Ute Lemper tourt gerade durch Deutschland. Mit ihrer Show „Rendezvous with Marlene" begeistert sie Kritiker und Publikum. Der Liebling der Massen war die 56-Jährige aber zumindest hierzulande nicht immer.
Als junge Künstlerin spielte sie im Pariser Mogador-Theater die Sally Bowles im Musical „Cabaret". Das war 1987. Es war ihr Durchbruch, und sogleich galt Ute Lemper als die „neue Marlene Dietrich". Sie erhielt den französischen Theaterpreis „Molière" und wurde, gerade 23-jährig, als „Star des Jahres" gefeiert. Die französischen Medien waren begeistert und handelten sie als Nachfolgerin der legendären Dietrich.
Da passt es gut, dass Lemper jetzt als Frau jenseits der 50 ein Programm zu Ehren der Hollywoodikone auf die Bühne bringt. Ein sehr persönliches zudem, denn in ihrem neuen Bühnenprogramm „Rendezvous with Marlene" thematisiert Lemper ein dreistündiges Telefongespräch, dass sie 1989 in Paris mit der großen deutschen Diva geführt hat. Die damals 87-jährige Dietrich lebte völlig zurückgezogen in ihrem Appartement in der Avenue Montaigne, ihr einziger Kontakt zur Außenwelt war das Telefon. Grund für Dietrichs Anruf sei ein Brief gewesen, erzählt Lemper von der Bühne herab, in dem sie, die junge Deutsche, sich bei ihrem Vorbild dafür entschuldigt habe, mit einer Unvergleichbaren wie ihr verglichen worden zu sein. Und so übernimmt Lemper auf der Bühne mal den Part der Dietrich, dann wieder spielt sie sich selbst, lässt so die Zuschauer das Telefonat nacherleben.
Die Flucht ins Ausland
Ute Lemper und Marlene Dietrich – beide verbindet nicht nur eine gewisse körperliche Ähnlichkeit, auch ihre Biografien weisen Parallelen auf. Denn sie haben es – wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen – nicht immer leicht gehabt in und mit ihrem Heimatland. So erzählt Ute Lemper: „Ich hab’ bezüglich meines Heimatlands mit vielen Konflikten gelebt, also es war fast so, dass ich im Ausland immer mehr geliebt wurde als in Deutschland." Und darüber, wie sie hierzulande im Laufe der Jahre wahrgenommen wurde, sagt sie: „Am Anfang war es eine Achterbahnfahrt, Ende der 90er hat sich das eingepegelt und jetzt ist es nur wunderbar."
Lange konnte die Kritik in Deutschland mit Lemper nichts anfangen. Nach ihrer Darstellung der Lola in einer Berliner Inszenierung von „Der Blaue Engel" im Jahr 1992 wurde sie vom Feuilleton zerrissen. Besonders schonungslos ging damals C. Bernd Sucher, der legendäre Theaterkritiker der „Süddeutschen Zeitung", mit ihr um. Er bezeichnete Lemper damals als Kunstprodukt, als eine Barbie-Puppe ohne Zauber und Persönlichkeit. Jahre später, 2016, traf Lemper in einem von der „Zeit" arrangierten Streitgespräch mit Sucher zusammen und warf ihm vor: „Wäre ich nur eine deutsche Künstlerin gewesen, ohne Standbein in Paris, ohne Angebote aus New York – das alles hätte mich vernichtet!"
So aber blieb Ute Lemper die Flucht ins Ausland. Und wie bei Marlene Dietrich begann damit ihre Erfolgsgeschichte. In London überzeugte sie mit einem preisgekrönten Gastspiel als Velma Kelly im Musical „Chicago" und war da so erfolgreich, dass man sie in dieser Rolle auch am New Yorker Broadway sehen wollte. Die „New York Times" bezeichnete sie damals als „den heißesten deutschen Import seit dem Volkswagen".
Zwischen der amerikanischen Metropole und Lemper entwickelte sich eine Zuneigung, ja geradezu eine Liebe. Die Künstlerin zog nach dem Engagement am Broadway dauerhaft nach New York – und lebt dort bis heute in einem Appartement an der Upper West Side. Zusammen mit ihren vier Kindern und ihrem zweiten Ehemann Todd Turkisher, der ebenfalls Musiker ist und zeitweise als Schlagzeuger in Lempers Begleitband spielt.
Mutter und Femme fatale
„Die Kinder sind mein Zentrum, mein Rückgrat, die meine Egozentrik, die ich als Künstlerin natürlich habe, zurechtrücken." Mit diesem Satz lässt sich Ute Lemper im Programmheft des Usedomer Musik Festivals zitieren. Gerade ist sie hier im Seebad Heringsdorf aufgetreten. Und spricht, am Rande ihres Gastspiels an der Ostsee befragt, auch über Parallelen und Unterschiede zwischen Marlene Dietrich und ihr. Kommt dabei auch auf ihre Rolle als Familienmensch und Mutter zu sprechen.
„Ich bin auf jeden Fall eine völlig andere Mutter, ich habe ja vier Kinder. Marlene hingegen ist schon ein selbstsüchtiger Mensch gewesen", sagte Lemper. Sie sei da ganz anders, wesentlich verantwortungsbewusster, kümmere und sorge sich viel mehr um die anderen als um sich selbst.
Auf der Bühne wiederum nähert sich Lemper dem Bild, das man von Marlene Dietrich hat und dass diese zeitlebens kultivierte. Es ist die Rolle der Femme fatale mit Killerblick, roten Lippen und geschlitztem Rock, die man auch Ute Lemper problemlos abnimmt. Umso größer ist der Kontrast, wenn man die Sängerin nach ihrem Auftritt trifft, wenn sie ganz unprätentiös in Jeans und Pullover vor einem steht, fast ein wenig zerbrechlich wirkt. Während Dietrich ihr ganzes Leben als eine Rolle verstanden hat, die die großen Auftritte liebte und selbst Liebe und Affären als großes Theater inszenierte, bleibt die Femme fatale bei Lempert auf der Bühne zurück. Schon vor einigen Jahren gestand die Sängerin in einem Gespräch mit der dpa anlässlich ihres 50. Geburtstags: „Die Femme fatale, die exotische Dame der Nacht, bin ich nur auf der Bühne. Das ist mir sonst zu anstrengend, zu destruktiv. Im Privatleben wähle ich sehr bewusst die harmonische Seite".
Ute Lemper tritt mit ihrem Programm „Die sieben Todsünden" am 19. Oktober im Nikolaisaal in Potsdam auf. Sie gastiert am 8. November mit „Rendezvous with Marlene" im Rahmen der Jazztage Dresden im Ostra-Dome.