlich ja immer schlauer. Lange konnte dieser paradiesische Zustand nicht anhalten. Die Autoindustrie demontierte sich durch die Dieselschummelei selbst oder wurde durch die dadurch angestoßene Umwelt- und Abgasdiskussion in den Innenstädten von der Deutschen Umwelthilfe und den von ihr bewirkten Fahrverboten gebeutelt. Die aufkommende Diskussion um Elektroautos tat ein Übriges, um den Markt zu verunsichern. Der Maschinenbau und andere Branchen gerieten in den Sog der amerikanischen Handels- und Sanktionspolitik sowie der schwächeren Konjunktur in China, Russland und Brasilien.
Und wie immer, wenn es in den vergangenen 50 Jahren in der Wirtschaft zum Boom kam, begann die Diskussion über die gerechte Verteilung der Früchte – meist mit traurigem Rezessionsende. Seit 2018 schwächt sich das Wachstum deutlich auf nur noch 1,5 Prozent ab, 2019 kommt es bestenfalls zur Stagnation, wenn nicht gar zu einer Mini-Rezession. Anders als früher kann aber zum Trost gesagt werden, dass diesmal die Konstitution der Wirtschaft stabil und gesund ist, da Fehlentwicklungen im Innern ausgeblieben sind. Zudem hat sich gezeigt, dass – Trump hin, Brexit her – mutige Reformen und harte Arbeit sowie Ansprüche an das Sozialprodukt mit Augenmaß der beste Garant für eine gute Wirtschaftsentwicklung sind.