16 Sitze auf 42 Quadratmetern – in Lögow gibt es seit Anfang des Jahres Brandenburgs kleinstes professionelles Kino in der alten Dorfschule. Auf dem Programm stehen Hollywood-Filme, Dokumentationen und Arthouse.
Eigentlich wollte Andreas Hahm-Gerling nur, dass seine Kinder ihn häufiger besuchen. Aber im 255-Seelen-Dorf Lögow zwischen Neuruppin und Wusterhausen/Dosse gab es eigentlich nichts, das für junge Leute interessant sein könnte. Ein Kino müsste her, dachte sich Hahm-Gerling, der ursprünglich mal Filmdesign studiert, seine Abschlussarbeit über Stummfilme geschrieben hatte. Kurzerhand beschloss der 55-Jährige, in seinem Haus ein kleines Kino selbst zu bauen. Drei Monate dauerte das, knapp 50.000 Euro kostete ihn das Projekt, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Heute betreibt Hahm-Gerling in Lögow das kleinste professionelle Kino Brandenburgs – mit moderner Technik. 4K-UHD-Beamer, 3D-Sound über 13 Kanäle und drei JBL-Profisubwoofer sorgen für eindrucksvollen Klang. Hahm-Gerling hatte Glück, dass das Kino in Berlin-Adlershof gerade seine Soundanlage ausrangierte, die er dadurch relativ günstig gebraucht erwerben konnte. „Sie war zwar schon zehn, 15 Jahre alt, aber für den kleinen Raum trotzdem noch sehr mächtig. Wie eine Bestie, die man erst zähmen muss. „Anfangs wurden wir beinahe vom Sound überrollt", sagt er. Es schepperte und dröhnte, sodass Hahm-Gerling die Wände mit Absorptionsmaterial ausstaffieren musste und einen speziellen Akustikvorhang anschaffte, um ein optimales Klangerlebnis zu erzielen.
Die Sessel kamen aus verschiedenen Berliner Kinos – ein bunter Stilmix aus vier Jahrzehnten: von den 40ern bis in die 80er. Vor allem bequem sollten sie sein, sagt Hahm-Gerling, so wie in den guten alten Kinozeiten. An die erinnern auch die kleinen Beistelltische, auf die der Kinochef vor jeder Vorstellung liebevoll Kerzen und Salzstangen verteilt. Auch an Details hat er gedacht: So liegen auf jedem Tisch kleine Taschenlampen parat, für den Gang zur Toilette oder falls einmal etwas unter die Sitze fällt.
3D-Sound: Anlage gebraucht gekauft
Anfang des Jahres startete das Dorfkino Lögow in seine erste Spielzeit. Seitdem lädt Andreas Hahm-Gerling jeden Donnerstag um 20 Uhr zur Vorführung – die Bandbreite reicht dabei vom Dokumentarfilm bis zum Hollywood-Streifen. Hahm-Gerling hatte auch schon einmal den Freitag als Spieltag ausprobiert, doch der funktionierte überhaupt nicht. „Das ist bei uns in der Region der Tag für die Freiwillige Feuerwehr", erklärt er, „dagegen ist nicht anzukommen." An den Donnerstagen dagegen wird das Angebot sehr gut angenommen. Die Zahl der Besucher steigt – Einheimische aus der Region kommen ebenso wie Ferienhausbesitzer aus Berlin oder ganze Schulklassen. Im Schnitt kann Hahm-Gerling zehn Besucher begrüßen, besonders populäre Filme sind regelmäßig ausverkauft. Einmal drängelten sich sogar 26 Besucher in den kleinen Saal, das entspricht einer Auslastung von fast 150 Prozent. Eine Chorgruppe hatte sich eingemietet, um gemeinsam den Film des eigenen Auftritts anzuschauen. „Mit ein paar extra Klappstühlen hat das auch irgendwie gepasst", sagt Hahm-Gerling.
