„Wir wollen uns ja alle beim Wohnungsbau engagieren, aber es geht nicht“, sagt Ulf Heitmann aus dem Vorstand der Berliner Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe. Er beklagt den Umgang des Senats mit den Genossenschaften und erklärt, wie die Hauptstadt von München lernen könnte.
Herr Heitmann, Berlin wächst und braucht neuen Wohnraum, und Sie sind ja als Genossenschaft ein „wichtiger Partner“ des Bausenats. Welche
Erfahrungen haben Sie gemacht?
Es gibt eine Halbzeitbilanz des Senats, was alles erreicht wurde: Alles nur Instrumentarien, mit denen man reguliert und verbietet. Das ist ein Grundproblem der jetzigen Koalition. Es geht nicht darum, was möglich ist, sondern was nicht geht. Wer mit Ideen kommt, was man bauen könnte, bekommt erst mal gesagt, warum das nicht geht.
Aber haben in Sachen Förderung nicht alle mitgeredet?
Vor der Neuauflage der Wohnungsbauförderung gab es alle möglichen Diskussionsforen, den Genossenschaftsdia-log, Beteiligungen in allen möglichen Konstellationen; alle wurden um ihre Meinung gefragt. Wir haben alle unsere Meinung gesagt, uns abgestimmt. Und dann passierte nichts. Ein halbes Jahr keine Antwort. Und jetzt? Ist es genauso wie vorher. Nichts von unseren Anmerkungen ist berücksichtigt worden.
Was hätten Sie denn gewollt?
Zum Beispiel, dass die Quadratmeterzahl für die Größe von Sozialwohnungen flexibler gestaltet wird. Oder dass die Förderung angepasst wird. Wenn ich bei Sozialwohnungen 6,50 Euro pro Quadratmeter ansetze, kann man damit die in den vergangenen Jahren um gut ein Viertel gestiegenen Baukosten nicht mehr abfangen. Die Bauförderung, die wir dafür bekommen, stammt von 2013 – sie ist nicht auskömmlich.
Aber wer neu baut, muss doch immer auch 30 Prozent geförderten Wohnraum mit einplanen. Wenn das so schwierig ist, wie machen das denn die Privaten?
Häufig so, dass sie den geförderten Teil nach Fertigstellung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft verkaufen. Oder sie nehmen eben höhere Mieten: Die einen zahlen also 6,50 Euro, andere das Doppelte oder mehr. Bei Genossenschaften geht es aber auch um Gleichbehandlung, um gleiche Rechte und Pflichten. Da kann ich in einem und demselben Objekt keine solchen Unterschiede verantworten.
„Die Bauförderung stammt von 2013“
Wieso brauchen Genossenschaften überhaupt eine besondere Förderung?
Genossenschaften sind eine spezielle Gesellschaftsform. Allen gehört alles, aber keinem Einzelnen etwas konkret. Man zahlt den Genossenschaftsanteil und dann das Nutzungsentgelt, also die Miete. Hat Mitbestimmungsrecht und einen Anspruch auf angemessene wohnliche Versorgung zu einem Preis, der keinen privatisierbaren Gewinn erzielt. Wir haben teils niedrigere Mieten als den Mietspiegel-Mittelwert, weil wir damit wirtschaftlich auskommen. Die Folge ist: Wir haben wenig Eigenkapital, weil wir ja nicht auf Gewinn aus sind. Das ist ein struktureller Nachteil, deswegen brauchen wir eben eine besondere Förderung.
Aber gibt es in Berlin nicht spezielle Grundstücke nur für Genossenschaften?
Inzwischen gibt es 28 solcher Grundstücke, die werden von den Ämtern mit den Bezirken ausgewählt nach ganz bestimmten Vorgaben. Aber teils handelt es sich um Innenhöfe, um die herum schon andere Genossenschaftsbauten stehen. Das wäre eigentlich ein klarer Fall von Direktvergabe. Oder Grundstücke, die die Städtischen ablehnen, weil sie zu klein sind, zu problematisch in der Bebauung, dahinter ein Sechzehnstöcker, der alles verdunkelt. Lange gab es so etwas gar nicht, wir waren sehr gespannt. Die spontane Reaktion bei allen Genossenschaften war dann aber: Rudis Resterampe! Keiner will’s, also kriegen wir es.
Na gut, aber wenn die Baubedingungen stimmen …
Schön wär’s. Dazu kommt nämlich: Diese Grundstücke werden nur in Erbpacht vergeben, fallen also irgendwann ans Land zurück. Und die Verträge sind auch nicht ohne. Man bewirbt sich mit einem ausführlichen Konzept. Aber selbst was die Nutzung der Freifläche angeht, will das Land Berlin mitsprechen. Sie muss den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und – Zitat – „schön sein“.
Bitte?!
Ja, das steht da drin, sie muss schön sein. Sonst wird das auf Kosten des Erbpachtnehmers gemacht.
Wofür habe ich dann das Konzept?
Ich weiß nicht, was diese Regularien sollen. Selbstbeschäftigung für Hunderte Leute? Denn es geht teils um tausend Seiten Konzept. Und dann kann es passieren, dass eine Genossenschaft nach vier Jahren immer noch nicht Eigentümerin beziehungsweise Erbbaurechtsnehmerin ist. Über das Vertragswerk können Sie nicht verhandeln. Das ist insgesamt so dermaßen unattraktiv, dass sich weder große alte Genossenschaften noch jüngere mit Erfahrung darum bewerben. Eher Starter, die endlich ein eigenes Projekt wollen.
