Rettungsanker und Kompass im großen Getöse um die Mietpreise ist eine Statistik – der Mietspiegel. Sein Problem: Er ist angreifbar. Wirkkraft kann er nur erzielen, wenn alle damit einverstanden sind.
Zufriedene Mieter, die bei ebenso zufriedenen Vermietern wohnen: Natürlich gibt es das. Und angesichts all der hitzigen Diskussionen rund ums Mieten und Wohnen fällt kaum noch ins Gewicht, dass dieser Idealzustand viel häufiger vorkommt, als jemals angesprochen wird. Was hingegen durch den Blätter- und Medienwald rauscht, sind die Extreme: Menschen, die Existenzängste haben, weil sie ihre Miete nicht mehr aufbringen können. Und fiese Miethaie, die kaltschnäuzig aus der Not Profit schlagen und ebenjenen Geplagten den letzten Groschen aus der Tasche ziehen. Oder die, die luxusmodernisieren und dann Mondpreise von Reichen verlangen, denen das nicht wehtut, die so aber die Preisspirale insgesamt nach oben treiben.
An dieser Stelle – zum Schutz der Ärmeren und um die Preisspirale zu bremsen – sollen dann staatliche Hebel greifen: Mietpreisbremse, Kappungsgrenze, Milieuschutz, vielleicht auch ein Mietendeckel oder gar Enteignung. Vieles wird angedacht oder ausprobiert, nachgebessert, neu eingeführt oder wieder verworfen. Dabei gerät manchmal ein vergleichsweise altes Instrument in Sachen Mietenregulierung fast in Vergessenheit: Der Mietspiegel zeigt die je nach Ausstattung, Lage, Baujahr und mehr geltenden ortsüblichen Vergleichsmieten. Und legt somit den Grund für Ansprüche beider beteiligter Seiten: Die Mieter können auf ihr Recht pochen, wenn sie zu viel zahlen; und die Vermieter wissen um den Spielraum für Mieterhöhungen.
Eine Statistik als Friedensinstrument
So weit, so schön – wenn es nicht immer wieder Streit darum gäbe, ob denn der jeweils ausgearbeitete Mietspiegel wirklich bindend ist. Nach wie vor hat er keine Gesetzeskraft. Wer gehofft hatte, Ex-Bundesjustizministerin Barley (SPD) würde das kurz vor ihrem Abschied Richtung Brüssel noch angehen, wurde enttäuscht. Zu Recht, wie Stadtforscherin Ricarda Pätzold (siehe auch Interview ab Seite 24) sagt: Es gibt kommunale Unterschiede in der Erstellung von Mietspiegeln, oft historisch gewachsene – das von oben herab zu nivellieren sei keine Option. Denn oft werde an einem Ort allgemein anerkannt, was woanders undenkbar sei.
Viel an der Nutzbarkeit des Mietspiegels als „Friedensinstrument“ zwischen Mietern und Vermietern hat also mit Anerkennung des Statistikwerks von allen Seiten zu tun. Dass auch die Juristen immer wieder schwanken, wenn dieser Streit wirklich mal vor Gericht landet, zeigt die unendliche Mietspiegel-Geschichte des Wohnungsunternehmens Deutschen Wohnen in Berlin. Die Deutsche Wohnen zieht gerne mal eigene Vergleichswohnungen mit heran als die niedrigeren Mietspiegel-Werte. Die Erfolgschancen von Klagen gegen das Unternehmen stehen fifty-fifty – mal heißt die aufgeregte Schlagzeile tags darauf „Klatsche für Mieterverbände!“, mal „Klatsche für die Deutsche Wohnen!“.
Das Vertrauen von potenziellen Mietern und das Ansehen in der Öffentlichkeit erhöht es bestimmt nicht, wenn ein Unternehmen immer wieder wegen Streitigkeiten auffällt. Denn auch wenn es sich in den Medien oft anders anhört: Auch den meisten Vermietern liegt daran, möglichst reibungsfrei und gut mit ihren Geschäftspartnern auszukommen.