Doch was bringt die Menschen dazu, in Zeiten von Netflix und anderen Streaming-Diensten ein Kino zu besuchen, dessen Leinwand nur wenig größer ist als der heimische Plasmafernseher? „Es ist das Gemeinschaftsgefühl", glaubt Andreas Hahm-Gerling, Einträge im Gästebuch scheinen das zu bestätigen. Wie heißt es da? Es sei heimelig im Dorfkino, man werde hier nicht wie im großen Kino „verschluckt". Und könne zwanglos mit anderen Besuchern nach der Vorstellung bei einem Wein ins Gespräch kommen.
In Lögow steht das Kino direkt neben der Kirche. Das Gebäude selbst stammt aus dem Jahr 1860, die Älteren im Ort kennen es noch als ehemalige Dorfschule. In dem Raum, in dem sich jetzt das Kino befindet, war einst der Klassenraum für die Schüler der ersten Jahrgangsstufe untergebracht, später fand dort der Werkunterricht statt. Noch bis kurz nach der Wende wurde das Haus für Unterrichtszwecke genutzt, dann verfiel es. Das Dach wurde nicht mehr instandgehalten, es regnete hinein, die Balken wurden morsch. 2007 kaufte Andreas Hahm-Gerling das Gebäude und sanierte es. Er wohnt heute in den Räumen hinter dem Kino. Der Gang zur Toilette führt für die Gäste unweigerlich durch das Wohnzimmer des Kinochefs.
Familiär geht es hier zu – und logisch, dass Hahm-Gerling auch individuelle Besucherwünsche zu erfüllen versucht. Für die örtliche Seniorengruppe organisiert er flugs zwei Hocker aus seinen Privatzimmern, damit die Damen in der ersten Reihe gemütlich die Beine hochlegen können. Direkt neben dem Kinosaal befindet sich eine kleine Bar, ebenfalls selbst gebaut, deren Weinauswahl jedes Multiplexkino in den Schatten stellt. Schließlich ist Andreas Hahm-Gerling der Meinung, dass zu einem guten Film auch ein guter Wein gehört. Der absolute Hit sei jedoch die historische Popcornmaschine. Die braucht zwar etwas länger als moderne Varianten, aber – so die Gästemeinung – das Popcorn schmecke besser.
Das Publikum in Lögow steht vor allem auf Komödien
Als kleines Dorfkino hätte das Lögower Lichtspielhaus eigentlich keinen Zugang zu den großen Verleihfirmen beziehungsweise könnte es sich gar nicht leisten, solche Filme zu zeigen. Deshalb bezieht Hahm-Gerling seine Filme über das Projekt „Dorfkino einfach machbar" des Filmklubs Güstrow aus Mecklenburg-Vorpommern. Verschiedene Kulturorte sind hier zusammengefasst, teilen sich die Verleihkosten, so können Filme auch in kleinen Spielstätten mit geringen Zuschauerzahlen gezeigt werden. Ein weiterer Vorteil: Die Teilnehmer zahlen selbst keine Mindestgarantie an den Filmverleih – es gibt also kein finanzielles Risiko durch die Filmbestellung, sollten nur wenige Besucher auftauchen. Auf diese Weise hat Andreas Hahm-Gerling Filme von nahezu allen großen Verleihern im Programm darunter Warner Bros., 20th Century Fox, Sony, Universal Pictures oder Constantin Film.
Beliebt sind in Lögow vor allem Komödien, zuletzt etwa die beiden Teile des französischen Films „Monsieur Claude und seine Töchter", ausverkauft war das Haus da beide Male. „Die Kinobesucher können selbstverständlich Wünsche äußern, was sie gern sehen würden, aber die meisten vertrauen einfach darauf, was ich aussuche", sagt Hahm-Gerling. Er selbst hat ein Faible für Neo-Western oder Filme aus Ländern, die hierzulande im Mainstream-Kino nur allzu selten auftauchen. Wie Aserbaidschan etwa – dort spielt auch der Film, dessen Erfolg Andreas Hahm-Gerling bislang am meisten überrascht hat. Nie hätte er damit gerechnet, dass das Dorfkino ausgerechnet beim Streifen „Vom Lokführer, der die Liebe suchte" – ein Film gänzlich ohne Dialoge – ausverkauft sein könnte. Doch genau so kam es. Arthouse-Kino funktioniert eben nicht nur in Berlin, sondern auch in der brandenburgischen Provinz.