Wie ist die Reaktion auf solche Vorwürfe von Senatsseite?
Klar kommt da: Jetzt haben wir denen schon was angeboten, und dann wollen sie es nicht! Nur die Neuen, und die haben dann Probleme. Das ist auch Spielen mit der Not von denen, die sonst keine Chance haben. Was wir auch oft genug zu hören bekommen, ist der Satz: „Ihr seid ja nur privat.“
„Ein Spielen mit der Not von denen, die sonst keine Chance haben“
Wie, nur privat?
Ich weiß es auch nicht. Natürlich sind Genossenschaften nicht staatlich, sondern eine andere Gemeinwohl-Form. Durch den Genossenschaftsanteil, den jeder beim Eintritt zahlt, sind die Mitglieder ja Mitbesitzer, quasi zugleich Mieter und Vermieter. Hinter diesem „nur privat“ steckt wohl eine Art stalinistisches Weltbild: Der Staat, der definiert das Allgemeinwohl. Alle anderen müssen danach spuren. Wer andere oder eigene Interessen hat, ist also ein Abweichler. Das ist absolut diskriminierend.
Aber gibt es nicht einen eigenen Topf für Genossenschaftsförderung?
Doch. Die Grünen haben durchgesetzt, dass im Haushaltsjahr 2018/2019 20 Millionen für Genossenschaftsförderung eingeplant sind. Die sind alle noch im Topf! Demnächst bekommt wohl eine Genossenschaft für ein Bauprojekt in Schöneberg 900.000 – dann sind immer noch 19 Millionen drin. Der neue Haushalt für die nächsten zwei Jahre wird jetzt beschlossen. Da wird jeder fragen: Sag mal, wieso sind denn die Mittel nicht verbraucht?
Wofür war das Geld denn gedacht?
Für Bestandserwerb, Neubau, Förderung der Genossenschaftsanteile für Einkommensschwache … Aber wenn ich keine Projekte machen kann, kann niemand etwas davon bekommen.
Wenn die angebotenen Grundstücke nicht gehen, gibt es denn nicht auch andere?
Wenn man tatsächlich mal ein Grundstück findet, braucht man einen Bebauungsplan als Voraussetzung zum Loslegen. Bis der steht, dauert es im Schnitt acht Jahre. Mal abgesehen von der Zeit: Dann sind die Grundstückspreise garantiert so, dass wir sie uns nicht mehr leisten können.
Aber es heißt doch immer, in Berlin müsste rasch gebaut werden!
Genau, gerade jetzt müssten Bebauungspläne doch rasch erstellt werden! Aber das ist berlinweit so: Da geht es um die etwas überhitzte Enteignungsdebatte, um Vorkaufsrechte. Aber die eigentlichen Instrumente der Stadtplanung bleiben links liegen, um mit Milieuschutz die Welt zu retten.
Freier Markt ist also schwierig. Gibt es denn überhaupt noch städtische Grundstücke?
Berlin verfügt tatsächlich nicht über viel Grund, und den kriegen dann die städtischen Wohnungsbauunternehmen. Das ist ja auch okay, aber es gäbe schon Wege. München zum Beispiel, wo die Lage ähnlich ist, schafft sogenannte Entwicklungsgebiete. Ein Drittel davon geht dort an Genossenschaften, und der Preis für den Baugrund geht nach dem Mietpreis, den man erlösen will, wird also von hinten rein gerechnet und festgelegt. Das ist dann auch für Genossenschaften bezahlbar.
Und hier?
Hier haben Sie die erwähnten Konzeptverfahren, das sind verkappte Höchstpreisverfahren! Schlussendlich entscheidend sind die 15 Prozent am Konzept, die der Preis ausmacht. Im Gegensatz zu allen anderen Städten macht Berlin das nach EU-Recht, und es gibt keinen Festpreis. Da fragt man sich schon: Sind München oder Hamburg nicht in der EU? In den vergangenen 30, 40 Jahren gab es immer einen Weg, etwas umzusetzen. Momentan ist alles zugesperrt.
Besteht denn Hoffnung auf Änderung?
Das Problem ist: In 20 Jahren herrschen vielleicht wieder ganz andere Verhältnisse. Jetzt will man die ehemaligen Wohnungsbestände gerne zurück und schafft damit vielleicht ein Instrument, das andere dann missbrauchen können. Das stabile Moment im Dialog zwischen Stadt und Genossenschaften sind die Genossenschaften, die sind seit 130 Jahren in Berlin tätig. Ruhige Bestandshalter, transparent, quasi keine Insolvenzen. Das spricht doch für eine Unterstützung, wenn man eine stabile soziale Politik möchte.
Es fehlen also die Entscheidungen vonseiten der Politik?
Ja, und das bringt den Frust in die Köpfe. Unter den Genossenschaften herrscht gerade eine Stimmung, die ist total im Keller. Es gab noch nie so schlimme Zeiten für uns wie jetzt. Wir reden alle miteinander, aber keiner kapiert, warum die Entscheidungsprozesse so komisch laufen. Die Genossenschaften wollen sich ja engagieren, aber es passiert nichts.