Schriftsteller und Filmemacher haben das Schachspiel gerne dramatisiert und ihre Storys darum gestrickt. Wir haben uns einige vorgenommen.
Das bekannteste Buch ist Stefan Zweigs „Schachnovelle". Der Fremde, Dr. B., der in dem Buch die Hauptrolle spielt und die richtigen Tipps gibt, den amtierenden Weltmeister Mirko Czentovic zu besiegen, hat sich als Gefangener in einem kleinen Zimmer mit einem Schachbuch gegen die perfide Zermürbungstaktik der Nazis gewehrt. Ohne Brett und Figuren spielte er unzählige Partien aus dem Buch im Kopf nach, und weil er keinen Partner hatte, nahm er gleichzeitig die Positionen Weiß und Schwarz ein. Das endete mit einem Nervenzusammenbruch, einer „Schachvergiftung". Blindschach ohne Brett und Figuren (nicht zu verwechseln mit „Blindenschach"), also als reines Kopfspiel, gilt heute tatsächlich als gefährlich für die Psyche. Czentovic, den Weltmeister, schildert Zweig als tumben Stoffel, dessen Welt sich „einzig auf die enge Einbahn zwischen Schwarz und Weiß reduziert" mit einer Begabung wie „ein Faden Gold in einem Zentner tauben Gesteins".
Wenn die Linde den Telefonmast schlägt
So muss man sich auch Lushin vorstellen (Vladimir Nabokov: „Lushins Verteidigung"), ein Mann, träge, dick, unfähig zu sozialen Kontakten, der zunächst als Schachgenie von einem skrupellosen Manager von Spiel zu Spiel in alle Städte Europas geschleppt wird, bis er auf eine Frau stößt, die ihn – wohl aus Mitleid – heiratet, wenn er aufhört, Schach zu spielen. Tatsächlich kann er, von seinem Manager verlassen, ohne seine „Braut", die ihn aus dem Sanatorium holt, nicht überleben. Doch das Schachspiel lässt ihn nicht los. Beim Spazierengehen überlegt er, dass „diese Linde auf dem sonnigen Hang mit einem Springerzug jene Telegraphenstange dort drüben schlagen könnte". Noch einmal spielt er gegen einen Großmeister, muss abbrechen, und zum Schluss steigert sich sein Wahn, wie er sich gegen den teuflischen Plan seines Gegners verteidigen könnte, so sehr, dass er ein möbliertes Zimmer mit Nippesfiguren nicht mehr betreten kann.
Realitätsverlust, Wahn, Einzelgänger, Irre, Sonderlinge – Zweig stellt die Frage, ob dieses „geniale Spiel" sich nicht „spezifische Matadore" schafft. „Aber macht man sich nicht einer beleidigenden Einschränkung schuldig, indem man Schach ein Spiel nennt?", lässt er seinen Erzähler fragen. „Ist es nicht auch eine Wissenschaft, eine Kunst …, uralt und doch ewig neu, mechanisch in der Anlage und doch nur wirksam durch Phantasie, … ein Denken, das zu nichts führt, eine Mathematik, die nichts errechnet, eine Kunst ohne Werke und doch dauerhafter … als alle Bücher und Werke, das einzige Spiel, das allen Völkern und Zeiten zugehört und von dem niemand weiß, welcher Gott es auf die Erde gebracht hat."
Jedes Spiel ist ein Duell – der eine Spieler stellt dem anderen Fallen, beide versuchen, sich gegenseitig zu überlisten, zu täuschen und am Ende zu vernichten. Auch damit lässt sich eine Geschichte perfekt dramatisieren, ohne dass das Spiel selbst nacherzählt werden muss: Betrug, Diebstahl, Verrat, vorgetäuschte Liebe, Mord und „echte" Freundschaft. Darum kreisen die beiden Romane, die von dem legendären „Türken" erzählen, dem Schachautomaten Wilhelm von Kempelens. Da geht es um eine Spionin, verschmähte Liebhaberinnen, stolze Husaren und den Zusammenprall eines Freigeistes (Kempelen), eines Juden (der Gehilfe) und eines gläubigen Katholiken (der Zwerg). Und ein paar Tote. Und das alles vor dem historischen Hintergrund des späten 18. Jahrhunderts (Robert Löhr; Der Schachautomat; Tom Standage: Der Türke).
Auch Krimis nehmen das Motiv auf (wie Stephen L. Carter: „Schachmatt"): Ein alter Richter hat geheime Botschaften in Schachrätsel verpackt, die sein Sohn lösen muss, der seinerseits von dubiosen Gestalten und vom FBI verfolgt wird. Andere Autoren machen aus dem Schachspiel einen Kampf um Leben und Tod. Der litauische Autor Icchokas Meras („Remis für Sekunden") lässt einen Nazi-Kommandanten gegen den jüdischen Häftling Isaak antreten. Verliert Isaak, rettet er sein Leben, opfert aber das der jüdischen Kinder. Gewinnt er, werden die Kinder vor der Deportation bewahrt, er aber wird erschossen. Das Spiel steht für die ausweglose Situation, in die die Nazi-Herrschaft ihre Opfer millionenfach gebracht hat.
Auch im Film sorgt Schach für Spannung: Im Thriller „Knight Moves" (1992) wird das Schachgenie Peter Sanderson während eines Turniers in einen mysteriösen Mordfall verwickelt. Er wird verdächtigt, eine junge Frau getötet zu haben, mit der er zuvor eine Nacht verbracht hat. Die attraktive Psychologin Kathy soll Peter auf den Zahn fühlen und mehr über ihn herausfinden. Als sie sich jedoch in den brillanten Schachspieler verliebt, droht ihr Leben in Gefahr zu geraten. Denn ein Serienkiller fordert ihn zu einem tödlichen Duell heraus: Für jede Figur, die er am Schachbrett schlägt, bringt er eine Frau um. Mit ausgeklügelten Schachrätseln kündigt der Unbekannte seine Bluttaten an.
Ein Schachbrett signalisiert Intelligenz
Natürlich sind auch die Vorgeschichte und das Match Fischer gegen Spasski 1972 in Reykjavik selbst verfilmt worden. „Bauernopfer" (2014) schildert in Rückblicken die Karriere des aus einfachen Verhältnissen in Brooklyn aufgewachsenen Wunderkindes Bobby Fischer. Im Mittelpunkt stehen das entscheidende Match und Fischers exzentrisches Verhalten. Der Film geht nach dem gewonnenen Spiel weiter. Fischer zieht sich vom Turnierschach zurück, wird wegen Landstreicherei verhaftet, tritt 1992 noch einmal gegen Spasski an, verfällt immer mehr dem Wahnsinn und versteigt sich zu Verschwörungstheorien gegen Amerika und die Juden, bis Island ihm 2005 Asyl gewährt. Hier ist es wieder: das Motiv Wahnsinn und Genie.
Doch es geht auch anders. Immer wenn es um Intelligenz, Kombinationsgabe und Taktik geht, kommt ein Schachbrett ins Spiel. Das ist in einem James-Bond-Film („Liebesgrüße aus Moskau") genauso wie in Sherlock-Holmes-Verfilmungen oder in „Independence Day", bei dem Jeff Goldblum als Schachspieler eingeführt wird. Harry Potter muss in seinem ersten Abenteuer zum Zauberschach mit lebenden Figuren antreten. Selbst in einigen Episoden des Weltraum-Epos „Star Wars" spielt die Crew des Sternenkreuzers mit holografischen Figuren Schach.
Lessing, selbst ein leidenschaftlicher Schachspieler, widmet eine Szene in seinem Drama „Nathan der Weise" (1779) dem Schach: Im mittelalterlichen Palästina spielt Sultan Saladin mit seiner Schwester Sittah – eine Erinnerung daran, dass Schach ursprünglich aus dem Orient ins Abendland gekommen war. Von Lessing stammt auch ein berühmter Satz über Schach: „Es ist für den Ernst zu viel Spiel und für das Spiel zu viel Ernst."